Karl IV.. Pierre Monnet. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre Monnet
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806242737
Скачать книгу
Legende vom jungen Herrscher und frisch gekrönten römisch-deutschen König, der schmählich vom Schlachtfeld flüchtet, ohne dem eigenen Vater beizustehen, wurde schon früh von den Ludwig IV. ergebenen Chronisten kolportiert. Der Vorwurf muss so gravierend gewesen sein, dass Papst Clemens VI. sich veranlasst sah, in einem Brief vom 5. November 1346 zu bekräftigen, durch Karls Wahl sei ein princeps militiae auf den römisch-deutschen Thron gelangt, ein Ritterfürst, der durchaus fähig sei, die Christenheit in die Schlacht zu führen. Vielleicht war Karl ebenfalls daran gelegen, im Nachhinein gegen das böse Gerücht anzugehen, als er in seiner Vita ausführlich seine militärischen Erfolge in Italien aufzählte.

      Dieser tragische 26. August 1346 raubte ihm nicht nur seinen Vater und mit ihm die kostbare uralte Allianz mit Frankreich, sondern fiel ausgerechnet auf den Vortag seiner auf den 27. August angesetzten Krönung. Karl suchte Zuflucht in seiner Grafschaft Luxemburg, denn der Weg ins weit entfernte Böhmen führte zum Teil durch Gebiete, die in der Hand von Gefolgsleuten Ludwigs IV. waren. Trotz allem musste er den vorgesehenen Ablauf bis zum Schluss durchstehen und die Krönung vornehmen, denn sonst wäre seine Königswahl vielleicht ein vergebliches Unterfangen geblieben. Dieser Tatsache war sich auch der amtierende Kaiser wohl bewusst, denn er titulierte Karl weiterhin als „angeblichen Markgrafen von Mähren“, um demonstrativ darauf hinzuweisen, dass er in seinen Augen nicht einmal die Krone Böhmens trug. Auch der Papst begriff, dass Eile geboten war. Zunächst einigte man sich auf eine behelfsmäßige Krönung am 26. November 1346 in Bonn, denn Aachen, das als kaiserliche heilige Stätte mit Thron und Grab Karls des Großen eigentlich angemessen gewesen wäre, war dem Bayern treu ergeben und hielt seine Tore genauso verschlossen wie im Mai Frankfurt als eigentlich üblicher Ort der Königswahl.

      Nach den glückverheißenden Omen, die Karl während des Italienzugs zu erkennen geglaubt hatte, nach seiner Abnabelung vom Vater, nach den ersten recht geschickten Schritten auf dem politischen Parkett Böhmens, die ihn bis an die Stufen des römisch-deutschen Throns geführt hatten, erinnerte ihn das Schicksal nun mit aller Härte daran, wie rasch sich das Blatt wenden kann. Karl lernte daraus offensichtlich, dass er das brüchige Konstrukt, dessen Erbe er nach dem Tod seines Vaters war, möglichst rasch stabilisieren musste. Eine Grafschaft und ein Königreich hielt er in der Hand, der römisch-deutsche Thron war ihm gewiss, wenn auch als Gegenkönig eines regierenden Kaisers, dazu die vage Aussicht auf die Kaiserkrone. Fehlte noch ein männlicher Thronerbe. Im folgenden Jahrzehnt, von 1346 bis 1356, konnte Karl über seinen Rivalen in Deutschland triumphieren, Kronen sammeln, ehrgeizige Pläne schmieden, seinem Königreich eine Verfassung geben, sich in Rom zum Kaiser krönen lassen, seine Hauptstadt Prag größer und prächtiger machen und mit einer neuen Universität ausstatten, die seinen Namen trug. Er schloss zwei Ehen, ordnete Böhmen neu und konnte sich in einem von der Pest entvölkerten und vom Krieg zwischen England und Frankreich zerrütteten Abendland als maßgebliche Instanz etablieren.

      Ein Am König 11. Juli thront.

       1346 wurde Karl zum römisch-deutschen König gewählt und am 26. November desselben Jahres in Bonn gekrönt. Mit Bedacht beschließt er seine Vita mit der Erinnerung an diese beiden Ereignisse: „So schritten die Kurfürsten unverzüglich zur Wahl und wählten den Markgrafen Karl von Mähren unter glücklichen Vorzeichen zum römischen König.“1 Wie wir wissen, war ihm das Glück nicht lange hold. Schlimmer noch: Ende des Jahres 1346 war Karl noch immer nicht König von Böhmen, während Ludwig IV. im Reich fest im Sattel saß und sich damit brüstete, Karl „gleich einem Wurm zu zertreten“. Würde Karl gezwungen sein, einem Mann, der 1322 in der entscheidenden Schlacht seinen damaligen Gegenspieler vernichtend geschlagen hatte, im Kampf entgegenzutreten und sein Leben zu riskieren wie seinerzeit in Crécy? Karl wusste den Papst an seiner Seite, machte sich jedoch keine Illusionen darüber, dass der Heilige Vater gern mehr als ein Eisen im Feuer hatte. Zudem ließ das Scheitern des französischen Aufgebots in Crécy einen langwierigen Krieg gegen den englischen König befürchten, sodass Karls Allianz mit dem Königreich Frankreich vielleicht auf Dauer nicht mehr so üppige Früchte tragen würde.

      Wenn es in der Politik des jungen Königs bis zu seiner Kaiserkrönung in Rom 1355 einen roten Faden gab, dann war es die weitgehende Kontinuität in der Konsolidierung seines eigenen Königreichs. Böhmen bildete unter dem Strich das einzige Standbein, auf das er überhaupt selbst Einfluss ausüben konnte. Er überführte den Sarg seines Vaters nach Luxemburg und kehrte am 1. Januar 1347 nach Prag zurück, blieb dort fast das ganze Jahr über und hielt sich auch danach bis 1353 im Wesentlichen auf seinen Besitzungen im Osten auf. Diese Entscheidung basierte in erster Linie darauf, wie Karl seine Zeit und die Verhältnisse im Reich einschätzte. Nur ein Fürst, der in seinem dynastisch angestammten Gebiet fest etabliert war, hatte in seinen Augen eine Chance, das gesamte Gebilde zu beherrschen. Er merkte, dass die schwierige Lage des Königs von Frankreich auch seine Position schwächte. Eines wusste er ganz genau: Falls er sich gegen den Papst und zugleich gegen die deutschen Reichsfürsten stellte, würde er ebenso scheitern wie alle, die das vor ihm versucht hatten.

      Innerhalb weniger Jahre ergriff Karl eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Macht des Königs und die Ansprüche seiner Dynastie in Böhmen zu untermauern. Dazu musste er zunächst einmal seinem Vater auf den böhmischen Thron folgen. Die Krönungszeremonie bereitete er sorgfältig vor. Schon im Sommer 1347 setzte er von eigener Hand eine neue Krönungsordnung auf, deren Elemente und Rituale er teils in Frankreich, teils im Heiligen Römischen Reich, vor allem aber der přemyslidischen Tradition entlehnte.2 Eine seiner Neuerungen betraf das Kyrie eleison, das nun nicht mehr auf Griechisch, Latein oder Deutsch, sondern auf Tschechisch gesprochen wurde: „Hospodine pomiluj nyi“. Der eigentlichen Krönung ging eine Akklamation voraus, danach erklang der „St.-Wenzels-Choral“, der als ältester bekannter alttschechischer Kirchenhymnus galt.3 Dann bekräftigte Karl die Privilegien, die der böhmische Adel bereits seit der Thronbesteigung Johanns 1311 genoss (Beschränkung von Abgaben auf die vom Lehnswesen vorgesehenen Fälle, Unveräußerlichkeit Böhmens und Mährens, Achtung der Entscheidungen der Adelsstände im Königreich). Am 2. September 1347 erhielt Karl im Prager Dom die ehrwürdige Krone der Přemysliden aus den Händen des Erzbischofs Ernst von Pardubitz, der sein enger Vertrauter und Berater war, die drei aufeinanderfolgenden Gemahlinnen Karls IV. krönte, 1361 seinen Sohn Wenzel taufte und 1363 zum König von Böhmen krönte, Karl 1355 zur Kaiserkrönung in Rom begleitete, bis 1364 an allen großen Reichstagen teilnahm und wichtige Gesandtschaften an den Papst in Avignon sandte. Kein Zufall also, dass Karl diesen Mann 1348 zum ersten Kanzler der neu gegründeten Prager Universität ernannte.

      Von allen Maßnahmen zur Konsolidierung des Königreichs Böhmen hatte diese Stiftung des ersten Studium generale im ganzen Reich herausragenden Stellenwert. Karl dachte dabei an zwei illustre Vorbilder: die 1224 von Friedrich II. für sein Königreich Sizilien in Neapel gegründete Hochschule sowie die Universität Paris, die Philipp II. von Frankreich 1200 ins Leben gerufen hatte und an der Karls Vater Johann als Zehnjähriger studiert hatte. So, wie er während seiner gesamten Regierungszeit eifrig Kronen und Reliquien sammelte, weil er meinte, die Wiederholung bestimmter Rituale untermauere seine Würde als Monarch, stiftete Karl nicht nur in Prag eine Alma Mater. Das Königreich Italien, nach wie vor Teil des Reiches, verdankte ihm die Gründung der Universitäten von Cividale (1353) und Pavia (1361) und die Erhebung der Hochschulen von Perugia (1355), Arezzo (1356), Siena (1357), Florenz (1364) und Lucca (1369) zu kaiserlichen studia generalia. Anlässlich seiner Krönung zum König des Arelat 1365 ergänzte Karl IV. die Liste seiner Universitätsgründungen um diejenigen in Genf und Orange.4 Mit sage und schreibe zehn Hochschulen stellte er einen Rekord auf, den ihm kein abendländischer König oder Fürst streitig machte. Kasimir III. von Polen bemühte sich, es Karl nachzutun, gründete jedoch nur 1364 die Universität von Krakau, Ludwig I. von Anjou 1367 lediglich Fünfkirchen