Der neue Landdoktor Staffel 9 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980528
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Gisbert war beeindruckt von ihrer natürlichen Eleganz.

      »Auf einen wundervollen Auftakt deines neuen Lebensjahres«, sagte er und reichte ihr einen Champagnerkelch.

      »Nun, kontrastreich ist dieser Auftakt auf jeden Fall«, antwortete Kathi lächelnd. »Begonnen mit einer Kälbergeburt vor Sonnenaufgang bis hin zum Essen in einem schönen Restaurant.«

      »Den Geburtstag in einem Kuhstall zu beginnen kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Gisbert.

      Kathi musste lachen. »Ich mir bei dir auch nicht, aber für mich gehört es zu meinem Beruf.«

      »Magst du ihn?«, erkundigte sich Gisbert interessiert. Für ihn war es unvorstellbar, als Landwirt zu arbeiten.

      Kathi schaute nachdenklich über die dunkle Fläche des Sternwolkensees, in dem sich das Licht der Sterne zu spiegeln begann. »Ja, ich mag meinen Beruf schon, aber manchmal denke ich darüber nach, wie ein anderes Leben sein könnte. Wie es wäre, von hier wegzugehen und etwas ganz anderes zu tun.«

      »Und warum tust du es nicht ganz einfach? Du bist doch frei und ungebunden«, sagte Gisbert unbekümmert.

      »Ich habe Verantwortung gegenüber meiner Familie und unserem Hof«, erklärte sie ruhig. »Ich kann meinen Vater nicht mit allem allein lassen. Hof und Wirtschaft sind unsere Existenzgrundlage, und nach dem Tod meiner Mutter war es selbstverständlich für mich, dort wieder einzusteigen.«

      »Was hast du denn damals gemacht?«

      »Ich hatte eine Ausbildung als Sprechstundenhilfe bei unserem Landdoktor begonnen, dem Benedikt Seefeld. Als meine Mutter krank wurde, ging es sehr schnell, dass sie auf Hilfe angewiesen war. Ich habe die Ausbildung abgebrochen, Mama und unser Zuhause waren wichtiger.«

      Gisbert sah, wie sich Trauer über ihre Gesichtszüge legte, und er griff sacht nach ihrer Hand. »Das sind schwere Erinnerungen, und dabei solltest du doch heute einen schönen Abend haben«, sagte er leise.

      »Was wäre mein Geburtstag ohne die Erinnerung an meine Mama?«, antwortete Kathi lächelnd. »Außerdem habe ich nie bereut, dass ich dann zu Hause geblieben bin. Ich liebe meine Heimat, auch wenn sie mir manchmal ein wenig eng vorkommt. Siehst du zum Beispiel die beiden würdigen Paare dort drüben rechts neben dem Oleander? Das sind die beiden Vorsitzenden des Landfrauenvereins, Therese Kornhuber und Elvira Draxler mit ihren Ehemännern.«

      Gisbert schaute diskret hinüber und wurde mit unverhohlenem Interesse gemustert.

      »Beim nächsten Einkauf werde ich unter Garantie nach dir gefragt und weshalb ich an meinem Geburtstag mit einem fremden Mann und ganz ohne den Papa ausgegangen bin«, erklärte Kathi.

      »Du meine Güte, du bist doch keine sechzehn mehr«, brummte Gisbert überrascht.

      »Nein, genau doppelt so alt«, lachte Kathi. »Und genau das meine ich: ob man will oder nicht, irgendwie steht man immer unter liebevoller Beobachtung.«

      »Anstrengend«, seufzte Gisbert und schenkte Champagner nach.

      Kathi signalisierte rasch, dass sie nur noch einen kleinen Schluck trinken werde, weil sie noch fahren müsse.

      »Der Abend ist noch lang«, erwiderte er mit weicher Stimme und schenkte das Glas voll. Er dachte an das Hotelzimmer, das auf sie wartete. »Warum solltest du dein Leben nicht ändern können? Für deinen Vater und euren Betrieb wird sich doch eine Hilfe einstellen lassen. Geh nach München und fang ein neues Leben an, wie klingt das für dich?« Er griff wieder nach ihrer Hand und schaute ihr tief in die Augen.

      »Ein bisschen verlockend und ein bisschen verrückt und sehr unwirklich«, antwortete Kathi und winkte die Bedienung an den Tisch, um Wasser zu bestellen. »Ich weiß, dass ich es nicht tun werde, es sind nur Gedankenspiele.«

      »Dann lass uns spielen«, sagte Gisbert und zog ihre Hand an seine Lippen. Er malte das Leben in der Großstadt in den verlockendsten Farben und schwärmte von den Möglichkeiten, die Kathi dort hätte.

      Sie hörte amüsiert und interessiert zu und wusste gleichzeitig, dass das kein Leben für sie war. Freunde waren für sie Menschen, die sie lange kannte und denen sie nicht gerade eben erst auf einer Party begegnet war. Sie brauchte urtümlichen Wald und keine Parks, mochten sie auch noch so schön angelegt sein. Sie brauchte Beständigkeit – und trotzdem war die Aufmerksamkeit schön, die Gisbert ihr schenkte. Kathi genoss seinen Witz, seine Schlagfertigkeit und die Leichtigkeit, mit der er mit ihr flirtete. Er umwarb sie fantasievoll, und sie genoss es. Das Essen, das er bestellt hatte, war hervorragend und das edle, fein-herbe Parfum ein Traum. Kathi fühlte sich auf eine besondere Weise verwöhnt, die sie bisher so nicht gekannt hatte. Es war schön, andere Seiten an Gisbert zu entdecken, die jenseits seiner üblichen Prahlereien lagen.

      Als es fast Mitternacht war, legte er seinen Arm um ihre Schultern und sagte leise: »Dein Tag ist fast vorüber gegangen und ich habe dir noch nicht einmal einen Geburtstagskuss gegeben.«

      Der Glockenschlag der Kirche wehte zu ihnen herüber, als sie leise antwortete: »Dann musst du dich beeilen, damit es wirklich ein Geburtstagskuss ist.«

      Seine Antwort war ohne Worte.

      Eine Weile später waren sie die letzten Gäste auf der Terrasse. In Kathis dunklen Augen spiegelten sich die Flammen der heruntergebrannten Kerzen, als sie leise sagte: »Es war ein sehr schöner Abend, Gisbert, ich danke dir, aber jetzt muss ich nach Hause fahren.«

      »Nein, musst du nicht«, antwortete er und berührte die widerspenstigen Locken, die sich an den Schläfen aus dem samtenen Haarband gelöst hatten. »Wir können hierbleiben, ich habe für uns ein Zimmer reserviert.«

      Etwas in Kathis Augen erlosch, aber das bemerkte Gisbert nicht. Sie spielte nachdenklich mit der Schleife, die um die Parfumschachtel gebunden gewesen war. »Du hast zusammen mit dem Tisch ein Zimmer für uns bestellt?«, fragte sie.

      Gisbert überhörte auch den kleinen Unterton in ihrer Stimme. »Nun ja, warum denn nicht?«, sagte er sorglos.

      Sie schaute ihm genau in die Augen. »Weil ich nicht so leicht zu haben bin«, antwortete Kathi ruhig und stand auf. Sie griff nach ihrer Tasche, aber das teure Geschenk ließ sie auf dem Tisch liegen. »Der Abend war schön, aber jetzt ist er beendet. Ich wünsche dir eine gute Heimfahrt und gute Nacht.«

      Gisbert erhob sich überrascht. »Aber Kathi, so warte doch. Warum willst du denn jetzt schon gehen? Ich glaube, du hast da etwas missverstanden.«

      »Nein, wohl kaum«, antwortete sie gelassen und wandte sich ab.

      Gisbert blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu schauen, wie sie mit geradem Rücken und hoch erhobenem Kopf das Hotel verließ. Mit einem unterdrückten Fluch ließ er sich wieder auf den Stuhl zurückfallen und überlegte, was er jetzt tun sollte. Den Komfort des Hotelzimmers für sich allein nutzen, anstatt jetzt in die rustikale Jagdhütte ohne Badezimmer zurückzukehren? Und sich dem Spott seiner Gäste auszusetzen? Er konnte sich deren Bemerkungen sehr gut vorstellen, wenn er jetzt dort aufkreuzte. Sich das anzuhören, dazu war auch noch morgen Zeit.

      Gisbert beschloss, im Hotel zu bleiben, bestellte eine Flasche Whisky auf sein Zimmer und ließ sich auf das Bett fallen. Im Kopf überschlug er die Kosten für den heutigen Abend. So hatte er sich diese Nacht nicht vorgestellt, und wenn er gewusst hätte, wie sie endete, dann hätte er auch nicht so viel Geld investiert. Anstatt mit Kathi eine heiße Nacht zu verbringen, betrank er sich und tat sich selbst leid.

      Wenn er nicht noch den absoluten Knaller vor sich gehabt hätte, den er für das Ende der Jagdwoche geplant hatte, wäre seine Laune noch viel schlechter gewesen. Gisbert zückte sein Handy und rief seinen Mittelsmann an, der ihm sagte: »Alles klar, Mann, er ist unterwegs und wird übermorgen pünktlich in deinem verschlafenen Nest ankommen.«

      Gisbert grinste. Wenigstens das würde also klappen.

      *

      Kathi hatte in dieser Nacht nicht gut geschlafen, zu viel war ihr durch den Kopf gegangen. Dass Gisberts Interesse an ihr reine Berechnung gewesen war, kränkte sie. Ein teures Parfum, eine Einladung