»Das ist Eleonore«, flüsterte Elvira verblüfft, als sie genauer hinschaute.
»Das hässliche Entlein?«, hakte Therese überrascht nach. »Komm, das müssen wir uns aus der Nähe anschauen«, sagte sie.
»Sie haben also dieses Teufelszeug unter die Kräuter gemischt, Frau Kastner?«, fragte Tobias, ein blonder sportlicher junger Mann.
»Ja, das habe ich getan, und es tut mir entsetzlich leid.«
»Eleonore? Ich glaube es nicht«, flüsterte Therese und starrte die hübsche junge Frau an, die offensichtlich auch keine Brille mehr brauchte.
»Glaube es nur. Das habe ich Mona zu verdanken«, sagte Eleonore.
»Doch eine Wundermaske.« Elvira betastete ihr Gesicht, das genau wie bei allen anderen nur noch leicht gerötet war, was aber durch das Make-up und das Puder, das alle aufgetragen hatten, nicht mehr auffiel.
»Ja, es ist ein Wunder, aber ich habe es mir teuer erkauft, indem ich euch alle in Gefahr gebracht habe«, sagte Eleonore, und dann gestand sie, umringt von den Landfrauen und all den anderen Bergmoosbachern und ihren Gästen, die auf dem Marktplatz versammelt waren, ihre Tat.
»Eleonore, ich bin entsetzt«, sagte Therese.
»Was ist denn nun los?«, fragte Mona, als es plötzlich ganz still auf dem Marktplatz wurde. Sie und Jonas standen ein wenig abseits des Brunnens und schauten zu, was dort vor sich ging.
»Alle warten darauf, wie Therese auf dieses Geständnis reagiert, und die meisten werden sich ihrem Urteil anschließen.«
»Sie hat wohl ziemlich viel Einfluss in Bergmoosbach.«
»Deshalb ist sie die Vorsitzende des Landfrauenvereins.«
»In Anbetracht der Tatsache, dass wir alle wieder auf dem Weg der Besserung sind, du deine Tat bereust und neben allen Widrigkeiten aus einem hässlichen Entlein ein hübsches Madl wurde, das sich hoffentlich nicht mehr auf solche Gemeinheiten einlassen wird, verzeihe ich dir«, erklärte Therese und reichte Eleonore die Hand.
»Danke«, antwortete Eleonore unter Tränen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste sie, wie es sich anfühlte, hübsch zu sein und mit bewundernden Blicken betrachtet zu werden.
»Ehrlich gesagt, ich bin froh, dass es so ausgegangen ist«, sagte Anna, die sich durch die Menge gekämpft hatte, um zu Mona und Jonas zu gelangen. »Und was Eleonore betrifft, da hast du ein wirkliches Wunder vollbracht, Mona.«
»Sie war eine traurige verbitterte Seele.«
»Aber das ist nun vorbei. Du bist nicht nur mein Glück, du hast auch Elo das Glück gebracht«, sagte Jonas und nahm Mona in seine Arme.
Wenig später hielt der mit roten Rosen geschmückte Wagen mit Miriam Holzer, der amtierenden Dirndlkönigin, vor dem Rathaus. Mit ihr auf dem Wagen fuhren alle ehemaligen Gewinnerinnen dieses Titels, zu denen auch Traudel gehörte, und genau wie Miriam trugen sie prächtige goldfarbene Dirndl. Die Frauen, die Miriams Nachfolge antreten wollten, stellten sich hinter dem Wagen auf und wurden auch gleich von ihr und ihren Mitstreiterinnen begutachtet. Auch Anna, die sich dieser Tradition als Hebamme im Dorf nicht entziehen wollte, trug ein Dirndl, rosafarben mit weißem Schürzchen, und schloss sich zusammen mit Mona den Thronanwärterinnen an. Nach den Dirndlprinzessinnen, wie sie genannt wurden, marschierten die einzelnen Trachtenvereine aus Bergmoosbach und Umgebung im Takt der Blaskappelle, die das Schlusslicht des Umzuges bildete, durch die Straßen.
Als Jonas Sebastian entdeckte, der zusammen mit Emilia am Straßenrand in der Nähe des Rathauses stand und genau wie er einen hellen Trachtenanzug trug, ging er zu ihm.
»Hast du gesehen, was mit Elo passiert ist?«, fragte er ihn.
»Allerdings, und ich bin in diesem Fall geneigt, an ein Wunder zu glauben«, antwortete Sebastian lächelnd und schaute der jungen Frau in dem aprikosenfarbenen Dirndl nach, die sich dem Trachtenumzug angeschlossen hatte.
»Das Wunder heißt aber nicht Eleonore, sondern Mona«, sagte Jonas und richtete seinen Blick auf die Frau, die er liebte und die ein olivfarbenes Dirndl mit zartem Blütenmuster trug.
»Ich gratuliere dir zu diesem Wunder«, sagte Sebastian und klopfte Jonas anerkennend auf die Schulter.
»Anna sieht auch wunderschön aus, nicht wahr, Papa?« Emilia, die sich noch nicht dazu hatte entschließen können, ein Dirndl anzuziehen, trug ein gelbes Sommerkleid und weiße Turnschuhe.
»Ja, Spatz, sie sieht wunderschön aus«, stimmte Sebastian seiner Tochter zu.
»Hallo, Traudel!«, rief Emilia, als Traudel ihnen vom Wagen der Dirndlkönigin aus zuwinkte. »Und sie ist die Königin in unserem Haus«, erklärte das Mädchen lächelnd.
»Ja, das ist sie«, schloss sich Sebastian erneut seiner Tochter an.
Es dauerte eine Weile, bis der Umzug durch die von Menschen gesäumten Straßen den Festplatz erreichte. Der Wagen mit der Dirndlkönigin hielt dann und wann an, und Miriam und ihre Begleiterinnen warfen Parfum- und Kosmetikproben für die Damen und Süßigkeiten für die Kinder in die Menge. Bei dem letzten Halt des Wagens vor dem Festplatz bat Therese Miriam, zusteigen zu dürfen, weil sie ihr und ihren Begleiterinnen etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.
»Wenn es so wichtig ist, dann komm«, zeigte sich Miriam gnädig und ließ sie einsteigen.
Auf dem Festplatz fand dann schließlich das alljährliche Ritual statt. Nachdem alle Teilnehmer und Gäste in dem großen Zelt, dessen Seitenwände wegen des schönen Wetters offenstanden, Platz genommen hatten, stellte sich die Blaskappelle neben der Bühne auf und blies einen Tusch, danach kam Miriam auf die Bühne, um den Namen ihrer Nachfolgerin zu verkünden. Nach einer herzlichen Begrüßung der Einheimischen und ihrer Gäste legte sie eine kurze Pause ein und schaute sich im Zelt um, so als würde sie erst jetzt darüber nachdenken, wer ihren Titel erben sollte.
»Sie macht es ganz schön spannend«, flüsterte Emilia, die mit ihrem Vater, Anna und Traudel an einem Tisch mit Mona, Jonas und Eleonore saß.
»Aber das Ergebnis wird euch gefallen«, erklärte Traudel lächelnd.
»Ich darf nun den Namen der diesjährigen Dirndlkönigin verkünden«, sagte Miriam, nachdem sie sich kurz geräuspert hatte. »Ich bitte Mona Wagner auf die Bühne.«
»Ich?« Mona sah Traudel ungläubig an.
»Du hast dir diesen Titel redlich verdient, das meinte auch Therese, und nun geh und nimm ihn entgegen«, forderte Traudel sie auf.
»Ab mit dir auf die Bühne«, sagte Jonas und küsste sie zärtlich auf die Wange, während der Applaus für sie im Zelt einsetzte.
»Nimmst du die Wahl an?«, fragte Miriam, als Mona gleich darauf vor ihr stand.
»Ja, ich nehme sie gern an«, sagte Mona und ließ sich von Miriam die kleine goldene Krone aufsetzen.
»Mona trägt nicht nur ein wunderschönes Dirndl, das diese Auszeichnung rechtfertigt, sie ist auch eine große Bereicherung für unser Dorf, und das wollen wir ihr damit zeigen.«
Alle im Zelt kannten inzwischen die Geschichte von der verunglückten Schönheitsparty und wussten, dass die Bergmoosbacherinnen Mona auf diese Weise um Verzeihung baten.
»Ich werde wohl noch einiges dafür tun müssen, bis die Leute mir im Dorf wieder vertrauen«, sagte Eleonore und schaute schuldbewusst zu Boden.
»Je früher du damit anfängst, umso schneller wirst du dieses Ziel erreichen«, versicherte ihr Jonas.
»Willkommen an unserem Tisch, Hoheit«, sagte Emilia, als Mona mit dem Krönchen auf ihrem