Lauder neigt den Kopf zur Seite und stößt ein leises Pfeifen aus. Seine stechend blauen Augen scheinen förmlich zu lachen, während er mich abcheckt. Er zwinkert mir zu und grinst breit, wobei er zwei Grübchen und strahlend weiße Zähne zur Schau stellt. Mit seinen verwuschelten Haaren, den beeindruckenden Augen und seiner flirtenden Art ist er genauso attraktiv wie sein Kumpel.
Kein Wunder, dass die Höschen der Mädchen am Straßenrand feucht geworden sind. Der einzige Grund, warum ich nicht lossabbere, sind die drei Jungs, die mich flankieren. Ich machte im Junior Year den Fehler, einen Jungen zu benutzen, um Trent eine Lehre zu erteilen. Ich habe Fenton nicht mal geküsst, sondern nur ein wenig mit ihm geflirtet, und er war dumm genug, zurückzuflirten. Später an diesem Abend hat ihn Trent so heftig zusammengeschlagen, dass er mit mehreren gebrochenen Rippen, einem zertrümmerten Kiefer und einer heftigen Gehirnerschütterung im Krankenhaus landete. Er ist nie wieder zur Schule zurückgekehrt und ich habe aufgehört, meinem ungeliebten Verlobten eine Lektion erteilen zu wollen. Heute vermeide ich leichtsinniges Flirten mit anderen Jungs, um sie zu schützen.
Aber Lauder weiß davon nichts.
»Fuck. Me.« Er tritt auf mich zu und legt in einer äußerst schnellen Bewegung seine Hand an meine Wange. »Du bist wunderschön.«
»Und du benimmst dich daneben.« Ich entferne seine Hand von meinem Gesicht und ignoriere ganz bewusst den kleinen Funken, den seine Berührung in mir ausgelöst hat. »Fasst du Frauen immer ohne ihre Erlaubnis an?«
»Ich wurde noch nie abgewiesen«, sagt er und zieht wieder an seinem Joint.
»Jetzt schon«, entgegnet Trent, ehe ich die Chance dazu habe.
»Spricht er immer für dich?«, will Hunt wissen und zieht eine Braue nach oben.
»Ich bin sehr wohl in der Lage, für mich selbst zu sprechen. Aber du hast meinen Verlobten gehört. Ihr seid hier nicht willkommen.« Ich werfe ihm einen bohrenden Blick zu. »Verschwindet.«
»Verdammt. Ich liebe es, wenn eine Frau autoritär ist. Das macht mich an«, erwidert Lauder und greift sich in den Schritt.
»Wenn wir euch mit Gewalt entfernen müssen, dann werden wir das tun«, stellt Drew klar, tritt vor und reißt Lauder den Joint aus der Hand. Er wirft ihn hinter sich, damit ihn einer seiner Lakaien entsorgt. »Und hör auf, meine Schwester mit den Augen auszuziehen.«
»Andrew Hearst-Manning«, sagt Hunt und reckt das Kinn, während er meinen Bruder unverfroren anschaut. »Sohn von Michael Hearst, CEO und Hauptaktionär von Manning Motors, dem weltweit größten Autohersteller, und Olivia Manning, Tochter des legendären Davis Manning, mittlerweile beide tot. Zwillingsbruder von Abigail Hearst-Manning«, fährt er fort und sieht wieder in meine Richtung, »die zu Abigail Hearst-Manning Montgomery wird, sobald sie Trent Montgomery II. nach ihrem Abschluss nächsten Sommer geheiratet hat. Wie mache ich mich bisher?«
»Schlechter als durchschnittlich«, mischt sich Charlie ein und beendet das Telefonat, das er gerade geführt hat. »Wenn du denkst, uns mit den Ergebnissen einer einfachen Google-Suche beeindrucken zu können, liegst du weit daneben.«
Charlie hat recht – all die Informationen kann man online nachlesen. Außerdem wissen alle Ortsansässigen, dass unser Zweitname Hearst ist. Da der Name Manning so bedeutungsschwer ist, steht auf unserer Geburtsurkunde ein Doppelname. Genau genommen bin ich Abigail Hearst-Manning, aber jeder nennt mich nur Abigail Manning. Auch Drew wird nur mit Manning angesprochen, was unserem Vater sehr recht zu sein scheint. Ich habe mich oft gefragt, warum er nicht auch offiziell seinen Namen geändert hat.
»Gesprochen wie ein wahrer Barron«, erwidert Lauder. »Du siehst wie ein typischer reicher Schnösel aus, der etwas zu beweisen hat.« Er schnippt mit den Fingern und sieht über unsere Schultern hinweg. »Du.« Er deutet auf jemanden. »Fang.« Er lässt seine Autoschlüssel über unsere Köpfe hinwegfliegen. »Park mein Baby. Wenn ihr irgendetwas passiert, mache ich dich dafür verantwortlich.« Lauder richtet zwei Finger auf einen armen Idioten, ehe er meine Hand ergreift und an seinen Mund hebt. Er zwinkert mir zu, ehe er einen Kuss auf meinen Handrücken drückt und ganz bewusst den Rauch ignoriert, der förmlich aus Trents Ohren austritt. »Auf Wiedersehen, Schönheit.« Hunt schnaubt und schüttelt den Kopf. »Bis später, ihr Arschlöcher«, sagt Lauder und stößt absichtlich gegen Trents Schulter, bevor er sich einen Weg durch die Mitglieder der Elite bahnt, zwei Schritte auf einmal nehmend.
»Das war äußerst unterhaltsam«, witzelt Hunt, ohne zu lachen, und richtet seine Krawatte, ehe er seinem Kumpel ins Innere der Schule folgt.
»Was zur Hölle geht hier vor sich?«, fragt Trent aufgebracht und sendet ungemütliche Vibes in Charlies Richtung.
Eine Frage, auf die ich ebenfalls gern eine Antwort hätte.
3. KAPITEL
»Lasst uns reingehen und dabei reden«, sagt Charlie. »Wir können nicht am ersten Tag zu spät zum Unterricht kommen.«
Ich verdrehe die Augen, als keiner hinsieht. Sich perfekt zu verhalten, muss anstrengend sein, doch Charlie zeigt das nie. Er ist der Mitfühlendste und Rücksichtsvollste der männlichen Elitemitglieder, und zugleich nimmt er seine Rolle auch sehr ernst. Jedes Wort, das seinen Mund verlässt, jede Aktion und jede Reaktion von ihm sind wohlüberlegt. Charlie hat noch nie etwas getan, was Scham und Schande über die Elite oder den Namen seiner Familie gebracht hätte. Ich habe ihn selten die Beherrschung verlieren sehen, und er pflegt auch keine Affären hier an der Schule, sondern zieht ältere Collegemädchen vor. Er ist der Einzige, der nicht zu einer arrangierten Ehe gezwungen wird, weil er etwas hat, was dem Rest von uns verwehrt blieb: Eltern, die ihn und einander vergöttern. Seine Eltern glauben an die Liebe und lassen ihrem Sohn die Freiheit, zu wählen, wen er heiraten möchte und wann. Das ist ein fortwährendes Streitthema zwischen meinem herzallerliebsten Vater, Christian Montgomery, und Charles Barron, denn es kommt einer Missachtung der Tradition gleich. Charlies Vater mag es jedoch, die Grenzen auszudehnen und alte Regeln infrage zu stellen. Dabei scheint es ihm egal zu sein, ob das zu Konflikten in den elitären Rängen führt. Er muss meinem Vater oder jenem von Trent keine Rechenschaft ablegen, allerdings würde ich an seiner Stelle niemals freiwillig mit den beiden Rottweilern in den Ring steigen. Die Loyalität der Männer untereinander ist begrenzt, und wenn Charlies Dad so weitermacht, könnte er sich bald im Aus wiederfinden.
Charlie ist in vielerlei Hinsicht wie sein Dad. Obwohl ich mich immer darauf verlassen kann, dass er hinter mir steht und weder Diskussionen noch Streitereien mit Drew und Trent scheut, lässt er sich dennoch nie in die Karten blicken. Er wirkt hinter seiner charismatischen, umgänglichen Fassade eher im Stillen manipulativ.
Bei Trent und Drew bekommt man immer das, was man sieht. Charlie hingegen ist wie einer dieser Höckerschwäne, über die wir letztes Jahr in Biologie gelernt haben: wunderschön und gelassen, bis man in ihr Territorium eindringt, dann attackieren sie. Dieser Punkt muss bei Charlie erst noch erreicht werden, aber ich bin sicher, dass man ihn nicht unterschätzen darf. Ich spüre, dass er letzten Endes der Grausamste von allen ist.
Drew scheucht die Menge in das Schulgebäude, und wir erklimmen hinter ihm die Stufen.
»Dein Vater meinte, dass er sich darum kümmern würde, warum zum Teufel sind sie dann hier?«, knurrt Trent, wie immer kurz vor dem Ausrasten.
»Wer sind sie?«, frage ich und ignoriere den wütenden Blick, mit dem mich Trent bedenkt.
»Sawyer Hunt und Jackson Lauder«, erklärt Charlie und schiebt die Hände in seine Hosentasche, als wir den Gang betreten.
Die Namen sagen mir etwas. Ich durchkämme mein Gedächtnis nach Details und reiße die Augen auf, als