Trent hinterlässt nie eine Spur dort, wo es sichtbar wäre. Es geht immer darum, den Anschein zu wahren – ein weiteres Merkmal, das er mit meinem Vater gemeinsam hat. Das Psychopathen-Gen, das teilen sie sich offenbar. Zum Glück scheint Drew dem entgangen zu sein, auch wenn er genauso arrogant und machtversessen ist wie unser herzallerliebster Vater. Er hat also definitiv etwas von seiner DNA geerbt. Ich glaube gern daran, dass in mir mehr von Mom steckt.
Drew reibt einen Punkt zwischen seinen Brauen. Er wirkt angespannt. »Er ist wegen dieses anstehenden Trips aufgebracht.«
Die Jungs fahren nächste Woche nach Parkhurst. Dort befindet sich so ein beschissenes elitäres Trainingscamp, an dem sie ein paarmal im Jahr teilnehmen. Auch wenn die Jungs auf das College gehen werden, sobald sie im kommenden Mai die Highschool beendet haben, werden sie zudem eine offizielle Position in ihrem jeweiligen Familienunternehmen übernehmen und mehr öffentliche Verpflichtungen wahrnehmen müssen. Dieser einmonatige Campaufenthalt ist Teil ihrer Vorbereitung darauf.
»Versuch nicht, sein Verhalten zu entschuldigen.« Ich drehe mich um und halte mein Haar hoch.
Drew öffnet den Reißverschluss meines Kleids und richtet den Blick seiner warmen, braunen Augen gen Boden, während ich mich ausziehe und in mein Seidennachthemd schlüpfe. »Das mache ich nicht. Du verstehst den Druck nicht, der auf unseren Schultern lastet.«
Ruckartig drehe ich mich wieder um und funkle ihn wütend an. »Sprich mit mir nicht über Druck! Immerhin kannst du Karriere machen und dir ein Leben aufbauen! Welche Wahlmöglichkeiten habe ich?« Ich wedle mit den Händen in der Luft herum.
»Du kannst dich aufs College freuen und Christian Montgomery hat sich damit einverstanden erklärt, dass du bis zu deinem Abschluss warten kannst, bevor du einen Erbfolger auf die Welt bringst.«
»Soll ich dafür auch noch dankbar sein?«, schreie ich, auch wenn mir klar ist, dass ich meine Wut an der falschen Person auslasse.
»Dir wird es an nichts fehlen, Abby.« Er umfasst sanft mein Gesicht. »Du und Trent, ihr werdet wunderschöne Babys zusammen machen.«
Ich schubse ihn von mir, angeekelt von der Wende, die unser Gespräch genommen hat. »Verschwinde, Drew. Ich kann das heute Nacht nicht hören.«
Er verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. »Hör auf, so eine jammernde Zicke zu sein«, fährt er mich an. »Du weißt, wie wichtig die Allianz mit den Montgomerys ist. Wir haben beide unsere Rollen zu spielen.«
Ich ziehe die seidigen Bezüge meines Himmelbetts zurück und krieche darunter. Dieser Tag muss endlich ein Ende haben. »Ich weiß, Drew. Das höre ich bereits mein ganzes Leben lang. Es ist nicht nötig, dass du es ständig wiederholst.«
»Mit Sicherheit ist das nötig.« Er setzt sich auf die Bettkante und seine Verärgerung scheint verraucht. »Du hast zu viel von Mom in dir. Ich sehe doch, wie gern du rebellieren würdest.« Er deckt mich zu, so wie er das nach Moms Tod immer gemacht hat, wenn ich Albträume hatte. Damals kroch er immer zu mir unter die Bettdecke. »Aber das kannst du nicht, Abby. Hör auf, gegen Trent anzukämpfen. Gib ihm, was er will, und er wird sich verändern. Er möchte nur, dass du ihn liebst.«
»Er möchte mich nur ins Bett kriegen«, erwidere ich.
»Ist das so eine schlimme Sache?«
»Sein Schwanz ist durch und durch verdorben und seine Berührungen verursachen mir Gänsehaut, die Antwort ist also ein klares Ja.« Drew seufzt. »Vielleicht wären die Dinge zwischen uns anders, wenn er nicht immer so aggressiv mit mir umgehen würde. Wenn er mich so respektieren würde, wie du Jane, aber das tut er nicht, also ist es eben, wie es ist.«
Zwar ist die Ford-Familie keine der Gründerfamilien, aber ihre Mitglieder werden in den höheren Rängen der elitären Gesellschaft respektiert, besser bekannt als der innere Zirkel. Unser Vater ist versessen auf eine formale Allianz. Eine Hochzeit zwischen diesen beiden Familien wird diese sicherstellen.
Janes Vater hat ebenfalls auf eine Jungfräulichkeitsklausel beharrt, aber Drew und Jane stehen unglaublich aufeinander und konnten nicht warten. Anders als ich liebt Jane ihren Vater und möchte ihn nicht enttäuschen, daher weiß er nichts davon, dass sie mit meinem Bruder schläft. Jedes Mal, wenn Jane bei uns übernachtet, nehmen ihre Eltern an, sie wäre bei mir, aber normalerweise schläft sie in Drews Bett. Mein Vater unterstützt diese Sache. Er liebt es, Mr Ford eins auszuwischen. Darüber hinaus ist er ein Perversling. Das private Sexzimmer in unserem Keller beweist das.
Wenn ich meinen Bruder und Jane zusammen sehe, verliebt und einander anhimmelnd, als existiere außer ihnen niemand sonst auf der Welt, fühle ich einen seltsamen Stich der Eifersucht. Wären Trent und ich ineinander verliebt, würde ich ihn gern in mein Bett lassen. Aber das ist nicht der Fall. Ich verabscheue ihn abgrundtief und werde niemals freiwillig mit ihm schlafen.
»Mach nur nichts Dummes, Sis.« Drew drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Wir haben bereits Mom verloren und ich könnte es nicht ertragen, dich ebenfalls zu verlieren.«
»Das werde ich nicht«, lüge ich, setze mich auf und umarme ihn. »Aber ich werde auch nicht Trents Fußabstreifer sein.«
»Lass ihn rein, Abby«, bittet mich Drew eindringlich. »Das wird dir das Leben so viel leichter machen.«
Mein Bruder zieht hinter sich die Zimmertür ins Schloss, und ich frage mich, ob in seinen Worten ein Funken Weisheit stecken könnte und ich ein paar Änderungen an meinem Plan vornehmen sollte.
2. KAPITEL
»Ich kann nicht glauben, dass du Freitag für einen ganzen Monat wegfährst.« Jane verzieht die Lippen zu einem Schmollmund und klammert sich an Drew, während wir an unserem ersten Tag zurück in der Rydeville High vom Parkplatz zum Eingang gehen.
Es ist unser Abschlussjahr.
Unser letztes Jahr hier, bevor wir die Highschool beenden und anschließend auf den privaten Collegecampus auf der anderen Seite der Stadt ziehen werden. »Ich werde dich vermissen.«
Drew legt seinen Arm noch enger um ihre Schultern. »Ich werde dich ebenfalls vermissen, Babe.« Er drückt ihr einen Kuss auf den Kopf und sie schmiegt sich an ihn.
»Wirst du mich vermissen?«, fragt Trent in rauem Tonfall und hält meine Taille im Gehen fest umklammert.
Die frühe Morgensonne bringt den massiven Diamantring an meinem Finger zum Funkeln, als würde mir das Universum ein gewaltiges Fuck you zusenden. »So sehr, wie ich Schnee an einem traumhaften Sommertag vermisse«, kontere ich und ernte von ihm einen finsteren Blick.
Drew sieht mich über seine Schulter hinweg warnend an, und ich erinnere mich an das Versprechen, das ich mir selbst gestern Nacht gegeben habe. Ich dränge die aufsteigende Übelkeit in mir zurück, lege Trent meinen Arm um die Mitte und schenke ihm ein liebliches Lächeln. »Das war gemein von mir. Entschuldige. Natürlich werde ich dich vermissen.«
Trent verengt misstrauisch die Augen, während Charlie, auch bekannt als Charles Barron der III., schmunzelt. »Deine Schauspielkünste könnten ein wenig Politur gebrauchen«, neckt er mich und glättet mit einer Hand seine zurückgegelten tiefschwarzen Haare.
»Ich werde gleich daran feilen«, witzle ich, als Trent seine Finger in meine Taille gräbt.
Als wir den Haupteingang erreichen, teilt sich die Menge, und macht Platz, um der Elite den Vortritt in das Gebäude zu überlassen. Ein ehrfürchtiges Raunen schwillt an, als wir die Stufen zu den Eingangstüren hinaufsteigen. Die Jungs nicken ein paar Leuten aus dem inneren Zirkel zu, als wir an ihnen vorbeigehen. Kaum haben wir die oberste Stufe erreicht, erscheint Rochelle auf fast schon magische Weise wie ein unerwünschter Geist. Sie leckt sich über die Lippen und öffnet einen weiteren Knopf ihres weißen Uniformoberteils, um noch mehr Dekolleté zu zeigen. Dabei grinst sie Trent an. »Hey, Baby.«
Drew entzieht sich Janes Umarmung, drängt Rochelle zur Seite und blickt meinen Verlobten