Der neue Landdoktor Staffel 9 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980528
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den treuen Hund wieder zur anderen Luke, wo er außerhalb der Sichtweite vom Haus war. Wendelin konnte sein Glück kaum fassen, als er das Mobiltelefon endlich in der Hand hielt. »Streuner, du bist der Allergrößte und der Allerbeste!«, flüsterte er stolz. »Wenn ich hier herausgekommen bin, dann bekommst du von mir ein Riesensteak, das verspreche ich dir!«

      Der Hund wuselte wie verrückt unter Wendelins streichelnder Hand umher und fiepte und quietschte, zwar ganz leise, aber unüberhörbar selig. Es fiel dem Mann sehr schwer, seinen treuen Freund jetzt wieder wegzuschicken, aber ihm blieb nichts anderes übrig. »Lauf, Streuner, lauf weg und versteck dich«, sagte er.

      Aber irgendwann ist auch einmal der Gehorsam des folgsamsten Hundes erschöpft. Streuner lief zwar weg, aber nur so weit, dass er von der Böschung aus Anlauf nehmen konnte. Mit einem kraftvollen Sprung segelte er durch die kleine Luke und landete dem überraschten Wendelin genau zu Füßen. Dort machte er perfekt Sitz und schaute seinen Herrn mit schief gelegtem Kopf und blanken Augen an.

      Na, was sagst du nun?, stand unmissverständlich in seinem spitzbübischen Blick zu lesen.

      Wendelin musste lachen, setzte sich auf den Boden und umarmte seinen Hund so fest, als wolle er ihn nie wieder loslassen. Streuner umarmte begeistert zurück. »Du bist schon so ein Kerl«, murmelte Wendelin liebevoll in das weiche Fell seines treuen Gefährten hinein, »was würde ich nur ohne dich anfangen.«

      Ja, das frage ich mich auch, antwortete Streuner lautlos und streckte sich dann sehr zufrieden auf den Beinen seines Herrchens aus.

      Wendelin genoss noch einen Augenblick die Nähe und Verbundenheit mit seinem besten Freund. Dann stand er auf, schloss beide Luken und begann damit, Bergmoosbach vor dem unverantwortlichen Handeln dieser Jagdgesellschaft zu warnen.

      Zuerst rief er beim Förster an. Lorenz Breitner traute kaum seinen Ohren, als er hörte, wer da in seinen Wäldern freigesetzt werden sollte. »Ein Braunbär? Die Kerle müssen verrückt sein. Und dass du dort die Fallen gefunden hast, wundert uns nicht. Sehr gute Arbeit, Wendelin!« Er versprach, nichts zu unternehmen, bis auch die Polizei informiert worden war.

      Als nächstes besprach Wendelin mit dem Leiter der dörflichen Polizeistation die Lage. Gregor Leutner war ebenso entsetzt wie Lorenz. »Da hat sich der feine Herr von Acker für eine ganze Menge zu verantworten«, knurrte Gregor. »Wie gut, dass du uns rechtzeitig warnen konntest. Wir kommen sofort und holen dich aus deinem Gefängnis raus.«

      »Warte mal, Gregor, ich hab mir dazu schon ein paar Gedanken gemacht«, warf Wendelin hastig ein. »Wenn ihr sofort kommt, dann fliegen die sauberen Herren auf, ohne dass ihr den Bären habt. Was wird dieser Lastwagenfahrer mit dem Tier tun, wenn hier alle weg sind? Einer von denen kann ihn bestimmt noch informieren. Dann ist es doch möglich, dass er das Tier unterwegs irgendwo freilässt. Wäre es nicht besser, ihr erwischt hier alle zusammen?«

      Gregor stimmte zu, aber er sagte auch: »Das würde bedeuten, dass du nicht nur diese Nacht, sondern möglicherweise auch noch morgen tagsüber in dem Holzschuppen gefangen bist. Willst du dir das tatsächlich antun?«

      »Es ist nicht so schlimm, denn jetzt kann ich mich mit euch verständigen und außerdem ist mein Streuner bei mir«, erwiderte Wendelin gefasst.

      Gregor musste trotz des Ernstes der Lage lachen. »Du und dein Kumpel, ihr seid schon ein unschlagbares Team.« Dann wurde er wieder ernst. »Was machst du, wenn die Kerle merken, dass das Handy vom Tisch verschwunden ist? Oder wenn sie Streuner bei dir entdecken? Das könnte für euch gefährlich werden.«

      »Seitdem Kathi nicht mehr aufräumt, herrscht hier eine ziemliche Unordnung. Ich hoffe einfach, dass sie zwischen all dem schmutzigen Geschirr auf dem Tisch das Fehlen des Handys nicht bemerken«, antwortete Wendelin. »Und für Streuner baue ich gleich ein Versteck unter den Holzscheiten. Wenn jemand die Tür aufsperrt, hat er immer noch genug Zeit, darin zu verschwinden.«

      »Du hast wohl an alles gedacht«, erwiderte der Polizist anerkennend.

      »Ich hatte ja genügend Zeit«, schmunzelte Wendelin. Dann wurde er wieder ernst. »Die Kathi …, hast du vielleicht gehört, wie es ihr geht?«

      Gregor berichtete kurz das, was er wusste.

      »Und … man denkt, ich habe ihr das angetan?«, fragte Wendelin stockend.

      »Nur ein paar«, antwortete Gregor unbehaglich. »Mach dir darum jetzt keine Gedanken, das kommt im Handumdrehen wieder in Ordnung. Übermorgen bist du hier ein Held.«

      »Das will ich gar nicht sein«, sagte Wendelin sehr leise, »wenn nur ihr Vater …« Er verstummte.

      »Darum kümmern wir uns später«, erwiderte Gregor energisch. »Jetzt plane ich mit Lorenz und seiner Frau den Einsatz. Wir bleiben in ständiger Verbindung.«

      »In Ordnung. Ich schalte das Handy auf Vibrationsalarm und halte hier Augen und Ohren offen«, bestätigte Wendelin.

      Während sich in Bergmoosbach die Schlinge um die verantwortungslosen Hobbyjäger zuzuziehen begann, harrte Wendelin weiter auf seinem unbequemen Wachtposten aus. Er schlief nicht, sondern döste nur zeitweise und wartete angespannt auf das, was der neue Tag bringen würde.

      *

      Für Kathi brachte der Tag ihre Entlassung aus dem Krankenhaus. Es war zunächst nicht ganz einfach, sich nur auf einem Bein und zwei Gehhilfen fortzubewegen. Vor allem das Treppensteigen musste geübt werden, aber auch das bekam sie rasch in den Griff. Anton Stübl holte seine Tochter aus dem Krankenhaus ab und hatte ihr im Garten, der nicht von den Gästen eingesehen werden konnte, einen gemütlichen Liegeplatz vorbereitet. Kathi freute sich über die liebevolle Vorsorge und streckte dankbar ihr eingegipstes Bein aus.

      »So eine erzwungene Ruhe ist doch gar nicht mal nur schlecht, gell? Du arbeitest viel zu viel«, sagte ihr Vater liebevoll.

      »Ich arbeite gern«, erwiderte Kathi, »Aber jetzt habe ich nichts dagegen, still unter unserem Birnbaum zu sitzen und mich auszuruhen. Von dem Sturz tut mir jeder Knochen weh. Endlich habe ich auch die Zeit, so lange zu lesen, wie ich mag, das ist herrlich. Tust du mir einen Gefallen, Papa? Holst du mir bitte diesen schönen Bildband, den Wendelin mir geschenkt hat? Jetzt kann ich jedes einzelne Bild in Ruhe genießen.«

      Anton räusperte sich. »Ähm, den hat der Wendelin wieder mitgenommen«, sagte er.

      »Wie bitte? Warum denn das?«, fragte Kathi erstaunt.

      Jetzt musste ihr Vater mit der Sprache herausrücken. »Weil ich es ihm befohlen habe.«

      »Papa!« Kathi fehlten die Worte. »Warum hast du das getan?«

      »Ich dachte mir, dass du von jemandem wie ihm gewiss kein Geschenk haben willst«, erwiderte er heftig. »Du sollst durch das Buch nicht auch noch daran erinnert werden.«

      Beunruhigt schaute die junge Frau ihren Vater an. »Papa, ich verstehe kein Wort. Woran soll ich nicht erinnert werden?«

      »An das, was der Wendelin dir gestern angetan hat«, grollte Anton. »Wer weiß, was passiert wäre, wenn du dich nicht so tapfer gegen ihn zur Wehr gesetzt hättest.«

      Es dauerte einen Augenblick, bis Kathi begriffen hatte. »Aber, Papa, das war doch nicht der Wendelin!«, rief sie erschrocken. »Er hat mir geholfen und mich verteidigt! Gisbert von Acker ist der Mann, mit dem ich die Auseinandersetzung hatte.«

      »Meine Güte«, ächzte Paul, »bist du dir sicher?«

      »Papa, ich hab mir zwar auch den Kopf gestoßen, aber nicht so, dass ich mein Gedächtnis verloren habe«, erwiderte Kathi heftig. »Was habt ihr nur immer alle mit dem Wendelin?«

      »Mein Mädchen, ich glaube, jetzt ist es höchste Zeit, dass du alles der Reihe nach erzählst«, sagte ihr Vater beunruhigt.

      Das tat Kathi, und Paul Stübl ließ den Kopf hängen. »Mei, da habe ich aber jemandem großes Unrecht getan«, antwortete er langsam. »Ich muss mir gut überlegen, wie ich das wiedergutmachen kann.«

      »Tu das, Papa, das hat der Wendelin verdient. Ich werde ihn jetzt erst einmal anrufen und das