Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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Haus flüchtig berührte. Sophia freute sich an dem sanften Spiel von Licht und Schatten, dem Konzert der Vögel und den leisen Geräuschen morgendlicher Betriebsamkeit. Um draußen zu frühstücken, war es noch zu feucht, also hatte Traudel den Tisch wieder im Wintergarten gedeckt. Mit einem fröhlichen Gruß wehte Emilia zur Tür hinaus, um zur Schule zu fahren, und auch Sebastians Platz war leer. Er war zu einer sehr frühen Runde von Hausbesuchen aufgebrochen, um die Operierten zu versorgen. Traudel, eine begabte Näherin, war bereits unterwegs zu ihrer Freundin Regina, um ihr beim Ausbessern der Kirchengewänder zu helfen. Nur der Senior der Familie, Benedikt Seefeld, saß noch gemütlich am Frühstückstisch, als Sophia den Wintergarten betrat. Er schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein und musterte die junge Frau mit einem verständnisvollen Lächeln.

      »Guten Morgen, Sophia, hat der Trubel unseres Hauses Sie geweckt? Ich habe ein wenig im Internet über Sie recherchiert und gelesen, dass sie allein leben. Das nicht immer leise Leben in unserem Haus muss doch eine Herausforderung für Sie sein«, sagte er freundlich.

      Die Künstlerin lachte leise. »Im Gegenteil, es ist nett, vom Leben geweckt zu werden. Außerdem bin ich eine wesentlich größere Familie gewohnt, ich bin in einem italienischen Dorf aufgewachsen«, erinnerte sie den alten Doktor. »Dort ging es lebhafter und lauter zu als hier in Ihrem Haus.«

      Benedikt nickte und ließ das Thema auf sich beruhen. »Ich muss jetzt hinüber in die Praxis, zu bestimmten Zeiten vertrete ich meinen Sohn«, erklärte er. »Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause und genießen Sie Ihr Frühstück.«

      Die junge Frau hatte sich gerade frische Früchte in ihr Müsli geschnitten, als sie ein höfliches Klopfen hörte. Eine sportlich aussehende junge Frau mit brünetten Haaren, die einen großen Rucksack geschultert hatte, trat durch die Tür des Wintergartens und schaute sichtlich überrascht auf den weiblichen Gast am Tisch. »Guten Morgen! Ich, ähm, ich wollte eigentlich zu Doktor Seefeld. Wissen Sie, wo er ist?« Sie streckte eine schmale Hand aus. »Ich bin übrigens Anna Bergmann, die Hebamme.«

      »Sophia Corelli! Zur Zeit wohne ich hier«, stellte die Künstlerin sich vor. »Der ältere Doktor ist drüben in der Praxis, und wo Sebastian ist, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich glaube, er macht Hausbesuche.«

      So, so, Sebastian also …

      Anna ließ ihren Rucksack samt pinkfarbenen Fahrradhelm auf einen Korbsessel gleiten und nahm am Tisch Platz. Sie musterte die unbekannte Schöne kritisch: alles an der anderen Frau war perfekt aufeinander abgestimmt, selbst in der weißen Latzhose und dem schlichten Shirt fiel ihre zierliche, sehr gepflegte Erscheinung ins Auge. Bis auf dezentes Augen-Make-up und leuchtend roten Lippenstift war sie ungeschminkt, und ihr silbernes Haar schimmerte perfekt frisiert.

      Da versteht sich aber jemand in Szene zu setzen!, dachte Anna. Besonders sympathisch war ihr diese Fremde im Hause Seefeld nicht.

      Sophia spürte die instinktive Ablehnung der anderen Frau und wunderte sich, hatte aber weder Lust noch Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Rasch verabschiedete sie sich und ging hinüber in die Kirche. Auch Anna verließ das gastliche Doktorhaus und machte sich auf den Weg, um ihre Schwangeren oder jungen Mütter zu betreuen. Im Stillen hoffte sie, bei ihrer Runde auf Sebastian Seefeld zu treffen. Vielleicht würde sie von ihm Näheres über die neue Bewohnerin des Doktorhauses erfahren.

      Leider begegnete sie zunächst nur dem üblichen Damenkränzchen, das sich zum Austausch von Neuigkeiten und zum Einkaufen in Fannys Lebensmittelgeschäft traf. Wie immer war es zwar nur harmloser Klatsch, der hier die Runde machte, aber er machte Anna das Herz nicht gerade leichter.

      »Es ist doch wirklich nett vom Doktor, dass er dieser Malerin ein Zimmer angeboten hat! Wo hätte sie denn mitten in der Hochsaison auch bleiben sollen?«

      »Hätt sie halt fahren müssen, im Umland wäre doch bestimmt irgendetwas zu finden gewesen!« Das war Miriam Holzer, die ihre unberechtigten Hoffnungen auf Sebastian nicht aufzugeben gedachte.

      »Wie besonders sie ausschaut! Das ist eine aparte Erscheinung, die wirklich gut zu unserem Doktor passt«, sagte Frau Leutner.

      Finde ich nicht!, dachte Anna rebellisch.

      »Überhaupt ist es doch hübsch, dass endlich wieder eine junge Frau im Doktorhaus wohnt«, steuerte die Ederin zur Unterhaltung bei.

      »Wir werden das im Auge behalten.« Das war die gute Afra, die das Gras wachsen hörte. »Immerhin wohnt sie erst seit gestern beim Doktor, man kann nie wissen, was noch passiert!«

      »Guten Morgen, die Damen!« Vorsichtiges Schweigen breitete sich aus, als Sebastian Seefeld das Geschäft betrat. »Fanny, haben Sie zufällig Süßkartoffeln in Ihrem Sortiment?«

      Die junge Ladenbesitzerin schmunzelte. »Bei einem Kunden, der in Kanada gelebt hat, sollte ich darauf vorbereitet sein. Wollen Sie etwas Kanadisches kochen, Doktor?«

      »Ich versuche es zumindest. Jedenfalls möchte ich nicht italienisch kochen, den Vergleichen halte ich wohl nicht stand«, antwortete Sebastian.

      »Sie kochen für die italienische Malerin?«, hakte Afra sofort nach.

      »Ja«, antwortete der Landdoktor zerstreut. Seine Augen suchten Anna. Er hatte ihr pinkfarbenes Mountainbike vor dem Geschäft gesehen und hoffte, die junge Hebamme hier zu treffen. »Anna! Schön, dich zu sehen! Magst du heute Abend zu uns kommen? Emilia und ich wollen kochen.«

      »Ich komme gern!«, antwortete die junge Frau. Es könnte interessant sein, den Arzt und die Malerin zusammen zu erleben. Vielleicht würde Anna dann etwas mehr darüber erfahren, welche Bedeutung der Besuch im Doktorhaus hatte.

      »Er kocht schon für sie …«, sagte Afra nachdenklich.

      »Na, sie schaut ja auch aus, als ob sie das nicht kann!«, stellte die Ederin abschließend fest.

      Zur selben Zeit stand Sophia Corelli auf ihrem Gerüst und arbeitete konzentriert, ohne zu ahnen, welchen Sog aus Spekulationen, Neugier und Anflügen von Eifersucht ihre Anwesenheit ausgelöst hatte. Ihr Kopf war frei von allen störenden Gedanken, sie war nur bei den Farben, die sie unter dem alten Anstrich hervorholen wollte. Stunden um Stunden verstrichen, ohne dass sie die Zeit bemerkte. Als plötzlich Leander neben ihr auf dem Gerüst auftauchte, zuckte sie überrascht zusammen.

      »Machen Sie niemals Pause? Kein Wunder, dass Sie so gut vorankommen. Man kann schon viel von dem ursprünglichen Bild erkennen«, sagte er anerkennend. »Schade, dass man in den alten Kirchenbüchern oder anderen Unterlagen nichts über den Maler gefunden hat.«

      Sophia zog ihre Gummihandschuhe aus und rieb die kalten Hände aneinander. Sie schaute auf die Figuren, die sie inzwischen freigelegt hatte. »Ja, ich hätte auch gern etwas über ihn gewusst, zumindest den Namen.«

      Nachdenklich schaute Leander auf Sophias Arbeit. »Bei diesem Wandgemälde gibt es keine Signatur, der Künstler wird also unbekannt bleiben. Ist das nicht irgendwie ungerecht? Er hat doch lange daran gearbeitet, sein Wissen, Können und seine Persönlichkeit darin einfließen lassen. Dann sollten sein Kunstwerk und sein Name auch zusammengehören.«

      Sophias Gesicht wurde hart. »Ja«, antwortete sie nur.

      Leander schaute sie von der Seite an. Das Strahlen war aus ihren Augen gewichen, und die Begeisterung, mit der sie eben noch von ihrer Arbeit gesprochen hatte, erloschen. Sehr konzentriert wischte sie mit einem alten Lappen ihre Hände ab. Es sah aus, als wollte sie noch etwas anderes als Farbreste verschwinden lassen. Leander spürte, dass bei Sophia ein wunder Punkt getroffen worden war. Sie ist nicht glücklich, dachte er. Irgendetwas oder irgendwer hat sie tief verletzt. Ich wünschte, ich könnte mit ihr darüber reden.

      »Ich freue mich auf heute Abend«, sagte er sanft.

      Sie schien aus einer alten Erinnerung zu erwachen. »Ja, ich mich auch.« Mit einem entschuldigenden Lächeln griff sie zu Wasser und Lappen und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

      Leander setzte sich an die alte Orgel, und während seine Hände Töne wie fließendes Silber erklingen ließen, waren seine Gedanken bei der schönen Frau mit dem erstarrten Herzen.

      *

      »Hallo,