Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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wünschte, ihr gemeinsamer Gang durch die kühle Sommernacht möge kein Ende nehmen, nur sie und der Mann an ihrer Seite …

      Leider sind die Entfernung innerhalb Bergmoosbachs nicht groß, sehr schnell war der Marktplatz überquert, und sie standen vor der Apotheke, über der die Hebamme arbeitete und wohnte. Das Schaufenster war nicht mehr beleuchtet, sodass das Paar nicht wie auf dem Präsentierteller stand, als Sebastian sich liebevoll zu der jungen Frau umdrehte. »Anna, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte er weich. »Ich hatte heute Abend manchmal das Gefühl, dass dich etwas bedrückt. Du warst stiller als sonst.«

      »Ich …, ähm, … nein, da ist nichts«, stotterte Anna überrascht. Sebastian stand so dicht vor ihr, dass sie den Duft seines Rasierwassers wahrnahm, und sie sah die dunklen Einsprengsel in seinen grauen Augen. Er war nah, gefährlich nah, es wäre so leicht, diesen einen, winzigen Schritt zu tun, sein Gesicht zu berühren und zu sagen … »Nein, es ist alles in Ordnung!«, bekräftigte die junge Frau und wich von ihm zurück.

      »Wirklich, Anna?« Ohne es zu bemerken, griff er nach ihrer Hand. »Du weißt, dass du mir alles sagen kannst?«

      Er hat meine Hand genommen!, dachte Anna. »Ja, also, da ist nichts«, fuhr sie atemlos fort. »Mich interessiert halt nur …, wie …, wie findest du diese italienische Malerin?«

      »Sophia Corelli?«, fragte Sebastian verblüfft. Zunächst verstand er den Sinn der Frage nicht, aber dann lachte er laut auf. Annas Hand glitt aus seiner. »Also, da es dich wirklich zu interessieren scheint: ich finde sie interessant, klug, apart und kühl. Sie ist eine bemerkenswerte Frau, aber überhaupt nicht mein Typ.«

      Dabei hätte Anna es belassen können, aber sie musste einfach weiterfragen. »Wieso wohnt sie bei euch? Und wenn dir schon aufgefallen ist, dass ich heute stiller war, dann habe ich bemerkt, dass du lebhafter bist als sonst. Vielleicht ist es dir nicht bewusst, aber seitdem die Italienerin hier ist, hast du dich verändert.«

      Nachdenklich schaute Sebastian sie an. »Wahrscheinlich hast du recht«, antwortete er bedächtig. »Der Kontakt mit ihr tut mir gut. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber ihre Anwesenheit gefällt mir. Vielleicht ist es ihr Verständnis von Kunst?« Nach einem kurzen Zögern fügte er hinzu: »Sophia Corelli selbst ist ein Kunstwerk. Die Frau, die mein Herz berührt, muss eine ganz andere sein, Anna!« Wie in Gedanken hob er seine Hand und strich ihr behutsam eine seidige Haarsträhne aus der Stirn. »Gute Nacht, Anna.«

      »Guten Nacht, Sebastian«, antwortete sie glücklich.

      *

      Auch die junge Frau, um die andere sich so viele Gedanken machten, war im Nieselregen zu ihrer Verabredung aufgebrochen. Aber anders als Anna war Sophia nicht beschwingt durch die seidige Feuchtigkeit gelaufen. Sie hasste Regen und hatte sich frierend in ihren Mantel verkrochen. Wie sehr sie die Hitze und Trockenheit der Toskana vermisste! Zum Glück war der Weg vom Hotel bis zu dem Platz, auf dem Leanders Wagen stand, nicht weit. Trotzdem atmete Sophia auf, als sie das abenteuerliche Gefährt sah, hinter dessen Fenstern warmes Licht schimmerte. Die Tür stand einladend geöffnet, und erleichtert schlüpfte die junge Frau unter das gewölbte Vordach.

      »Guten Abend, Sophia. Wie schön, dass Sie da sind!« Leander begrüßte die Malerin mit einem warmherzigen Lächeln. Eigentlich hatte er die Tür geöffnet lassen wollen, aber als er sah, wie verfroren Sophia wirkte, schloss er sie vorsorglich. Den langen Mantel hängte er zur Seite und bat die junge Frau, Platz zu nehmen.

      Nachdem Sophia der Nässe entkommen war, erwachten ihre Lebensgeister, und sie schaute sich interessiert in der ungewöhnlichen Behausung des Orgelbauers um. Das Innere des Wagens war hell, zweckmäßig und gleichzeitig geschmackvoll gestaltet. Es waren sowohl Elektrizität als auch einige Windlichter mit weißen Kerzen vorhanden und sogar ein paar Grünpflanzen in schlichten Tontöpfen. Ein Holztisch war mit Leinensets und einem Glaskrug mit gelben Rosen gedeckt. Dunkelroter Wein funkelte in einer Karaffe, und verschiedene Antipasti waren auf weißem Porzellan angerichtet.

      Leander musterte die junge Frau aufmerksam. »Möchten Sie lieber etwas Warmes trinken? Einen Tee oder vielleicht einen Espresso?«

      »Danke, gern den Kaffee«, antwortete Sophia, gerührt von seiner Aufmerksamkeit.

      Im Handumdrehen war er zubereitet, und Leander stellte das Tässchen auf den Tisch. Dann wies er auf den Brotkorb. »Dieses Brot ist Honigbrot, eine Spezialität, die hier im Ort gebacken wird. Ich dachte, wenn ich schon keine einheimische Kost vorbereitet habe, dann erweise ich der Region die Ehre, indem ich dieses Brot kaufe.« Dann blinzelte er Sophia zu und sagte: »In Wahrheit war ich zu spät dran und habe kein Ciabatta mehr bekommen!«

      Die junge Frau lachte. »Macht nichts! Das Brot wird auch in meinem Hotel zum Frühstück serviert, und es schmeckt köstlich, gar nicht so süß, wie der Name vermuten lässt. Sind wir doch einfach experimentierfreudig und essen Honigbrot zu Antipasti.«

      Hingerissen schaute Leander die Künstlerin an, die immer so beherrscht und perfekt wirkte. Jetzt funkelten ihre dunklen Augen belustigt, als sie etwas Käse auf das Brot legte, es mit getrockneter Tomate krönte und zierlich davon abbiss. »Mhm, wirklich köstlich!«

      Leander belegte sein Brot ebenso und stellte angenehm überrascht fest, wie lecker es schmeckte. Es war ein gelungener Auftakt für den Abend, und das Paar hatte viel Spaß dabei, die Bergmoosbacher Spezialität in immer wieder neuen Kombinationen zu probieren.

      Schließlich räumte Leander die Reste in seinen winzigen Kühlschrank und stellte Pfirsiche und Trauben auf den Tisch. Langsam zog die Nacht herauf, und der Kerzenschein spiegelte sich in den Fensterscheiben und der silbernen Schale neben den Rosen. Sanfte Dämmerung und warmes Kerzenlicht hüllten das Paar an diesem einmaligen Ort ein und schienen es von der Außenwelt abzutrennen. Leander hatte Barockmusik aufgelegt, und unvergängliche Klänge zogen leise durch den Raum.

      Mit einem Seufzer der Zufriedenheit lehnte die junge Frau sich auf der Sitzbank zurück. »Es ist wunderschön bei dir, Leander.«

      Der Mann betrachtete sie lächelnd. Vielleicht hatte sie gar nicht bemerkt, wie sie ihn angeredet hatte? Sophias Kopf ruhte entspannt auf dem Kissen, das sie ans Fenster in ihrem Rücken gelehnt hatte. Ihr Haar breitete sich wie ein silberner Fächer über den dunkelroten Stoff, der wie durch Zauberei genau zu dem roten Leinenkleid passte, das sie heute Abend trug. Die Kerzenflammen entzündeten winzige Lichtreflexe in ihren nachtschwarzen Augen. Sie trug Armstulpen aus burgunderfarbenem Samt, und ihre schmalen Finger schmückte moderne Silberschmiedekunst.

      Sie war hinreißend, und Leander wusste, dass er sein Herz an sie verloren hatte.

      In das gute Schweigen hinein sagte der Mann behutsam: »Ich weiß so wenig von dir, Sophia. Einiges habe ich über dich im Internet gelesen. Über deinen beruflichen Werdegang steht dort vieles, über dein Privatleben nur wenige Daten.«

      »Man sollte vorsichtig mit privaten Einzelheiten sein«, antwortete Sophia und drehte ihr Glas zwischen den Fingern. »Man sollte überhaupt vorsichtig sein mit dem, was man von sich preisgibt!«

      Leander schwieg. Hatte sie ihm damit sagen wollen, dass sie weder etwas von sich erzählen noch etwas von ihm erfahren wollte? Oder gab es böse Erfahrungen, die Narben hinterlassen hatten? Ihr Lächeln war ebenso vorsichtig wie ihre Worte.

      »Ich bin ebenfalls im Internet spazieren gegangen«, antwortete Sophia. »Und was dein Privatleben angeht, habe ich auch nur ein paar nüchterne Zahlen gefunden.«

      »Wärest du denn an mehr interessiert?«, fragte Leander und bemerkte im selben Augenblick, wie zweideutig seine Worte aufgefasst werden konnten. »Ich meinte, an mehr Informationen!«, beeilte er sich hinzuzufügen.

      Wieder konnte er nicht genau erkennen, ob ihre Augen funkelten, weil sie sich amüsierte, oder aus anderen Gründen.

      »Du hast einen seltenen Beruf«, antwortete Sophia. »Es würde mich schon interessieren, wie du dazu gekommen bist.«

      Sein Blick glitt durch das Fenster irgendwo in die Ferne. »Das weiß ich nicht«, antwortete er. »In mir ist ganz einfach Musik, die heraus möchte. Also gebe ich ihr eine Stimme, indem ich Instrumente baue.«