»Unbedingt«, antwortete Emilia unternehmungslustig.
*
Das Sägewerk lag am Ortsrand von Bergmoosbach, dort wo der Bach, der aus den Bergen herunterkam, das Dorf teilte und einsame Wiesen sich ausbreiteten. Obwohl eine Lärmschutzwand das gesamte Gelände umgab, war das Kreischen der Sägen schon von weitem zu hören.
Emilia hielt Nolan an der kurzen Leine, als sie den Hof des Sägewerks betraten. Vor den beiden Hallen, in denen die Verarbeitung stattfand, wurde das Holz gelagert, vom frisch geschlagenen Baumstamm bis zu bereits fertig zugeschnittenem für Wände und Dachkonstruktionen. Der Geruch des Holzes regte die Neugierde des kleinen Hundes an, und er zog kräftig an der Leine, um sich den Stapeln nähern zu können.
»Nimm ihn lieber hoch«, sagte Anna, als ein Gabelstapler aus einer Halle herausbrauste und ein mit Holz beladener Lastwagen in den Hof fuhr.
Emilia zögerte nicht lange. Sie hob den Kleinen hoch, der seine Ohren ständig in eine andere Richtung drehte, um all die neuen Geräusche einzuordnen.
»Wo finden wir Miriam Holzer?!«, rief Anna dem Mann auf dem Gabelstapler zu, der einen grünen Overall mit dem Aufdruck Sägewerk Holzer trug.
»Was?!«
»Miriam?!«, schrie Emilia.
»Büro!« Der Mann deutete auf den Bungalow am Ende des Hofs.
»Schallschutzfenster und Klimaanlage«, stellte Emilia fest, als sie den Bungalow betraten.
Auch Anna war zum ersten Mal im Büro der Holzers und sie staunte über die edle Einrichtung. Der Boden mit schwarzen Granitplatten ausgelegt, silberfarbene Tapeten, Schreibtische und Regale aus schwerem Kiefernholz, eine Sitzgruppe mit einem bequemen Sofa und überall Grünpflanzen in Terrakottakübeln.
Die beiden jungen Mädchen, die auf ihre Computermonitore sahen, blickten kurz hoch, als Anna und Emilia hereinkamen, wandten sich aber gleich wieder ihrer Arbeit zu. Sie überließen es Harald Baumann, der ein wenig abseits von ihnen an einem Schreibtisch saß, sich um die Besucher zu kümmern.
»Guten Tag, um was geht es?«, fragte er und sah Anna an.
»Wir möchten mit Miriam sprechen«, antwortete sie und schaute auf die Tür, die zu einem weiteren Raum führte.
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein, aber wir möchten trotzdem zu ihr.«
»Sie hat aber leider keine Zeit.«
»Sagen Sie ihr, dass Emilia Seefeld sie sprechen möchte«, mischte sich Emilia ein.
»Ich weiß, wer du bist«, entgegnete Harald grinsend.
»Gut, dann wissen Sie auch, dass sie mich empfangen wird.«
»Würdest du den Hund zur Ruhe bringen«, forderte er sie auf, als Nolan plötzlich bellte, weil Miriam die Tür zu ihrem Büro öffnete.
»Kommt rein.« Miriam hatte die beiden bereits im Hof gesehen und war gespannt, was sie von ihr wollten.
Der Schreibtisch in ihrem Büro war größer als die der anderen, und sie residierte auf einem wuchtigen weißen Lederstuhl.
»Das ist wohl die Überraschung, von der du neulich gesprochen hast«, stellte sie fest und schaute auf den Welpen, den Emilia im Arm hielt.
»Richtig, es ging um Familienzuwachs, das ist eine Familienangelegenheit, damit hat sonst niemand etwas zu tun, wenn man von Hebammen einmal absieht«, fügte Emilia mit einem herausfordernden Lächeln hinzu.
»Nehmt Platz, warum wollt ihr mich sprechen?«, fragte Miriam und überhörte Emilias offene Parteinahme für Anna.
»Du könntest etwas Gutes tun, Miriam. Ihr habt doch sicher hin und wieder Holz übrig, ich meine, so eine Art Verschnitt, der sich nicht mehr verkaufen lässt.«
»Verkaufen lässt sich alles, meine liebe Anna, und wenn es als Brennholz für Kamine und Öfen weggeht.«
»Es geht um Holz, das sich zur Reparatur für Scheunen eignet.«
»Sprechen wir vom Mittnerhof?«
»Könnte sein.«
»Keine Sorge, du verrätst mir kein Geheimnis. Anton hat vor ein paar Monaten Holz bei uns bestellt und dann wieder abbestellt. Als ich gestern im Krankenhaus zufällig mitbekam, was Sabine zu euch gesagt hat, dass das Geld an allen Ecken fehlt, war mir klar, dass sie in Not sind.«
»Wirst du ihnen helfen?«, fragte Anna nun ganz direkt.
»Glaube bloß nicht, dass du das Gutmenschentum für dich allein gepachtet hast. Ich hatte längst vor, ihnen zu helfen. Die Lieferung liegt schon bereit. Sobald Sabine aus dem Krankenhaus entlassen wird, lasse ich ihr das Holz bringen, vorher kommt Anton wegen der Kinder ohnehin nicht dazu, seine Reparaturen anzugehen.«
»Danke, Miriam.«
»Wie gesagt, es hätte deiner Bitte gar nicht erst bedurft.«
»Ich wusste gar nicht, dass diese Art von Güte in dir steckt«, entgegnete Emilia und erhob sich von ihrem Stuhl, nachdem auch Anna aufgestanden war.
»Du kennst mich eben noch nicht. Grüße deinen Vater von mir, Kind.«
»Ja, mache ich«, antwortete Emilia, ohne richtig hinzuhören, weil sie bereits zur Tür heraus war.
»Skrupel hast du wohl keine«, fuhr Miriam Anna an, die Emilia folgen wollte.
»Was bitte meinst du?«, erkundigte sich Anna verblüfft.
»Du nutzt seine Tochter aus, um dich an ihn heranzumachen.«
»Lass stecken, Miriam, ich lasse mich nicht benutzen, ich bestimme selbst, mit wem ich befreundet bin. Du gehörst nicht dazu«, antwortete Emilia, die sich noch einmal umgedreht hatte.
»Du bist unhöflich, junge Dame.«
»Nein, ich bin nur ehrlich.«
»Einen schönen Tag noch«, sagte Anna und schob Emilia samt Nolan hinaus in den Hof.
»Sie ist unverschämt, da kann ich nicht ruhig bleiben«, erklärte Emilia Anna ihr Verhalten, als sie das Sägewerk gleich darauf verließen.
»Ehrlich zu sein, kann dir eine Menge Ärger bereiten.«
»Soll ich deshalb lügen?«
»Nein, das sollst du nicht. Manchmal ist es nur besser, gar nichts zu sagen.«
»Das weiß ich«, seufzte Emilia, »aber in diesem Fall fand ich es in Ordnung, die Wahrheit zu sagen.«
»Das fand ich auch«, stimmte Anna ihr zu, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie kurz an sich. »Ich habe in deinem Alter übrigens auch Fußball gespielt«, sagte sie und schaute auf das T-Shirt, das Emilia trug.
»Erzähle mir mehr darüber«, bat das Mädchen.
*
»Harald, wo finde ich die Bestellung vom Mittnerhof? Ich meine die stornierte«, wollte Miriam wissen, die Harald in ihr Büro gerufen hatte, nachdem sie vergeblich in ihrem Computer nach dieser Bestellung gesucht hatte.
»Die sollte ich doch löschen. Arme Schlucker brauchen wir nicht, hast du gesagt.«
»Irgendwo muss es doch noch etwas darüber geben.«
»Nein, gibt es nicht, aber ich weiß noch, was er wollte. Ich habe mich nämlich gewundert, dass jemand so eine kleine Menge abbestellen muss, weil er sie sich offensichtlich nicht leisten kann.«
»Lass alles zusammenstellen, was er wollte, und lege noch etwas dazu.«
»Lieferung mit Vorauskasse?«
»Nein, die Lieferung geht auf uns.«
»Ist