Jasin übernahm die Fortsetzung ihrer Geschichte. „Die letzte Woche haben wir drei uns heimlich nachts getroffen. Azzam hat uns gezeigt, dass Jesus selbst den schlimmsten Übeltätern vergeben kann. Mose hat jemanden totgeschlagen, und Paulus hat Christen ans Messer geliefert, aber Gott hat auch ihnen vergeben und ihr Leben neu gemacht. Wir können es immer noch kaum glauben, aber wir wissen: Es ist wahr.
Jesus hat selbst das vergeben, was wir als Piraten gemacht haben. Unser Leben war Stehlen und Morden. Nur Jesus konnte uns das vergeben und nur er konnte es auch Azzam ins Herz legen, uns zu vergeben. Mahdi und ich … tja, wir sind jetzt Christen, und darum ist Friede zwischen uns. Zwischen Azzam und uns. Und euch allen.“
Jasin sah Madhi an. Der fügte hinzu: „Wir haben auch gesehen, dass Jesus Bruder Azzam eine ungewöhnliche Erkenntnis gegeben hat. Er hat ein inneres Auge für Dinge, die der Herr ihm zeigt.“
Mahdi legte einen Arm um Azzams Schulter. Dschabars Augen wurden noch größer.
„Azzam spürte, dass da noch mehr sein musste mit seiner Mutter. Tief in seinem Herzen hatte er etwas gehofft, das er einfach wissen musste. Und er hat recht gehabt. Wir haben es ihm gesagt. Als wir sie töteten, waren ihre letzten Worte: ‚Jesus, Jesus, ich liebe dich.‘“
Eine Botschaft von Azzam
Mein Leben als Christ war nie lange frei von schweren Prüfungen. Doch inmitten dieser Prüfungen habe ich die Macht von Jesus erlebt. Ich habe schließlich herausgefunden, dass meine Mutter zur gleichen Zeit wie ich Träume von Jesus hatte. Als sie jünger war, war sie einer Missionarin begegnet, die sie in die Bibel einführte, und die Geschichten und Bibelverse sind in ihrem Herzen geblieben.
Wenn ich meine Mutter etwas fragen könnte, dann wäre es dieses: „Mutter, hast du das Kreuz auf meinem Bett an jenem Tag wirklich nicht gesehen?“ Sie hatte weiter keine Worte gemacht, hatte mir einfach befohlen zu gehen, weil sie Angst um mein Leben hatte.
Ich habe Mahdi und Jasin im Glauben unterwiesen und sie arbeiten jetzt beide im Untergrund für den Herrn. Allein unser Herr Jesus konnte in seiner großen Gnade meinen brennenden Hass auf sie, die Mörder meiner Mutter, aus meinem Herzen wegnehmen.
Ich bin jetzt seit fünfzehn Jahren Christ. Als ich heiratete, war meiner Frau klar, dass wir kein normales Leben führen würden. Sie sagte mir: „Azzam, wir werden in ständiger Gefahr leben, bis zu dem Tag, an dem wir als Märtyrer für Christus sterben. Aber ich werde diesen Weg freudig mit dir mitgehen.“
Als Märtyrer für Christus sterben! Was für eine furchtlose Dienerin Gottes! Ich bin mehr als gesegnet, dass eine Frau wie sie meine Lebenspartnerin ist.
Unser Sohn Hakeem ist bereits dreimal von Piraten entführt worden. Sie versuchen, Jungen zu indoktrinieren und zu Piraten zu machen – bei Hakeem ohne Erfolg. Gott hat ihn uns jedes Mal zurückgegeben.
Gewöhnliche Menschen reisen bei uns zu Fuß, mit dem Esel oder mit dem Bus. Ich benutze nach wie vor Särge; das ist die einzige Möglichkeit, Bibeln für die Christen zu bekommen. Es ist irgendwie lustig: Gott benutzt Särge, um neues Leben nach Somalia zu bringen! Durch die Bibel werden die Untergrundchristen – von denen es inzwischen viele gibt – in das Bild unseres Erlösers verwandelt.
Als Pirat war ich risikofreudig und das hat sich in meiner Tätigkeit als Untergrundmissionar nicht geändert. Das Horn von Afrika ist eine üble Gegend. Der Satan herrscht dort in vielen Familien, in der Obrigkeit, im Schulwesen und natürlich im Islam. Er bekämpft uns auf Schritt und Tritt, aber was er uns auch an Knüppeln zwischen die Beine wirft, Gott benutzt es für sein Reich.
Die Geduld ist eine Frucht des Geistes Gottes, die ich nur mühsam gelernt habe, aber sehr zu schätzen weiß. Wenn Sie jemand sind, der gern aufs Ganze geht, ist die Versuchung groß, einfach draufloszugehen und die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Aber oft ist das nicht Gottes Methode. Jesus hat mich in die Schule des Wartens genommen – des Wartens auf ihn.
Durch verschiedene Prüfungen habe ich Geduld gelernt. Prüfungen sind dafür da, uns zu testen. Kaum haben wir die eine hinter uns, wartet schon die nächste.
Doch Prüfungen sind auch ein Tempel für den Christen. Sie zwingen uns dazu, innezuhalten und uns vor Gott niederzuwerfen. In der Prüfung sind wir mit Jesus allein. Im 23. Psalm heißt es: „Und geht es auch durch dunkle Täler …“ (aus Vers 4). Irgendwann ist die Prüfung zu Ende, aber diese Begegnung mit Christus hat uns für immer verändert; wir sind nicht mehr dieselben. Wie schlimm es auch kommt: Wenn wir treu weitergehen, werden wir den Lohn der Treue ernten.
Der leidende Christ ist wie der alttestamentliche Hohepriester im Allerheiligsten. Wir Menschen neigen zu Eile, doch der Tempel ist kein Ort für Eile. Der alttestamentliche Priester tat sein Werk im Allerheiligsten mit aller Sorgfalt, weil er nur ein Mal im Jahr die Gelegenheit dazu hatte. Jede Sekunde dort im Tempel war heilig, und der, der zu diesem Dienst erwählt worden war, wusste, welch eine Ehre es war, dieses Opfer vor dem lebendigen Gott darzubringen.
So wie der Hohepriester damals sollten auch wir heute sein – geduldig in dem, wozu Gott uns berufen hat, und Menschen, denen es eine Ehre ist, sich selbst Gott als Opfer hinzugeben. Die Begegnung mit Christus im Leiden ist ein heiliger, von Gott selbst verordneter Dienst im Allerheiligsten. Wenn dieser Dienst zu Ihnen kommt, betrachten Sie es als hohe Ehre, ihn tun zu dürfen. Seien Sie nicht hastig. Warten Sie auf den Herrn. Er ist bei Ihnen, so wie er bei David war, als dieser die majestätischen Worte schrieb: „… fürchte ich mich nicht, denn du, Herr, bist bei mir“ (Psalm 23,4). Kann es einen besseren Ort geben?
Denken Sie in Ihren Gebeten an uns hier in Somalia. Wir senden Ihnen unsere Liebe in Christus.
1 Das arabische Wort halal („erlaubt“) steht für Dinge, die nach islamischem Recht erlaubt sind – u.a. auch Ehrenmorde.
2
Der einzige leere Friedhof in Syrien
Der heiße Wind des späten Nachmittags strich durch die Zweige der hohen Palmen, den stummen Wächtern über den sechstausend leeren Plätzen im größten Restaurant der Welt. Zehn Meter tiefer sprühte als Markenzeichen des Hauses ein mannshohes Wasserspiel seine Fontänen in die Luft. Es sah aus wie eine flüssige Pusteblume, deren Blütenstand hin und her wogte. Sie warf ihre zarten Wasserfächer in das Becken, das mitten zwischen den Tischen stand. Wo normalerweise Tausende von Gästen Köstlichkeiten aus Indien, China, Saudi-Arabien, dem Iran und anderen Ländern des Orients genossen, verzehrten jetzt gerade einmal dreißig Stammkunden trotzig ihr Essen.
In das friedliche Rauschen der Fontänen drangen hin und wieder die Stimmen der wenigen Angestellten, die im Inneren des Gebäudes noch ihre Arbeit taten. Drinnen warfen edle Lampen ihr warmes Licht auf Wände und Deckengewölbe – vergebliche Romantik, die heute kein Liebespaar bestaunte. In der riesigen Küche schlenderten einig wenige Köche zwischen leeren Backöfen und Herden umher; normalerweise waren hier mehrere Hundert Menschen tätig. Das Klirren eines einsamen Tellers auf dem gefliesten Boden, kurz vor dem Haupteingang der Küche, echote über die zwei Hektar Tische und Stühle und riss zwei männliche Gäste kurz aus ihrem Gespräch.
Farid Assad schaute kurz in Richtung Küche, dann wieder zurück auf den Tisch, während er lächelnd das nächste Stück warmes Fladenbrot in die Schüssel mit frischem Hummus tauchte. Er schob sich das Brot andächtig zwischen die Lippen, den Geschmack genießend, dann zeigte er über die Schulter seines Freundes auf das sechs Meter hohe Schild, das jedem, der es las, verkündete: Das Restaurant „Tor zu Damaskus“ stand im Guinness-Buch der Rekorde.
„Das hier ist einfach unser Stammlokal, aber jedes Mal, wenn wir hier essen, finde ich es neu lustig,