Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Die Vitrine verlieh dem ansonsten mit modernen weißen Möbeln eingerichteten Raum Wärme.

      »Anton du solltest schon mit mir reden«, machte sich Sebastian wieder bemerkbar, nachdem er einen Augenblick gewartet hatte.

      »Es ist halt merkwürdig, dich da sitzen zu sehen, in deinem weißen Hemd und der weißen Hose. Das ist ein bisschen befremdlich.«

      »Möchtest du lieber mit meinem Vater reden?«

      »Nein, ich rede schon mit dir. Wenn einer weiß, dass du deinen Beruf verstehst, dann ich. Ich werde dir das nie vergessen, wie du meiner Sabine geholfen hast. Wenn du mir ein bisschen Zeit gibst, dann werde ich auch deine Rechnung begleichen.«

      »Anton, es gibt wichtigere Dinge, wir müssen zusehen, dass du gesund wirst und euer Hof wieder in Schuss kommt. Also, welche Beschwerden hast du?«

      »Der Rücken.«

      »An einer bestimmten Stelle?«

      »Eigentlich überall.«

      »Dann mach dich bitte mal frei.«

      »Was ist mit mir?«, wollte Anton wissen, nachdem Sebastian ihn untersucht hatte.

      »Wann hast du das letzte Mal einen Tag frei gehabt? Ich meine, einfach mal gar nichts gemacht?«

      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Anton, während er sich wieder anzog.

      »Du musst dir unbedingt ein bisschen Zeit für dich nehmen. Bis jetzt leidest du einfach nur an extremen Verspannungen.«

      »Verspannungen? Ich habe Schmerzen, Sebastian.«

      »Ja, ich weiß, du bewegst dich zwar viel, aber es sind immer die gleichen Bewegungen, das tut deinen Muskeln nicht gut, du brauchst einen Ausgleich. Geh schwimmen, wobei nur Rückenschwimmen infrage kommt, weil das auch den Nacken entspannt, geh spazieren, lege dich in die Sonne, tue etwas, was dir Spaß macht.«

      »Ich denke, ich bin nicht krank.« Anton schaute auf das Rezept, das Sebastian ausstellte und ihm in die Hand drückte.

      »Das wirst du aber bald sein, wenn du meine Ratschläge in den Wind schlägst. Ich habe dir Massagen aufgeschrieben, die werden deine Blockaden lösen.«

      »Aber auf dem Hof ist so viel zu tun, und die Kinder müssen versorgt werden. Sabine muss sich doch noch eine Weile schonen. Ich habe keine Zeit für so etwas.«

      »Gibt es denn niemanden, der euch auf dem Hof unterstützen könnte?«

      »Von meiner Familie lebt niemand mehr, Sabines Schwester wohnt mit ihrer Familie in Bremen, und eine bezahlte Hilfe können wir uns nicht leisten. Die Kinder haben schon oft gesagt, dass sie so gern eine Oma hätten, die für sie da wäre.«

      »Eine Oma«, murmelte Sebastian.

      »Jetzt siehst du gerade so aus wie früher in der Schule, wenn du was ausgeheckt hattest«, stellte Anton fest, als Sebastian sich mit dem Zeigefinger über das Kinn strich.

      »Vielleicht habe ich gerade etwas ausgeheckt, wir werden sehen.« Sebastian begleitete seinen alten Schulfreund durch das leere Wartezimmer zur Tür. Gerti, dachte er lächelnd, als er auf die Holzstühle mit den blauen Polstern schaute, die alle im gleichen Abstand nebeneinander standen, so wie es Gertis Ordnungssinn entsprach. Auch die Spielecke mit dem kleinen Tisch, den vier Stühlchen und der Spielzeugkiste war aufgeräumt. »Auf bald, Anton«, sagte er. Wenn das klappte, worüber er gerade nachdachte, dann konnte er Anton vielleicht schon an diesem Abend eine gute Nachricht überbringen.

      »Tschüs, Papa!«, rief Emilia, die mit Nolan an der Leine aus dem Haus kam, als er kurz darauf die Praxis verließ.

      »Wo gehst du hin?«

      »Ich bin mit Anna verabredet, schon vergessen?«

      »Nein, das habe ich nicht vergessen, mir war nur nicht bewusst, dass es schon so spät ist.«

      »Doch, ist es. Und übrigens, Traudel meinte, dass du in Zukunft Essen aus der Mikrowelle bekommst, weil du nie pünktlich bist, im Gegensatz zu Opa, der hat wenigstens hin und wieder die Zeit eingehalten.«

      »Das ist keine Absicht.«

      »Das musst du Traudel sagen. Bis später, Papa.«

      »Wuff, wuff«, verabschiedete sich Nolan und tapste fröhlich neben Emilia her.

      »Heute bleibt mir die Mikrowelle wohl noch erspart«, stellte Sebastian fest, als er in die Küche kam und Traudel ihm Käsenudel, und frischen Salat servierte.

      »Die kleine Maus hat es also gleich wieder weitergetragen«, entgegnete Traudel und schüttelte lachend den Kopf. »Geh, du weißt genau, dass das nie passiert, Bub«, sagte sie und streichelte Sebastian liebevoll über den Rücken.

      *

      Anna war auf ihrem Balkon und goss die Blumen. Es war ein heißer sonniger Tag, und bevor die Sonne vollends auf den Balkon prallte, musste sie ihre Pflanzen mit Wasser versorgen.

      »Ich mache dir auf!«, rief sie, als sie Emilia sah, die auf dem Feldweg hin­ter­ dem Haus mit Nolan entlangspazierte.

      »Gemütlich«, stellte Emilia fest, als sie die Wohnung wenig später betrat.

      »Wir können uns nach draußen setzen«, sagte Anna. Sie hatte die Liege zusammengeklappt und zwei Korb­stühle aus der Küche auf den Balkon getragen.

      »Einverstanden.«

      »Was möchtest du trinken?«

      »Wasser, bitte.«

      »Du bekommst natürlich auch Wasser.« Anna hatte den Welpen nicht vergessen und füllte einen sauberen Blumenuntersetzer mit Wasser, den sie für ihn auf den Balkon stellte. »Hast du schon eine Idee, wie wir unser Anliegen im Sägewerk vortragen?«, fragte Anna, als sie sich in den Stuhl neben Emilia setzte.

      »Du hast doch gesagt, dass Miriam vermutlich weiß, in welchen Schwierigkeiten die Mittners stecken.«

      »Ich gehe davon aus.«

      »Dann sollten wir uns Miriam schnappen und sie direkt fragen, ob sie etwas abzugeben hat. Wenn sie Bescheid weiß, wird sie es uns wissen lassen und es so drehen, als sei es ihre Idee gewesen, um sich dann bei passender Gelegenheit damit zu brüsten.«

      »Du hast sie schon gut durchschaut.«

      »Ich durchschaue alle Frauen, die hinter Papa her sind.«

      »Du meinst, du musst ihn vor einer falschen Entscheidung beschützen, richtig?«

      »Wer verliebt ist, der kann nicht klar denken, deshalb muss ich das übernehmen.«

      »Du meinst, er ist in Miriam verliebt?«

      »Keine Ahnung. Wenn es so ist, dann ist es ihm nicht bewusst.« Emilia trank einen Schluck Wasser und fing Annas Blick auf. »Kannst du noch klar denken, was ihn betrifft?«

      »Ich kenne deinen Vater erst ein paar Tage.«

      »Um sich zu verlieben, genügt eine Sekunde.«

      »Du kennst dich aus«, antwortete Anna lachend.

      »Ich bin vierzehn, kein Kind mehr. Ich weiß, dass mein Vater sich eines Tages wieder verlieben wird. Ich wünsche ihm, dass es so kommt, auch wenn es für mich nicht leicht sein wird, ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Noch vor ein paar Wochen hat mich dieser Gedanke richtig geschockt.«

      »Was hat deine Meinung geändert?«

      »Opa. Er lebt zwar beziehungsmäßig gesehen allein, aber er ist nicht einsam. Er hat Traudel, die alles für ihn tut, weil sie in ihn verliebt ist, was jeder sehen kann, der sie beobachtet. Papa hat aber keine Traudel, und ich werde eines Tages fortgehen. Ich möchte auf keinen Fall, dass Papa ein einsamer komischer Kauz wird, der sich einen Papagei anschaffen muss, um jemanden zum Reden zu haben.«

      »Ich glaube nicht, dass er so enden wird.«

      »Nein, ich