Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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Senta?«, erkundigte sich Marie überrascht.

      Ben seufzte. »Eine Freundin von mir, von früher. Sie war Krankenschwester und wenn ich mal gehustet hatte, dann stand ich kurz vor der Lungenentzündung und sollte ins Bett, um mich auszukurieren. Sie war ziemlich anstrengend, kann ich dir sagen!«

      Marie hatte gar nicht richtig zugehört. »Senta …«, wiederholte sie langsam. »Du hast nie von ihr erzählt.«

      »Weil es nichts zu erzählen gibt, deshalb! Wir waren mal zusammen, und dann haben wir uns getrennt«, antwortete Ben knapp. Sein Schädel schmerzte zum Zerspringen, und er hatte jetzt keine Lust zum Reden. Schon gar nicht, wenn es um das heikle Thema Ex-Freundinnen ging.

      »Wie lange wart ihr denn zusammen?«, fragte Marie prompt.

      »Fast sechs Jahre«, kam die Antwort.

      »Das ist eine ziemlich lange Zeit für eine anstrengende Freundin!«, bemerkte Marie spitzt.

      »Du meine Güte, sie war ja nicht nur anstrengend!«, rief Ben genervt.

      Marie schaute ihn aus dunklen Augen an. »Und warum habt ihr euch dann getrennt?«

      »Es …, ich …, es war einfach vorbei«, stotterte Ben. Was für eine sinnlose Diskussion! Senta und er waren längst Geschichte, seit über zwei Jahren hatten sie sich weder gesehen noch von einander gehört.

      Maries Hände fühlten sich kalt an, sie konnte es spüren. Dafür tobte in ihrem Herzen eine heiße, unberechtigte Eifersucht, gegen die sie nichts tun konnte. Sie musste einfach weiterfragen. »Hast du die Beziehung beendet oder sie?«

      »Ich.« Ben klang erschöpft.

      »Und warum?« Es ging nicht anders, sie musste es wissen.

      »Ach, zum Kuckuck noch mal, was soll das, Marie!«, explodierte Benjamin. »Es war lange vor unserer Zeit! Wen interessiert das denn noch?«

      »Mich!«, antwortete sie sofort. »Und zwar sehr! Ich finde es wichtig, diese Dinge aus deiner Vergangenheit zu wissen, Ben! Das hat mit Vertrautheit und Vertrauen zu tun! Also, warum hast du die Beziehung beendet?«

      Ben sog scharf die Luft ein. Er konnte sich Maries Reaktion auf seine Antwort gut vorstellen! »Weil es eine andere gab«, sagte er.

      Fassungslos schaute Marie ihn an. Mit allem hatte sie gerechnet – damit nicht. »Du …, du hattest eine andere?«, flüsterte sie heiser.

      Ben wand sich unter dem Blick aus ihren waidwunden Rehaugen. Was für eine irrwitzige Wendung nahm dieses Gespräch? Am liebsten hätte er gelacht, aber das Lachen blieb ihm im Hals stecken. Er packte Marie bei den Schultern und schüttelte sie leicht. »Merkst du eigentlich, was wir hier tun? Wir reden über Dinge aus der Vergangenheit, die überhaupt keine Bedeutung mehr haben!«

      »Keine Bedeutung?«, wiederholte Marie tonlos. »Keine Bedeutung? Du hattest eine andere, das heißt, du …, du hast deine Freundin betrogen!« Hier brach ihre Stimme mit einem herzzerreißenden Schluchzer.

      Ben wäre vor lauter Irritation am liebsten aus der Haut gefahren. »Marie, hörst du mir jetzt bitte einmal zu?«, forderte er. »Ich habe Senta nicht betrogen! Ja, wir waren zusammen, und ja, da gab es dieses andere Mädchen, in das ich mich verliebt hatte. Ich habe nicht mit ihr geschlafen, ich habe sie noch nicht einmal geküsst, ehe ich mich nicht von Senta getrennt hatte! Nennst du das etwa betrügen?

      Und für Senta ist durch unsere Trennung keineswegs eine Welt zusammengebrochen. Auch sie hatte das Gefühl, dass unsere Beziehung keine Zukunft mehr hatte, und wir haben uns in beiderseitigem Einvernehmen getrennt. Es gab kein Drama, es ging einfach auseinander, und wir haben einander auch nicht schmerzlich vermisst.«

      Marie schaute ihn mit einem Blick an, der durch ihn hindurch zu gehen schien. »Wie kalt du darüber sprechen kannst«, flüsterte sie. »Macht es dir denn gar nichts aus?«

      »Ach, zum … Marie!« Benjamin antwortete mit einem kräftigen Fluch. »Es ist doch verrückt, was wir hier tun! Du machst mir Vorwürfe, weil und wie ich mich von einer früheren Freundin getrennt habe? Das hat doch überhaupt nichts mit uns zu tun!«

      »Hat es sehr wohl!«, widersprach Marie heftig. »Es zeigt mir eine Seite an dir, die ich vorher nicht gesehen, vielleicht aber erahnt habe. Und wenn es nun – auch mit uns auseinander geht? Kann man sich wirklich auf dich verlassen, Benjamin Lauterbach?«

      »Das schon wieder!«, rief Ben erbittert aus. »Wie oft sollen wir das denn noch diskutieren? Du wirst immer einen Grund finden, mir zu misstrauen! Mir und wahrscheinlich jedem anderen Mann auf diesem Planeten auch.«

      »Wundert dich das etwa?«, antwortete Marie aufgebracht. »Ich spreche nun mal aus bitterer Erfahrung! Und nicht ich allein, auch andere Frauen sind belogen und betrogen worden, da wird man halt vorsichtig. Auch wenn du es nicht verstehen kannst, andere können es; die Lisa, zum Beispiel.«

      »Die muss es ja wissen!«, warf Benjamin spöttisch ein.

      »Wenn du wüsstest, was sie mir heute anvertraut hat, würdest du nicht so reden!«, antwortete Marie gekränkt.

      Müde schüttelte Ben den Kopf. »Ich weiß nicht, welchen Floh Lisa dir ins Ohr gesetzt hat, im Augenblick ist es mir auch ziemlich egal. Ich höre nur immer wieder, dass du unserer Lie…«, er unterbrach sich und fuhr nach einer kleinen, spannungsgeladenen Pause fort, »unserer Beziehung nicht wirklich trauen kannst. Ehrlich gesagt, ich habe davon jetzt genug. Ich will mich nicht zwischen deinen Zweifeln zerreiben lassen!

      Lass uns auf Abstand gehen. Vielleicht bist du bald mit dir im Reinen, und vielleicht bin ich dann noch da.«

      Langsam stand er auf und ging schwerfällig zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und schaute mit einem Ausdruck tiefer Trauer zu der jungen Frau zurück. »Natürlich gilt das Abstand nehmen nicht für mich als dein Zimmermann. Ich bin morgen früh wie besprochen hier und arbeite weiter. Gute Nacht, Marie.«

      Unfähig, sich zu rühren, unfähig, ein Wort zu sagen, saß die junge Frau am Tisch und starrte auf die geschlossene Tür. Benjamin war fort. Das, wovor sie am meisten Angst gehabt hatte, war nun eingetreten. Ein Band aus Stahl schien sich um ihren Hals zu legen und immer weiter zuzuziehen, sodass sie nicht mehr atmen konnte. Ihr Herz, das bei Bens Worten noch wie wild gepocht hatte, erstarrte zu einem Klumpen Blei und lag untragbar schwer in ihrer Brust.

      Mühsam stand sie vom Tisch auf und schleppte sich nach oben in ihr Zimmer. Wie fremd es ihr auf einmal erschien, kalt und leblos. Sie spürte Bens Abwesenheit in jeder einzelnen Zelle ihres Körpers und an jeder Stelle ihres Hauses, das nun kein Zuhause mehr für sie war.

      Wie erstarrt lag sie auf ihrem Bett und starrte blicklos in die aufziehende Dunkelheit. Den Stein, ihren Stein hielt sie fest umklammert in der Hand. Er war das Symbol für eine glückliche Zukunft gewesen, und sie hatte es geliebt, ihn in die Hand zu nehmen und zu spüren, wie sich ihre Körperwärme auf den Stein übertrug und ihn erwärmte, ihn wie lebendig erscheinen ließ.

      Heute blieb er kalt und leblos, einfach nur ein bizarr geformter Stein ohne besondere Bedeutung. Wie hatte sie nur jemals ein Haus in ihm erkennen können?

      Stunde um Stunde lag Marie schlaflos, reglos im Bett und versuchte, ihren Verlust und ihre Einsamkeit auszuhalten. Erst als sich die Morgenröte am Himmel abzeichnete, fiel sie in einen abgrundtiefen Schlaf der Erschöpfung.

      *

      Auch Ben erlebte keine gute Nacht.

      Langsam war er nach Bergmoosbach gefahren, wie betäubt von seinen eigenen Worten. Hatte er das eben wirklich gesagt? Hatte er sich tatsächlich von Marie getrennt?

      Von der Frau, die er von ganzem Herzen liebte?

      Das Gespräch auf dem Ebereschenhof verlor sich im Nebel seiner körperlichen Schmerzen. Ihm war unsagbar heiß, und seine Haut fühlte sich an, als sei sie zu klein geworden für den Körper, der darunter steckte. Es war höchste Zeit für eine kalte Dusche und frische, leichte Kleidung und vielleicht auch für die eine oder andere Schmerztablette. Ben gehörte zu den Menschen, die Medikamente nur sehr selten und dann