25
Entscheidend sind die Umsätze, die im „letzten Geschäftsjahr“ erzielt wurden. Damit ist das Geschäftsjahr vor dem die Anmeldepflicht auslösenden Ereignis, also etwa dem Abschluss des Unternehmensveräußerungsvertrages (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1) gemeint.[39] Maßgeblich sind grundsätzlich die Zahlen des letzten geprüften Jahresabschlusses. Übernahmen und Veräußerungen von Konzernunternehmen aus der Zeit danach bis zum Zeitpunkt der Anmeldung werden von der Kommission mitberücksichtigt, nicht jedoch bloße Umsatzschwankungen.[40] Bei Übernahmen und Veräußerungen die während des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres unterjährig vollzogen wurden, erfolgt keine anteilige Umsatzzurechnung ab dem Konsolidierungstag, sondern der Umsatz veräußerter Geschäftsbereiche bleibt vollständig unberücksichtigt, während der Jahresumsatz übernommener Geschäftsbereiche in vollem Umfang zu berücksichtigen ist.[41]
26
Besonderheiten gelten bei der Umsatzberechnung von Gemeinschaftsunternehmen zwischen den Zusammenschlussbeteiligten. Gem. Art. 5 Abs. 5 werden die Umsätze, die zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und jedem der Beteiligten stattfinden, nicht berücksichtigt. Die Umsätze des Gemeinschaftsunternehmens mit dritten Unternehmen werden den Beteiligten unabhängig von ihrer Beteiligungshöhe zu gleichen Anteilen zugerechnet.
27
Für die Berechnung gemeinschaftsweiter Umsätze und der Umsätze in einzelnen Mitgliedstaaten ist eine gebietsmäßige Zuordnung der Umsätze erforderlich. Hierfür wird auf den Umsatz abgestellt, der mit Waren und Dienstleistungen für Unternehmen oder Verbraucher in einem bestimmten Gebiet erzielt wird. Entscheidend ist daher nicht der Sitz des Unternehmens, das die Umsätze erzielt, sondern das Gebiet, in dem sich die Abnehmer befinden, mit denen die Umsätze erzielt werden.
4. Extraterritoriale Anwendung der FKVO
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Anders als das deutsche Recht (vgl. § 130 Abs. 2 GWB) enthält die FKVO keine ausdrückliche Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs der EG-Fusionskontrolle. Der Verordnungsgeber hat weder das in mehreren Mitgliedstaaten maßgebliche Auswirkungsprinzip normiert noch andere völkerrechtliche Grundsätze oder das Kriterium der „Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten“ aus Art. 101 und 102 AEUV übernommen. Die Umsatzschwellen des Art. 1 legen daher zugleich auch den extraterritorialen Anwendungsbereich der FKVO fest. Nach ständiger Praxis der Kommission ist es irrelevant, ob die beteiligten Unternehmen ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft haben, der Zusammenschluss außerhalb der Gemeinschaft stattfindet oder zwar innerhalb der Gemeinschaft stattfindet, seine Auswirkungen jedoch ganz oder überwiegend außerhalb der Gemeinschaft hat.[42] Solange die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die gemeinschaftsbezogenen Mindestumsätze des Art. 1 überschreiten und damit in erheblichem Umfang in der Gemeinschaft tätig sind, werden hinreichende Auswirkungen in der EU vermutet, so dass der Zusammenschluss uneingeschränkt anmeldepflichtig ist und gegebenenfalls auch von der Kommission untersagt werden kann.[43] Dementsprechend hat die Kommission die FKVO auch auf reine Auslandszusammenschlüsse[44] und auf Zusammenschlüsse, die zwar in der EU stattfanden, sich aber ausschließlich in Drittstaaten auswirkten,[45] angewandt und schreckt insoweit auch vor Untersagungsentscheidungen nicht zurück.[46]
III. Wettbewerbliche Beurteilung von Zusammenschlüssen
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Liegt ein Zusammenschluss vor und hat dieser gemeinschaftsweite Bedeutung, so muss die Kommission diesen auf seine Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt hin überprüfen. Das entscheidende Beurteilungskriterium in Art. 2 Abs. 3 (und spiegelbildlich Abs. 2) wurde mit der Novellierung der FKVO zum 1.5.2004 neu gefasst. Alleiniges Untersagungskriterium ist danach die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben.[47] Die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung wird nur noch als Regelbeispiel für eine solche Wettbewerbsbehinderung genannt.
Mit der Neufassung des Untersagungskriteriums sollte eine (vermeintliche) Lücke des Marktbeherrschungstests bei bestimmten Zusammenschlüssen in oligopolistisch strukturierten Märkten geschlossen werden. Wie im Erwägungsgrund 25 klargestellt wird, sollen mit der FKVO auch solche wettbewerbsschädigenden Auswirkungen eines Zusammenschlusses erfasst werden, die sich aus nicht koordiniertem Verhalten von Unternehmen ergeben, die auf dem jeweiligen Markt keine beherrschende Stellung haben. Angesprochen sind damit Zusammenschlusssituationen, in denen die neue Einheit zwar nicht den höchsten Marktanteil im Markt erreicht, aber durch den Wegfall des zwischen den Beteiligten herrschenden Binnenwettbewerbs durch sog. „unilaterale Effekte“ (unilateral effects) in die Lage versetzt werden könnte, über dem Wettbewerbsniveau liegende Preise durchzusetzen. Dessen ungeachtet ist das Marktbeherrschungskriterium nach Auffassung der Kommission weiterhin von tragender Bedeutung für die Europäische Fusionskontrolle.[48]
Die materielle Beurteilung von Zusammenschlüssen nach Art. 2 erfolgt in einer zweistufigen Prüfung.[49] Zunächst wird der relevante Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abgegrenzt, um die Wettbewerbskräfte zu identifizieren, die auf die beteiligten Unternehmen einwirken sowie deren tatsächliche Wettbewerber. In einem zweiten Schritt wird dann geprüft, ob der Zusammenschluss auf den zuvor definierten relevanten Märkten wirksamen Wettbewerb erheblich behindern würde. Bei kooperativen Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen sind zudem etwaige Koordinierungseffekte nach Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV zu prüfen.
1. Marktabgrenzung
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Die FKVO enthält keine ausdrückliche Definition des relevanten Marktes, so dass die Kommission auf bewährte Kriterien der Kartellrechtspraxis, insbesondere auf den Marktbegriff der Art. 101 und 102 AEUV zurückgreift. Zudem hat die Kommission ein eigene allgemeine Mitteilung zur Definition des relevanten Marktes erlassen.[50] Die Marktabgrenzung im Rahmen der Fusionskontrolle verlangt allerdings stets eine Prognose der zukünftigen Marktverhältnisse nach dem Zusammenschluss. Entscheidend ist, wie sich der Markt nach dem Zusammenschluss in einem überschaubaren Zeitraum darstellen wird, so dass es einer Berücksichtigung der Dynamik des Marktgeschehens, der zu erwartenden technischen Entwicklungen und der zukünftigen rechtlichen Rahmenbedingungen bedarf. In problematischen Fällen „steht und fällt“ die Freigabefähigkeit eines Vorhabens häufig mit der Marktabgrenzung. Je enger der Markt abgegrenzt wird, desto geringer wird das