Beziehungsweisen. Elazar Benyoëtz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elazar Benyoëtz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783772001093
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Dankrede beim Empfang des Adelbert von Chamisso-Preises („Treffpunkt Scheideweg“, S. 168–173). Nun blicke ich zurück.

      1961 erschienen Rychner, MaxRychners „Antworten“*; in dem Aufsatz „Rahel“ steht Verständnisvolles über das Judentum, schlägt ein Herz für die Juden, wacht ein klares Auge über den Ablauf der Geschichte. Kein Schwanken, kein Zögern, rein und trefflich. Unter anderem finde ich darin ein Wort alter Treue: „Noch bei Margarete Susman, MargareteSusman, in ihrem immer wieder hervorzuhebenden Buch ‚Frauen der Romantik‘, erschienen 1929, kurz bevor Hannah Arendt, HannahArendt das ihre begann […]“ (S. 114). Dreißig Jahre vorher, am 5.12.1929, schreibt Rychner, MaxRychner an Carl J. Burckhardt, Carl J.Burckhardt: „Das literarische Ergebnis 1929 ist jammervoll. […]. Ein sehr bedeutendes, sehr schönes Werk ist: Margarete Susman, MargareteSusman: ‚Frauen der Romantik‘. Welch geistreiche, intuitiv begabte und im Denken überlegene Frau! Voila une femme!“ (Carl Burckhardt, Carl J.Burckhardt/Max Rychner, MaxRychner: Briefe 1926–1965. Frankfurt am Main 1970, S. 33).

      Nicht anders als Margarete Susman, MargareteSusman war auch Rychner, MaxRychner intuitiv begabt und wusste wie sie, das Kommende, als es sich gerade am Horizont abzeichnete, zu begreifen und zu begrüßen. Es ist mir eine Genugtuung festzustellen, dass auch Margarete Susman, MargareteSusmans Werke eben jetzt wieder, in einem neuen Gewande, für eine neue Generation zu erscheinen beginnen („Das Buch HiobHiob und das Schicksal des jüdischen Volkes“. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag bei Suhrkamp 1997).

      Beim näheren Zusehen

      Am 19. März 1962 gratuliere ich Max Rychner, MaxRychner zum Erhalt des Stadtpreises Zürich, lege meine Übersetzung seines Gedichtes „Auf einem Heimweg“** bei, schicke ihm meinen letzten (hebr.) Gedichtband, „als Zeichen meiner Hochschätzung“, bedanke mich für das Vergnügen, das seine Bücher mir bereiten, und für alle Belehrung, schließe mit der Hoffnung, dass auf das eine übersetzte Gedicht andere Übersetzungen aus seinem Werk folgen werden. Ich zeichne „In tiefer Verehrung.“

      Diese Verehrung blieb unvermindert, doch kamen hinzu: eine helle Freude um diesen Menschen herum, desgleichen ich nie wieder begegnete. Er wurde mir Bild und Begriff des sympathischen Menschen. Ehe ich ihm begegnet war, kannte ich nur Zu- und Abneigungen, entschieden, ohne Geräumigkeit und Verweilen. Das waren Geschenke Rychner, MaxRychners an mich. Er hat alles nach seinem Gewicht erkannt und eingeschätzt, doch nahm er in der Begegnung alles ohne Schwere. Die seitliche Neigung seines Kopfes, als würde er links oder rechts hinhorchen. Die helvetische Distanz, die er innehatte, ließ er mich nie merken, seine Augen sprachen: Du kannst mir nichts vormachen, doch bitte – versuchs! Öffnete er seine Augen, wars, um alles schon gesehen zu haben. Zu Hause nahm er die Dinge unter die Lupe und schrieb nur „bei näherem Zusehen“. Großherzig war er, aber nicht verschwenderisch; es war ihm um jedes Wort schade, wenns nicht gefunkelt oder bunt geschillert und gegoethet hatte. „Wenn Rychner, MaxRychner irgendwohin schaut, ist es eine Richtung, nimmt er sich etwas vor, wird daraus ein Maß“ steht in meinem Tagebuch, 1963.

      * Max Rychner, MaxRychner: Antworten. Aufsätze zur Literatur. Zürich: Manesse 1961; vgl. Die Rede geht im Schweigen vor Anker, S. 41; Das Kommende ist nicht in Eile, S. 30–39; Vielzeitig, S. 279; vgl. Aberwenndig, S. 97 mit Anmerkung

      ** Aus „Glut und Asche“ (Zürich: Manesse 1945), dem ersten Buch Rychner, MaxRychners, das EB in Tel Aviv antiquarisch erworben hatte.

      An Friedemann Spicker, FriedemannSpicker, 24. November 2000 Nr. 37

      Was Handke, PeterHandke betrifft: Ich weiß, dass seine Aufnahme in Ihre Anthologie* Ihnen nicht nur viel bedeutete, sondern auch Freude machte, weil Sie Wege suchen aus der aphoristischen (Ein-)Öde. Das habe ich erkannt, geschätzt und beherzigt, ja, es brachte Sie mir menschlich noch näher. Fern wäre es mir darum, Ihnen die Freude zu trüben, aber Sie haben, meinte ich, Besseres verdient. Was Handke, PeterHandke bietet, ist zu wenig poetisch, wenig raffiniert, nicht übermäßig klug. Zwar nehmen seine Sätze sich aus, aber wohin und wie weit? Das ist nicht Allerweltsaphoristik, aber auch nicht „Weltliteratur“, die ich regelmäßig nehme. Würde es heißen, dass ich für mich selbst diesen Rang in Anspruch nehme? Ja, ich weiß, was ich tu, denn ich tu nichts anderes. Ich schreibe Einsätze, keine Aphorismen; nicht auf Kosten der Sprache, auch nicht in Gottes Gnaden. Es gibt eine Aristokratie der Erkenntnis, die ohne Repräsentanz auskommt.

      * Aphorismen der Weltliteratur. Hg. von Friedemann Spicker, FriedemannSpicker. Stuttgart: Reclam 1999

      An Burkhard Talebitari, BurkhardTalebitari, 20. Juni ‏2001 Nr. 38

      Von Albrecht, Fabri Albrecht Fabri besitze ich den „roten Faden“* als List-Taschenbuch, das ich in den fünfziger Jahren in Tel-Aviv, ausnahmsweise regelrecht, gekauft habe – nicht antiquarisch, was die Regel für deutsche Bücher wäre. Es gehörte zu meinen ersten Anschaffungen neuer deutscher Literatur, und es ist mir lange treu und lieb geblieben; darum, weil Sie Fabri zu schätzen wissen, möchte ich Ihnen sein Buch schenken.

      * Albrecht Fabri: Der rote Faden. München: List 1959. Vgl. A. F.: Der schmutzige Daumen. Gesammelte Schriften. Hg. von Ingeborg Fabri und Martin Weinmann. Frankfurt: Zweitausendeins 2000

      An Erika Burkart, ErikaBurkart, 18. Oktober 2002 Nr. 39

      Ich war froh, für eine Stunde Ihnen so nah sein zu können* wie nie zuvor. Das Zuvor freilich ist schon 40 Jahre alt. Vor vierzig Jahren war ich Max Rychner, MaxRychner zum erstenmal persönlich begegnet.

      Er führte mich damals in die Schweizer Dichtung ein und machte mich auch mit Ihren Gedichten bekannt. Es folgten viele, die mein Herz erfreuten. Max Rychner, MaxRychner begleitet mich unentwegt, er hat auch Ihnen viel bedeutet. Dass Sie sich seinen „Lichtenberg, Georg ChristophLichtenberg”** besonders zu Herzen nahmen, habe ich mir gemerkt. Also sind Sie bereits 40 Jahre bei mir, und nun kamen Sie mit einmal mir so ganz nah.

      * EB bekam (gem. mit Robert Menasse, RobertMenasse und Erika Burkart, ErikaBurkart) den Joseph-Breitbach-Preis der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 2002.

      ** Aphorismen. Von Georg Christoph Lichtenberg, Georg ChristophLichtenberg. Hg. von Max Rychner, MaxRychner (Manesse-Bibliothek der Weltliteratur). Zürich: Manesse 1947

      An Walter Helmut Fritz, Walter HelmutFritz, 18. ‏Oktober 2002 Nr. 40

      Sie vergessen mich nicht, Sie nehmen sich meiner an, so schreibe ich weiter, und Sie verstehen, wie viel Dank für Sie schon das allein bedeutet. Aber mehr mag ich nicht sagen, und mehr könnten Sie auch nicht vertragen. Da stehen wir – Sie in Ihrem, ich in meinem Werk. In die Jahre kommend, sehen sie sich ähnlicher. Das sind große Geschenke, die Sie mir machten. Ich bin gerade an der vorletzten Fassung meines nächsten Hanser-Buches. Ein kleiner Abschnitt – Ohnmacht ist brutal – endet: „Grosse Worte / klein gesagt: / Aphorismen.“ Als ich das las, dachte ich, es träfe auf Ihre Gedichte zu, nur dass Sie eben in jedem Wort Dichter sind und dass man dazu ein kleines Wort mehr sagen müsste. Sie sind ein Augenmensch, Ihre Augen aber verfügen über das vollkommene Gehör. Bei anderen Dichtern freut man sich über kurz oder lang, bei Ihnen über das Maß selbst. Sie dürfen mich beneiden, dass ich Sie so gut zu beneiden verstehe. Auf Ihre Prosadichtungen möchte ich noch zu sprechen kommen. Das tue ich vielleicht am besten prosadichtend.

      Seien Sie für alles, für vieles, für die Handvoll Hand (= Treue) bedankt.

      An Matthias HerHermann, Matthiasmann, 29. November 2002 Nr. 41

      Der gebeugte Klang*? – im Denken und – auch meiner – gedacht**, kommt rundum und frischmatt*** ein verlorener Sohn zurück zu mir, inspiriert und wohlvertraut inspirierend: Am liebsten würde ich Dir Strophe für Strophe antworten, oder auch nur Zeile für Zeile. Beglückend wärs, denn dazu tauge ich eben jetzt nicht. Vom Titel an bis „schlägt die Erde auf“ ein gelungenes, lohnendes Buch, zu dem ich Dir von Herzen gratuliere und danke. Für die Widmung Sonderdank! Von allem abgesehen freut es mich, dass Du nicht länger zögertest, denn mir schien, du bliebest zu lange vom Fenster weg.

      * Matthias Hermann, MatthiasHermann: Der gebeugte Klang. Gedichte. Tübingen: Klöpfer & Meyer 2002

      ** Widmung: Für EB

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