»Das hab ich nicht gesagt, aber vielleicht …«
»Vielleicht was?«, hakte Mona sofort nach, als Eleonore innehielt.
»Nun, es wäre möglich, dass Jonas doch etwas Unüberlegtes getan hat.«
»Du meinst mit Absicht?«, fragte Mona verblüfft.
»Er kennt sich mit den Kräutern ebenso gut aus wie ich. Einen Riesenbärenklau erkennt er sofort.«
»Was genau willst du mir sagen?« Mona spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
»Ich denke, dass Jonas das mit dir zu eng geworden ist, dass er dir mit dieser Sache eben doch schaden wollte, damit du Bergmoosbach verlässt.«
»Warum sollte er so etwas tun? Wenn er mich loswerden will, dann kann er mir das einfach sagen.«
»Mei, mit dem Reden, das ist so eine Sache, die Madl wollen es einfach nicht wahrhaben, wenn er ihnen den Laufpass gibt.«
»Du willst mir einreden, dass er das getan hat, um mir zu schaden, und dabei in Kauf nimmt, dass du und die anderen möglicherweise für immer durch diese Verbrennungen entstellt sind?«
»Erstens war offensichtlich nur ganz wenig von dem Zeug in den Kräutern und ernsthafte Schäden sind nicht zu erwarten. Dass ich dabei sein werde, dass wusste er nicht. Ich habe es ihm nicht gesagt, weil ich ihn damit überraschen wollte, dass ich mich dir anvertraue. Ich weiß, dass er mit dieser Sache weit über das Ziel hinausgeschossen ist. Es wird ihm sicher schon leid tun. Aber seine Angst vor einer engen Bindung ist offensichtlich so groß, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wusste.«
»Wirst du das auch den anderen sagen?«
»Damit sie dann ihn verklagen und unser Hof in Verruf gerät?«
»So gerate ich in Verruf.«
»Aber du kannst von hier fortgehen, wir nicht.«
»Die anderen werden mich trotzdem verklagen.«
»Ich will versuchen, es ihnen auszureden, vorausgesetzt, du verschwindest von hier. Geh nach München oder in eine andere Großstadt, da kannst du ganz von vorn anfangen. Hier hast du ohnehin keine Chance mehr. Oder was meinst du, was würden die Leute sagen, wenn du Jonas beschuldigst? Denkst du, sie würden dir glauben? Einem Madl, das gerade mal ein paar Wochen im Dorf lebt?«
»Danke für die Belehrung, ich habe es verstanden.« Mona machte auf dem Absatz kehrt und stieg auf ihr Fahrrad.
Eleonore hatte recht, niemand würde ihr glauben. Sie war eine Fremde in Bergmoosbach, und Jonas, zu dem sie sich so sehr hingezogen fühlte, war ihr auf einmal auch fremd. Alles, was Eleonore über Jonas gesagt hatte, klang überzeugend. Es passte zu dem, was sie in Simones Salon über ihn gehört hatte, dass er es nie lange mit derselben Frau aushielt. Wieder in ihrem Appartement angekommen, schloss sie die Vorhänge, machte ihr Bett und verkroch sich unter der Decke. Sie wollte die Welt aussperren, nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nur noch weinen.
*
Jonas war wütend auf sich selbst, als er von der Weide zurückkam. Er machte sich die größten Vorwürfe, weil er Mona einfach so hatte stehen lassen. Was auch immer passiert war, sie hatte es nicht absichtlich getan, und er hätte ihr helfen müssen, die Sache aufzuklären. Aber ihre feste Überzeugung, dass er dieses Kraut untergemischt hatte, hatte ihn verärgert. Er überlegte, ob er sie anrufen oder am besten gleich zu ihr fahren sollte, aber noch war sein Ärger nicht ganz verflogen, und er fürchtete, dass ein falsches Wort alles noch schlimmer machen würde. Er beschloss, zum Tennisplatz zu fahren, um sich ein bisschen auszutoben, und wollte dann erst einmal eine Nacht über alles schlafen. Am nächsten Morgen würde er sich bestimmt so weit beruhigt haben, dass er mit Mona ohne Argwohn reden konnte.
»Grüß Gott, Eleonore Kastner, spreche ich mit dem Salon Weiß?«, fragte Eleonore, die sich kaum, dass Jonas gegangen war, mit dem Telefon an den Küchentisch gesetzt hatte und auf die Liste mit den Telefonnummern aller Kosmetiksalons im Umkreis von 50 km starrte. »Hören Sie, ich muss Sie warnen, sollte sich eine Mona Wagner bei Ihnen um eine Stelle bewerben …«
Der Tennisplatz lag von einem efeubewachsenen hohen Zaun umgeben am Waldrand hinter dem Fußballplatz. Es gab dort vier Plätze, ein kleines Vereinshaus mit Garderoben und Duschen und ein Café, das in einem verglasten runden Pavillon mit vorgebauter Terrasse untergebracht war und im Sommer bis zehn Uhr abends geöffnet hatte. Jonas hoffte, dass er dort jemand finden würde, der genau wie er nach einem Mitspieler Ausschau hielt.
»Hallo, Sebastian«, begrüßte er den jungen Arzt, der in weißer Hose und weißem Poloshirt allein an einem Tisch auf der Terrasse des Cafés saß.
»Hallo, Jonas, bist du verabredet?«, fragte Sebastian.
»Nein, ich bin auf der Suche nach einem Partner.«
»Du hast einen gefunden. Ich war mit Anna verabredet, sie hat vor ein paar Minuten abgesagt. Sie muss zu einer Geburt.«
»Lust auf ein Doppel?«, fragte die gutaussehende Blondine, die in einem kurzen weißen Kleidchen aus dem Café kam und geradewegs auf Sebastian zusteuerte.
»Danke, Miriam, aber wir bleiben heute unter uns«, antwortete Sebastian, nachdem er Jonas angesehen hatte und er ein Kopfschütteln andeutete.
»Das ist aber schade, Matilda hat sich schon auf ein gemischtes Doppel gefreut.«
»Grüezi miteinand«, flötete die dunkelhaarige Schönheit, die ihr folgte und ein ebenso kurzes weißes Kleid trug.
»Darf ich vorstellen, meine Freundin Matilda aus der Schweiz. Wir haben uns vor zwei Jahren in St. Moritz getroffen.«
»Wir sind auf einer Abfahrt ineinander gefahren, das war zuerst gar nicht lustig, aber da uns nichts geschehen war, konnten wir dann doch darüber lachen«, erzählte Matilda.
»Apropos Unfall, was sich diese Mona heute geleistet hat, das ist einfach grauenvoll. Meine bedauernswerte Mutter liegt seit dem Nachmittag im Bett und traut sich nicht mehr auf die Straße. Wie geht es denn deiner armen Schwester?«, erkundigte sich Miriam und sah Jonas mit ihren großen blauen Augen mitfühlend an.
»Es wird schon wieder werden, und inwieweit Mona dafür verantwortlich ist, das muss sich noch herausstellen. Und nun entschuldigt uns«, sagte Jonas.
»Schönen Abend noch«, verabschiedete sich auch Sebastian von den beiden.
»Jetzt stehen wir blöd da. Deine Annahme, er sucht nach einer, die ihn über diese Mona hinwegtröstet, war wohl falsch«, sagte Matilda.
»Einen Versuch war es wert.«
»Ja, gut, das schon«, stimmte Matilda ihr zu und schaute Jonas mit einem anerkennenden Blick nach. »Vielleicht sollte ich es stattdessen einmal bei dem Herrn Doktor versuchen.«
»Untersteh dich«, fauchte Miriam.
»Schon gut, war nur Spaß«, antwortete Matilda lachend.
»Hast du heute schon mit Mona gesprochen?«, fragte Sebastian, der schon auf den Platz gegangen war, während Jonas sich in der Garderobe umzog und nun in weißen Shorts und weißem Poloshirt zurückkam.
»Sie war vorhin bei uns auf dem Hof, aber lass uns später darüber reden«, bat Jonas.
»Alles klar«, sagte Sebastian und klopfte dem Freund auf die Schulter. Schon nach einer Stunde hatte er die Partie für sich entschieden, was ungewöhnlich war, da Jonas sich sonst nicht so schnell schlagen ließ und ihre Duelle meistens sogar gewann. Aber an diesem Abend war er ganz offensichtlich nicht wirklich bei der Sache.
»Setzen wir uns noch ins Café?«, fragte Jonas, nachdem sie sich in der Garderobe ein bisschen frisch gemacht hatten und er seine Shorts wieder gegen eine Jeans getauscht hatte.
»Sonst bevorzugst du doch nach einem Match den Biergarten.«
»Heute nicht, ich habe keine Lust auf weitere