Das weiße seidige Oberteil war mit einer olivfarbenen Bordüre gekettelt, hatte ein zart oranges Blütenmuster und eine Schnürung aus einem rot-olivfarbenen Seidenband, das rechts und links durch jeweils vier silberfarbene Knöpfe gezogen wurde. Die rote Seidenschürze mit den zarten orangen und olivfarbenen Streifen wurde mit breiten goldfarbenen Bändern gebunden und reichte Mona genau wie der dunkelbraune Rock bis zu den Knöcheln.
»Es hat meiner Mutter gehört, sie hat es nur einmal getragen, zu ihrer Verlobung, hat meine Großmutter mir erzählt, als sie es vom Dachboden holte. Sie hatte es in einer schönen Kiste eingepackt in Seidenpapier aufgehoben und wollte es mir eigentlich erst geben, wenn ich mich einmal verlobe. Als ich aber von dem Trachtenumzug erzählte, dass alle Damen in Bergmoosbach in ihren schönsten Dirndln daran teilnehmen werden, fand sie, dass das auch ein guter Grund sei, das Dirndl aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.
»Das war eine gute Entscheidung«, sagte Jonas, der seinen Blick nicht von Mona abwenden konnte.
»Bleibst du zum Abendessen?«, fragte sie ihn, als sich ihre Blicke trafen.
»Ja, ich bleibe«, antwortete er, und dann nahm er sie in seine Arme, weil er sich so sehr nach ihrer Nähe sehnte.
Als sie sich in dieser Nacht trennten, war Mona sicher, dass sie und Jonas füreinander bestimmt waren. Auch wenn sie sich erst seit Kurzem kannten, zweifelte sie nicht daran, dass sie zusammengehörten. Sie hatten ausgemacht, dass sie sich erst am Abend nach der Schönheitsparty wieder sehen würden, da Mona am nächsten Tag ihre berühmte Schönheitsmaske für die Teilnehmerinnen der Party vorbereiten musste und Jonas einige Kunden in der Gegend besuchen wollte und erst am Abend zurück sein würde.
*
Am Tag der Party stellte Simone Mona wieder ihr Auto zur Verfügung und gab ihr den Vormittag frei, damit sie sich in Ruhe vorbereiten konnte. Sie zog sich in die Küche zurück, die zu Simones Salon gehörte und in der sie ihre Naturkosmetik herstellte. Sie legte einen Mundschutz an, nahm ein Paar Handschuhe aus der Box mit den Einmalhandschuhen, die auf dem Regal über der Arbeitsplatte stand, und streifte sie über. Danach füllte sie die Creme, die sie am Tag zuvor aus den vorgeschnittenen Kräutern, die Jonas ihr gebracht hatte, angerührt hatte, in kleine Gläser, damit jede Teilnehmerin sich ihre Maske selbst oder mit Hilfe einer Freundin auftragen konnte.
Das Dorfgemeindehaus, ein renoviertes Fachwerkhaus, lag gleich hinter dem Rathaus. Als Mona am Nachmittag dort eintraf, wartete Therese Kornhuber, die Vorsitzende des Landfrauenvereins, bereits auf sie. Die staatliche Frau, die ihr graues Haar zu einem Knoten gebunden hatte, trug ein hellblaues Dirndl und war bester Laune. Sie führte Mona gleich auf die Wiese hinter dem Haus. Sie war von einer dichtgewachsenen Haselnusshecke umgeben, die nur zum Wald hin einige Lücken aufwies, sonst aber vor neugierigen Blicken schützte. Auf der Wiese standen die Liegestühle, die die Partyteilnehmerinnen schon am Morgen aufgestellt hatten, und in denen sie es sich später gemütlich machen wollten. Auf dem Tisch unter der alten Linde stand die Pfirsichbowle, die Therese traditionell für diesen Tag zubereitete, und die beiden Marmorkuchen, die Elvira gebacken hatte. In der Mitte der Wiese war ein mit einer weißen Decke geschmückter Tapeziertisch aufgestellt, auf dem Mona die Gläschen und Fläschchen aufbauen konnte, die sie in einer mit Seidenpapier ausgeschlagenen Kiste mitgebracht hatte. Bisher zählte Mona zwanzig Liegestühle.
»Sie werden doch mit dem Ansturm fertigwerden, Kindchen?«, erkundigte sich Therese besorgt.
»Ich bin darauf vorbereitet«, versicherte ihr Mona, die an diesem Tag das brombeerfarbene Leinenkleid mit den kurzen Ärmeln und den tiefen Taschen trug, in denen sie Tücher und andere Kleinigkeiten verstauen konnte, wenn sie später von Liegestuhl zu Liegestuhl ging, um die Damen in Schönheitsfragen zu beraten.
Mit dem Ansturm ging es dann auch gleich los. Eine Stunde früher als geplant, trafen die Bergmoosbacherinnen ein, die sich unter Monas Anleitung etwas Gutes tun wollten. Auch Elvira Draxler, die zweite Vorsitzende des Landfrauenvereins, war dabei, Irmi, die Kellnerin aus dem Biergarten, und Carola Holzer, die Frau des Sägewerkbesitzers.
»Meine Damen, lasst uns auf einen fröhlichen Nachmittag anstoßen!«, rief Therese, die die ersten Gläser mit der Pfirsichbowle verteilte.
Während alle um den Tisch herumstanden, ihre Bowle tranken und von dem Marmorkuchen aßen, ließen sie sich von Mona in Kosmetikfragen beraten, und alle versicherten ihr, dass sie demnächst in Simones Salon kommen wollten, um sich einmal mit einer Gesichts- und Handmassage verwöhnen zu lassen, die dort angeboten wurde. Nach einer Weile schlug Mona vor, mit ihrem Programm zu beginnen, das sie für den Nachmittag geplant hatte. Sie bat die Damen, sich in ihre Liegestühle zu legen, damit sie ihre Gesichter mit einer reinigenden Lotion für die Maske vorbereiten konnte. Nach einer Dreiviertelstunde hatte Mona ihre Runde geschafft und verteilte die Gläschen mit der Maske und Einweghandschuhe, damit sich niemand nach dem Auftragen gleich die Hände waschen musste und sich alle entspannt zurücklehnen konnten. Die Damen hatten gerade damit begonnen, ihre Masken aufzutragen, als zu Monas Überraschung Eleonore in ihrem groß geblümten Ausgehkleid mit einem Liegestuhl unter dem Arm den Garten des Dorfgemeindehauses betrat.
»Hallo, Eleonore, ich freue mich, dass du hier bist.« Mona konnte es kaum glauben, dass sie sich dazu durchgerungen hatte, an dieser Party teilzunehmen.
»Aber ich bin zu spät«, stellte Eleonore fest. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sah, dass bereits alle die Maske aufgetragen hatten, die sie mit dem Riesenbärenklau verseucht hatte. Sie hatte doch vorgehabt, die Gläser mit einer vorgetäuschten Ungeschicklichkeit zu zerstören, weil sie in letzter Minute das schlechte Gewissen gepackt hatte und sie ihre Tat bereute.
»Wir haben ein wenig früher angefangen, aber keine Sorge, für dich ist sicher noch etwas übrig«, erklärte Therese mit einem spöttischen Lächeln.
»Ich bin bereit«, erklärte Eleonore, nachdem sie ihren Stuhl aufgeklappt hatte und sich zurücklehnte. Sie wusste, was alle hier dachten, dass bei ihr ohnehin keine Schönheitspflege half, dass sie einfach viel zu hässlich war. Sollten sie also auf ein schöneres Aussehen hoffen, sie würde die Sache nun nicht mehr aufhalten, und damit kein Verdacht auf sie fiel, musste sie nun an diesem gemeinschaftlichen Leiden teilnehmen.
»Entspanne dich«, bat Mona, die sich auch gleich um Eleonore kümmerte und ihr selbst die Maske auflegte. Dass Eleonore gekommen war, hielt sie für das Signal, dass sie beide in Zukunft besser miteinander auskommen würden.
»Für das hässliche Entlein vom Kastnerhof müsste es schon eine Wundermaske sein«, raunte Elvira Therese zu, die zu Eleonore hinüberschielte.
»Manchen bleibt eben nur die Hoffnung, zerstören wir sie ihr nicht«, entgegnete Therese mit gütiger Miene.
Nachdem Mona Eleonore die Maske aufgetragen hatte, schnitt sie eine Salatgurke in dünne Scheiben und bedeckte damit die Augen der Damen, weil es ein wundervolles Mittel zur Auffrischung dieser Gesichtspartie war. Damit sich nun auch alle eine Weile ausruhten, schaltete sie die CD mit der Entspannungsmusik ein, die in dem CD-Player steckte, den Therese auf dem Tapeziertisch platziert hatte. Danach schaute Mona auf die Uhr des Rathausturmes, der in der gleißenden Nachmittagssonne stand. Nach spätestens einer Viertelstunde würde sie wieder mit ihrem Rundgang beginnen und den Damen mit Reinigungslotion getränkte Tücher reichen, damit sie sich im Waschraum des Dorfgemeindehauses die Reste der Kräutermaske entfernen konnten.
Während die Damen des Landfrauenvereins darauf hofften, ein wenig verjüngt wieder die Augen aufzuschlagen, wurden sie von den Mädchen des Bergmoosbacher Fußballvereins entdeckt, die in kurzen Hosen, T-Shirts und Joggingschuhen, zusammen mit Anna Bergmann, ihrer Trainerin, im Dauerlauf einmal das Dorf umrundeten und den Waldweg hinter dem Garten des Dorfgemeindehauses entlangkamen.
»Leute, seht euch das an, die Wiese der lebenden Masken«, flüsterte das ganz in Schwarz gekleidete Mädchen mit den kurzen blonden Haaren, das zuerst an der Hecke hinter dem Garten vorbeikam.
»So ein bisschen Farbe könnte dir auch nicht schaden, Doro-Punk«, entgegnete ein zierliches rothaariges Mädchen in rosa Shorts.
»Prinzessin