Der neue Landdoktor Staffel 9 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980528
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erreichst«, sagte ihr Vater aufrichtig.

      Kathi schaute überrascht auf. »Was soll das denn heißen?«

      Paul Stübl musste schlucken. »Das soll heißen, dass man gestern den ganzen Tag und auch abends noch versucht hat, den Wendelin anzurufen. Niemand weiß, wo er ist, er und sein Hund sind einfach verschwunden.«

      »Was? Wer hat denn versucht, ihn anzurufen?«, fragte Kathi alarmiert.

      »Gregor Leutner. Die Polizei wollte sich mit ihm unterhalten«, murmelte Paul unbehaglich.

      Kathi stöhnte auf. »Doch nicht etwa wegen meines Sturzes? Er wird öffentlich verdächtigt?«

      Ihr Vater konnte nur beschämt nicken.

      »Natürlich die Burgl!«, sagte Kathi grimmig. »Mit ihr rede ich sofort, wenn sie hier ist. Bitte schicke sie gleich zu mir, wenn du sie siehst, Papa. Zuerst muss ich mit Wendelin sprechen.«

      Die junge Frau wählte seine Nummer, aber nur die Bandansage antwortete, dass der Angerufene zur Zeit nicht erreichbar sei. Kathi begann, sich große Sorgen zu machen. Sollte Wendelin in einer Art Kurzschlusshandlung Bergmoosbach einfach verlassen haben? Aber wohin sollte er denn gehen? Er war ganz allein.

      Besorgt rief Kathi schließlich bei der Polizeistation an und bat, mit Gregor sprechen zu können. Man sagte ihr, er sei auf unbestimmte Dauer aus dienstlichen Gründen verhindert. Dieselbe Auskunft bekam sie auch im Forstamt, wo eine ähnlich lautende Bandansage lief. Selbst Tierärztin Rieke, die Frau des Försters, war heute nicht in der Praxis.

      Sehr nachdenklich und alles andere als ruhig saß Kathi unter dem alten Birnbaum. Sie fand alles sehr merkwürdig und wünschte sich sehnlichst, das böse Missverständnis aufklären zu können, aber offensichtlich musste sie damit noch warten. Wenn sie nur wüsste, weshalb auch seine Freunde nicht zu erreichen waren.

      Das lag ganz einfach daran, dass alle auf der Lauer lagen, um den LKW mit dem Bären abzupassen und die Jagdgesellschaft hochgehen zu lassen. Erschwert wurde die Aktion dadurch, dass Wendelin sein Handy nicht aufladen konnte. Inzwischen ging die Akkuleistung gegen Null. Er hatte das Mobiltelefon ausstellen müssen, um noch Bescheid sagen zu können, wenn der Transporter mit dem Bären eintraf.

      Die Anrufe gestern hatte er nicht beantworten können, weil das Handy außer Reichweite lag. Jetzt konnte er nichts tun, weil er kaum noch Energie hatte, aber all das wussten weder Kathi noch die übrigen Bergmoosbacher.

      *

      Hinter Wendelin lag eine unruhige Nacht auf dem Fußboden des Holzschuppens. Gefroren hatte er zwar nicht, aber sehr unbequem war es gewesen. Sein Trost war Streuner, der eng an ihn gekuschelt schlief. Wendelin brauchte ihn nicht in sein Versteck zu schicken, weil Gisbert ihn die ganze Nacht in Ruhe ließ. Gegen Mittag brachte man ihm einen Becher Kaffee und Wurstbrote, die er mit seinem Hund teilte. Gisbert selbst hatte ihm das Essen gebracht, um sich zu überzeugen, dass im Schuppen buchstäblich noch alles hinter Schloss und Riegel war.

      Wendelin sah sein höhnisches Grinsen und sagte: »Du weißt schon, dass das hier Freiheitsberaubung ist und dass du dafür zur Verantwortung gezogen wirst?«

      Der andere Mann lachte gönnerhaft. »Ach, Wendelin, wer wird dir schon deine Räuberpistole von einer Bärenjagd und Gefangenschaft im Holzschuppen glauben?«

      Wendelins Hand schloss sich um das Handy in seiner Hosentasche, und er dachte: mehr als du denkst! Er fragte ruhig: »Wisst ihr denn schon Genaueres, wann der Bär hier sein wird?«

      Gisbert grinste triumphierend. »Der Fahrer hat angerufen. In einer Stunde wird er hier sein. Unsere Gewehre sind geladen und über mangelndes Büchsenlicht können wir uns nicht beklagen, gell? Die Jagd beginnt. Ich denke, dass du keine zweite Nacht im Schuppen verbringen wirst. Du bist ein Dummkopf, Wendelin, du hättest zusammen mit uns sehr viel Spaß haben können.«

      »Glaub mir, den habe ich«, erwiderte Wendelin ernsthaft.

      Gisbert lachte auf und verschloss wieder sorgfältig die Tür. Dann ging er zu seinen Gästen, die voller Ungeduld auf das Eintreffen des Transporters warteten.

      Wendelin schaltete sein Handy ein und rief Gregor Leutner an.

      »Alles klar, das Empfangskomitee ist bereit«, antwortete der Polizist grimmig. »Wir verteilen uns im Gelände. Nur noch ein bisschen Geduld, du hast es bald geschafft.«

      »Viel Glück!«, konnte Wendelin noch sagen, dann brach die Verbindung ab. Jetzt war er ganz auf sich gestellt und konnte nur noch warten. Er setzte sich so, dass er durch die vordere Luke die Auffahrt im Auge behalten konnte und legte den Arm um Streuner. »Gut, dass wir zusammen sind«, raunte er ihm ins Ohr. Der Hund stupste seine Nase gegen Wendelins raue Wange und war völlig einer Meinung mit ihm.

      Sie mussten nicht lange warten.

      Bald hörte man Motorengeräusche, und ein weißer Transporter mit rumänischem Kennzeichen fuhr holpernd über den Waldweg. Er hielt im Hof, und der Fahrer stieg aus. Gisbert verständigte sich mehr schlecht als recht mit ihm und wies ihn an, die hintere Tür zu öffnen. Er und seine Gäste blieben in respektvollem Abstand stehen, alle hielten ihre Gewehre in den Händen.

      Mit unbewegtem Gesicht entriegelte der Fahrer die Tür und schlug sie weit auf. Beißender Raubtiergeruch schlug den wartenden Männern entgegen, und sie wichen noch weiter zurück. Das Innere des Transporters war in einen Käfig mit dicken, rostigen Eisenstangen verwandelt. Auf dem Boden befand sich eine dünne Schicht von schmutzigem Stroh. An die Eisenstäbe war ein Wassereimer gelötet, in dem sich noch ein Rest fauliges Wasser befand. Und inmitten dieses Elends hockte ein großer, struppiger Braunbär, der gereizt in das grelle Tageslicht starrte, das plötzlich sein Gefängnis flutete.

      »Der ist aber verdammt groß«, stellte Bernhard beeindruckt fest und wich vorsichtshalber noch einen Schritt zurück.

      »Natürlich, sonst macht es doch keinen Spaß, ihn zu jagen«, antwortete Gisbert forsch.

      »Grüß Gott, meine Herren!«, sagte plötzlich eine energische Stimme in seinem Rücken.

      Gisbert fuhr herum und stand direkt einem Polizisten gegenüber.

      »Was wollen Sie denn hier?«, fragte er völlig überrumpelt.

      »Den Riesenblödsinn verhindern, den Sie und ihre Spezis hier veranstalten wollen«, erwiderte Gregor scharf und nahm Gisbert sein Jagdgewehr aus der Hand.

      Der Mann war immer noch so verblüfft, dass er sich widerstandslos ergab.

      Von der Luke aus beobachtete Wendelin, wie sich Gregors Kollegen um die anderen Männer kümmerten, die immer noch nicht so recht begriffen, wie ihnen geschah. Er sah eine furchtbar zornige Tierärztin, den nicht minder wütenden Förster und einen besorgten Landdoktor auf den Schuppen zukommen.

      »Wendelin, ist alles soweit in Ordnung?«, rief Rieke ihm zu.

      »Ja, sehr!«, rief er erleichtert zurück.

      Die Schuppentür flog auf, und Wendelin und Streuner konnten in die Freiheit zurückkehren. Der Mann war gerührt von der warmherzigen Begrüßung seiner Freunde und überrascht, dass sogar der Landdoktor mitgekommen war.

      »Ich wollte mich gleich selbst davon überzeugen, dass Ihnen nichts passiert ist«, antwortete Sebastian. »Haben Sie etwas dagegen, dass ich Herz und Kreislauf überprüfe? Die Zeit im Schuppen war zwar nicht gefährlich, aber Sie hatten großen Stress.«

      Es ging Wendelin gut, wenn man vom steifen Rücken wegen des Schlafens zwischen Holzklötzen absah, aber das war nur eine Kleinigkeit.

      Unter den verhinderten Jägern gab es Protest wegen des Polizeieinsatzes, aber der verhallte ungehört. Sie würden sich für das verantworten müssen, was sie geplant hatten. Gisbert steckte am tiefsten in Schwierigkeiten. Anstatt sich darauf zu besinnen, ärgerte er sich schwarz, dass seine Pläne durchkreuzt worden waren. Er schaute Gregor aus zusammengekniffenen Augen an und fragte: »Woher wussten Sie, was wir vorhaben? Wie haben Sie nur diese Punktlandung hingekriegt?«

      »Wir hatten sehr gute und zuverlässige