»Entschuldige, aber das war nicht wirklich meine Schuld. Ich habe ein übliches Präparat angewandt. Woher hätte ich wissen sollen, dass Frau Winter darauf allergisch reagiert.«
»Schon gut, Simone, ich habe es verstanden.« Jedes weitere Wort war überflüssig. Sie war ihre Stelle los, daran ließ sich offenbar nichts mehr ändern. Alle schienen davon auszugehen, dass sie einen groben Fehler begangen hatte, aber so war es nicht. Der Riesenbärenklau musste auf dem Kastnerhof in die Kräuter geraten sein. Sobald sie sich ein bisschen beruhigt hatte, würde sie dort hinfahren und Jonas bitten, die Sache aufzuklären.
»Grüß Gott, Frau Talhuber«, wandte sich Simone der Frau in dem hellen Trachtenrock und der eleganten Spitzenbluse zu, die gefolgt von den Lohmeier-Zwillingen Hedwig und Heidi, beide in hellgrünen Dirndl und grauen Lodenhütchen auf den kurzen dunkelblonden Haaren, zur Tür hereinkam.
»Ich glaub, wir gehn wieder, diejenige, die unsere gute Therese und die anderen Madl verunstaltet hat, ist immer noch hier«, stellte Helga Talhuber, die Frau des Bürgermeisters fest.
»Sie arbeitet nicht mehr für mich, sie packt nur noch ihre Sachen«, beruhigte Simone die drei Damen, die Mona mit einem abfälligen Blick streiften, aber sie nicht direkt ansprachen.
»Das heißt, die Sache mit diesem Naturzeug hat sich erledigt?«, hakte Helga Talhuber nach.
»Darauf können Sie sich verlassen«, versicherte ihr Simone.
Mona fühlte sich gedemütigt und kämpfte gegen ihre Tränen. Die drei taten, als sei sie gar nicht mehr da. Es war Zeit für sie zu gehen. Sie eilte in die Küche, um ihre Kräuter, ihre Cremes und ihre persönlichen Dinge einzupacken.
»War sie nicht mit dem Jonas vom Kastnerhof zusammen?«, hörte sie Helga Talhuber fragen. Sie und die Lohmeier-Zwillinge hatten sich inzwischen auf drei nebeneinander stehenden Liegen eingerichtet, und Simone legte ihnen nacheinander eine Reinigungsmaske auf.
»Sie ist noch mit ihm zusammen«, antwortete Simone.
»Aber sicher nicht mehr lange, er war doch noch nie länger als ein paar Wochen mit einer zusammen. Er ist noch nicht bereit für was Festes, er probiert sich noch aus, heißt es«, erzählte Helga.
»Erst neulich in der Drogerie hab ich gehört, wie sich einige junge Madl über ihn unterhalten haben, dass ihm wohl keine wirklich recht ist. Er hält nach eine Prinzessin Ausschau, die es gar nicht gibt, haben sie gesagt«, erzählte Hedwig Lohmeier, die drei Minuten älter als ihre Schwester war.
»Er ist halt ein fescher Bursche, er hat die Wahl, das nutzt er aus«, beteiligte sich auch Heidi Lohmeier an der Unterhaltung.
»Ich bin auch sicher, dass Jonas keine ernsten Absichten hat«, sagte Simone.
»Warum hast du sie dann nicht gewarnt?«, wollte Helga wissen.
»Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen, außerdem hätte sie mir bestimmt nicht geglaubt.«
»Dann hätte das hässliche Entlein ihr etwas sagen sollen.«
»Mei, die Eleonore, das arme Ding, auf die hört doch niemand.«
»Und einen Bräutigam findet sie sicher auch nie, dazu ist sie einfach zu fad«, entgegnete Helga.
»Im Gegensatz zu ihrem Bruder. Ich kann mich noch an die kleine Brünette erinnern, die drei Wochen lang Jonas‘ Favoritin war. Sie hat sich schon als die zukünftige Bäuerin auf dem Hof gesehen«, sagte Hedwig.
»Bis die zierliche Blonde aus der Nachbargemeinde kam und er die andere abserviert hat«, erinnerte Heidi die beiden an die Nachfolgerin der kleinen Brünetten.
»Wenn er eine nimmt, dann muss sie schon was mitbringen, einen zweiten Hof und ein ordentliches Geld. Und diese Mona besitzt außer einem hübschen Gesicht nicht sehr viel«, erklärte Helga.
»Genauso ist es«, stimmte Simone ihr zu.
Falsche Schlange, dachte Mona, als sie ihre ehemalige Chefin so reden hörte. Auf Simones Hilfe bei der Aufklärung dieser üblen Angelegenheit konnte sie nicht hoffen. Als sie kurz darauf aus der Küche kam, wurde sie von niemanden beachtet, und so ging sie grußlos davon. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, was die drei gerade über Jonas erzählt hatten, sie würde jetzt ihre Sachen in ihr Appartement bringen und dann zum Kastnerhof fahren. Jonas würde sicher bald von seiner Tour zurückkommen, und vielleicht hatte ja inzwischen Eleonore eine Erklärung dafür gefunden, wie diese gefährliche Pflanze in die Kräuter geraten konnte.
*
Die Abendsonne tauchte den Kastnerhof in ein goldfarbenes Licht, als Mona dort eintraf. Die Äste der beiden Eichen, die im Hof standen, bewegten sich im Wind und warfen lange Schatten auf das graue Pflaster. Mona stellte ihr Fahrrad ab und ging auf Eleonore zu, die mit einem Korb voller Kräuter aus dem Garten kam.
»Wie geht es dir?«, erkundigte sie sich mitfühlend und schaute auf ihr Gesicht, das sie mit der Salbe, die Sebastian Seefeld ihr verschrieben hatte, dick eingecremt hatte.
»Wie schon? Ich habe Schmerzen, genau wie anderen«, antwortete Eleonore und sah Mona mit blitzenden Augen an.
»Das tut mir ehrlich leid, aber wie konnte dieses Zeug in die Kräuter geraten, die ihr mir geliefert habt?«
»Auf unserem Hof gibt es keinen Riesenbärenklau«, entgegnete Eleonore entrüstet.
»Womit sie recht hat«, sagte Jonas, der in dunkler Hose und weißem Hemd aus dem Haus kam.
»Hallo, Jonas, ich wusste nicht, dass du schon zurück bist.«
»Ich bin auch erst vor ein paar Minuten angekommen. Elo hat mich angerufen und mir erzählt, was passiert ist. Wie konnte dir dieser Fehler unterlaufen?«, fragte er und streifte Eleonore mit einem mitleidigen Blick.
»Wieso mir? Du hast mir doch die Kräuter gebracht.«
»Wie Elo gerade sagte, auf unserem Hof wächst kein Riesenbärenklau. Außerdem hätte ich das Zeug bemerkt und es vor dem Zerkleinern der Kräuter aussortiert.«
»Tatsache ist, dass es in der Mischung war. Ich dachte, ich könnte mich darauf verlassen, dass die Kräuter in Ordnung sind.« Mona rang um Fassung, sie war fest davon ausgegangen, dass Jonas zugeben würde, dass ihnen möglicherweise ein Fehler unterlaufen war. Stattdessen schien er, genau wie alle anderen, keinen Zweifel daran zu hegen, dass der Fehler nur bei ihr liegen konnte.
»Du fügst noch deine eigenen Kräuter hinzu.«
»Ich verwechsele Baldrian nicht mit dem Riesenbärenklau.«
»Es sind beides Doldenpflanzen, wer weiß«, sagte Eleonore und zuckte die Achseln.
»Nein, ich habe die Pflanzen nicht verwechselt«, erklärte Mona und sah Jonas direkt an.
»Ich auch nicht. Oder denkst du, ich wollte dir schaden?«
»Das habe ich doch nicht behauptet. Ich spreche von einer Verwechslung.«
»Nein, Mona, das ist ausgeschlossen. Wenn du einen Schuldigen suchen willst, dann wirst du ihn bei uns nicht finden.« Jonas schüttelte den Kopf, und als er Mona anschaute, wusste sie, dass er fest davon ausging, dass sie für diese Sache verantwortlich war.
»Hast du etwas damit zu tun, Eleonore?«, wandte sich Mona in ihrer Verzweiflung an seine Schwester.
»Mona, bitte, lass es gut sein. Glaubst du wirklich, dass Eleonore sich wissentlich derart verletzen würde?«
Das kommt darauf an, was sie damit erreichen will, dachte Mona, aber das sprach sie nicht aus. »Dann wird sich die Sache wohl nicht klären lassen«, sagte sie stattdessen.
»So jedenfalls nicht. Ich muss mich umziehen, ich muss auf die Weide«, entgegnete Jonas und ging ins Haus.
Das war es also, er unterstellt mir, ich wäre zu feige, einen Fehler einzugestehen, und lässt mich stehen, dachte Mona, und das tat furchtbar weh.
»Ich bereue,