Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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      »Sie halten uns für Relikte aus der Steinzeit. Wir können nichts, was ein Arzt oder ein medizinisches Gerät nicht besser könnten.«

      »Das sehe ich nicht so. Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Situation gerade mit einem medizinischen Gerät hätte meistern sollen.«

      »Jetzt hat es eben gerade mal gepasst. Ihr Vater ist allerdings anders. Ich bin seit drei Jahren in Bergmoosbach, und wir beide haben immer gut zusammengearbeitet. Wenn Ihr Vater etwas über Sabines Zustand gewusst hätte, dann hätte er sich mit mir abgesprochen.«

      »Das hätte ich auch getan.«

      »Ach, wirklich«, entgegnete Anna schnippisch.

      »Sie müssen einiges mitgemacht haben, wenn wir Ärzte so wenig Kredit bei Ihnen haben.«

      »Richtig.«

      »Eine persönliche Verletzung?«

      »Ja, sehr persönlich.« Nachdenklich sah Anna an den Horizont.

      Die Wolken hatten sich verzogen, der Sternenhimmel wölbte sich über dem Tal, und das weiße Mondlicht ließ die Felder und Wiesen noch weiter, noch einsamer erscheinen. Das Dorf lag hinter einer Kuppe versteckt, und es schien, als wären sie ganz allein. Und auf einmal sprach Anna aus, was sie sonst doch immer für sich behielt.

      »Er hieß Sven, war Gynäkologe in derselben Klinik, in der ich auch angestellt war. Ich dachte, wir seien ein Paar, bis ich ihn eines Tages besuchen wollte und mir Tanja, die Tochter des Klinikleiters, leicht bekleidet oder besser, fast gar nicht bekleidet die Tür öffnete. Sie hat mir erklärt, dass die Zukunft allein den Ärzten gehört und dass es Hebammen und ähnliche Medizinhelfer irgendwann nur noch im Museum zu besichtigen gäbe. Zwei Monate später wurde Sven Chefarzt der Klinik, und ich habe gekündigt.«

      »Ich befürchte, Sven ist ein ganz schlechtes Beispiel, um von ihm auf alle Ärzte zu schließen.«

      »Nein, er ist ein typisches Beispiel.«

      »Was kann ich tun, um unseren Ruf zu verbessern?«

      »Sie können gar nichts tun.«

      »Doch, das kann ich. Ich lade Sie zum Essen ein.«

      »Wann?«

      »Jetzt. Sie sagten gerade, Sie haben heute nur gefrühstückt. Ich kann Ihnen einen wirklich köstlichen Auflauf anbieten.«

      »Ich kann doch nicht mitten in der Nacht mit zu Ihnen nach Hause gehen. Was soll denn Ihre Familie davon halten?«

      »Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen. Es ist niemand da, sie wurden von dem Unwetter überrascht und übernachten heute auf dem Kuglerhof.«

      »Ich weiß nicht, ob das besser ist.«

      »Sie denken an Ihren Ruf?«

      »Wir sind nicht in der Stadt, wir sind in Bergmoosbach.«

      »Aber ich spreche von Traudels berühmten Kartoffelauflauf, dem mit Auberginen und Paprika.«

      »Wissen Sie was, ich bin in München aufgewachsen, da tut man solche Dinge schon hin und wieder. Ich komme mit«, erklärte sie lächelnd. Eigentlich ist er doch ganz nett, dachte Anna. Was hätte er denn auch denken sollen, als er bei Sabine eintraf und sie neben ihrem Bett saß. Natürlich ist er davon ausgegangen, dass sie sich auch in den letzten Monaten um sie gekümmert hatte.

      »Heißt das, ich bekomme die Chance, Ihr Vertrauen zu gewinnen?«

      »Wollen Sie denn mit mir zusammenarbeiten?«

      »Unbedingt. Ganz davon abgesehen haben wir seit heute ein gemeinsames Patenkind, da sollten wir uns vertragen.«

      »Stimmt, also dann, Freunde?« Anna blieb stehen, sah ihn an und reichte ihm die Hand.

      »Freunde«, sagte Sebastian und umfasste ihre Hand.

      *

      Anna hatte immer Kleidung zum Wechseln in ihrem Rucksack und zog sich genau wie Sebastian nach ihrer Ankunft im Haus der Seefelds erst einmal um.

      »Nur noch ein paar Minuten«, sagte Sebastian, als sie in die Küche kam und der Auflauf bereits im Ofen stand. »Diese weniger sportliche Kleidung steht Ihnen gut.« Er schaute auf das Sommerkleid mit dem kleinen Blümchenmuster, das sie jetzt trug.

      »Danke.« Verlegen zupfte sie an den kurzen Ärmeln des Kleides, obwohl es da gar nichts zu richten gab. Sebastians Blick hatte sie in eine merkwürdige Unruhe versetzt. »Aber Sie haben nichts gegen sportliche Frauen?«, fragte sie, als sie sich wieder gefangen hatte.

      »Nein, das wäre auch gefährlich für mich.«

      »Wieso das?«

      »Meine Tochter spielt mit Begeisterung Fußball.«

      »Ich habe auch ein paar Jahre Fußball gespielt. Wie kommt Ihre Tochter in Bergmoosbach zurecht? Hat sie schon Freunde gefunden?«

      »Sie ist noch nicht wirklich hier angekommen. Sie vermisst Toronto, und sie vermisst ihre Freunde. Bitte, setzen Sie sich doch. Was möchten Sie trinken?«

      »Wasser, bitte.«

      Sebastian wartete, bis sie sich einen Platz am Küchentisch ausgesucht hatte, bevor er die beiden Gläser mit Sprudelwasser hinstellte und sich auf den Stuhl ihr gegenüber hinsetzte. »Wir haben lange darüber gesprochen, ob es richtig ist, nach Bergmoosbach zurückzukehren, und schließlich waren wir uns einig, diese Veränderung zu wagen. Emilia liebt ihren Großvater und sie hängt auch sehr an Traudel«, erzählte er Anna.

      »Immer wenn Traudel von Emilia erzählt hat, haben ihre Augen geleuchtet. Das Mädchen ist ihr Augenstern.«

      »Ich denke, sie sieht in ihr das Enkelkind, das sie nie hatte.«

      »Irgendwie ist sie doch auch ihre Enkelin, so, wie Sie ihr Kind sind. Ihr Vater hat mir erzählt, wie dankbar er Traudel war, als sie damals sofort bereit war, sich um Sie zu kümmern. Sie waren gerade einmal ein paar Stunden alt, und er war nicht in der Lage, irgendetwas für Sie zu tun.«

      »Der Tod meiner Mutter hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Als ich meine Frau vor einem Jahr verlor, haben Emilia und ich uns gegenseitig Halt gegeben und uns immer wieder daran erinnert, dass unser Leben weitergeht.«

      Er ist noch lange nicht über seinen Verlust hinweg, dachte Anna, als sie die Trauer in seinen Augen sah. Für einen Moment schien dieses wundervolle helle Grau sich zu verdunkeln, so als wollte er jeden Blick von außen in sein Innerste abwehren, während er mit seiner schlanken feingliedrigen Hand sein Glas umfasste und nachdenklich mit den Fingern über die glatte Fläche strich.

      »Ich habe versucht, Emilia Vater und Mutter gleichzeitig zu sein. Aber das hat nicht funktioniert, ich kann ihr die Mutter nicht ersetzen, in diesem Alter ist das ohnehin schwierig.«

      »Sie lieben Ihre Tochter, ich bin sicher, Sie würden alles für Sie tun, aber verlangen Sie nicht von sich, perfekt zu sein, Herr Doktor Seefeld.«

      »Sebastian, wir sind seit einigen Stunden doch ein Paar, wir sollten uns duzen«, sagte er und hielt ihren Blick fest.

      »Wir sind ein Paar?«, fragte sie verblüfft.

      »Richtig, ein Patenpaar, oder gibt es das nicht?«

      »Ich habe zwar noch nie gehört, dass jemand es so ausdrückt, aber Sie, ich meine, du hast recht.«

      »Gut, dann sollten wir auf den kleinen Bastian und auf uns anstoßen.« Sebastian ging zum Kühlschrank und holte die Flasche Prosecco, die Traudel stets dort aufbewahrte und von der sie sich jeden Tag ein Schnapsglas voll gönnte, um den Kreislauf anzuregen, wie sie sagte. Er füllte zwei Champag­nergläser und stellte die Flasche zurück in den Kühlschrank.

      »Auf das Wohl unseres Patenkindes und auf uns«, sagte er, als er Anna eines der beiden Gläser reichte und sich wieder zu ihr an den Tisch setzte.

      »Auf eine glückliche Zukunft für uns alle.«

      »Eine