Karl IV.. Pierre Monnet. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre Monnet
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806242737
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von einer Ordnung in Europa entkräften, nach der den Deutschen die Herrschaft, den Italienern die Geistlichkeit und den Franzosen die Bildung zustünde. Karl IV. versöhnte Wissenschaft und Imperium miteinander. Mit Ausnahme der 1365 gegründeten Universität Wien wurden im Reich erst nach seinem Tod weitere Hochschulen aus der Taufe gehoben: 1379 Erfurt, 1386 Heidelberg und 1388 Köln. In Karls Augen mehrte die Prager Universität nicht nur den Glanz seiner Hauptstadt, die damit nun auf Augenhöhe mit Paris stand. Sie hatte zudem den konkreten Auftrag, gebildete Männer hervorzubringen, die König- und Kaiserreich regieren konnten oder als Verwalter, Rechtsgelehrte und Theologen fähig sein würden, die Heldentaten und die Regierungspolitik des Königs für die Nachwelt festzuhalten.5 Die an den Papst gerichtete Bitte um das Privileg für die Gründung (das nur der Heilige Vater gewähren konnte, was er in einer Bulle vom 26. Januar 1347 auch tat) verfasste Karl IV. entweder eigenhändig oder er machte seinem Kanzler genaue Vorgaben. In der Gründungsurkunde schließlich erläuterte er sein Anliegen wie folgt:

      „[…] auf daß unsere getreuen Untertanen, die unablässig nach dem Genusse der Wissenschaften dürsten, nicht gezwungen in der Fremde um Brocken zu betteln, im Königreich ihren gedeckten Tisch finden und daß diejenigen, die eine angeborene Feinheit der Anlage zu Ratgebern vorbestimmt, sich wissenschaftlich schulen können und nicht einfach genötigt sind, ja es für überflüssig erachten, zur Erwerbung von Wissen den Erdkreis zu durchwandern, fremde Völker aufzusuchen, und damit ihr Verlangen gestillt werde, in fremden Landen zu betteln, sondern daß sie ihre Ehre darein setzen, andere aus der Fremde zum süßen Geruch und zur Teilnahme an solcher Köstlichkeit zu entbieten. Damit nun eine so heil- wie lobesame Empfängnis Unseres Geistes auch rechte Frucht bringe, so wollen Wir mit den frohen Erstlingen der Neuerung den Thron des genannten Königreichs erhöhen und haben mit vorbedachtem zeitigen Rat beschlossen, in Unserer reizvollen Metropolitanstadt Prag, welche die Fülle des Bodenertrags und die anmutige Lage gepaart mit Wohlstand für ein solches Unternehmen zweckdienlich machen, ein Generalstudium einzusetzen, einzurichten und neu zu schaffen. An diesem Studium soll es Doktoren, Magister und Scholaren geben in jeglicher Fakultät.“6

      Abgesehen von den Früchten des Studiums wünschte sich der König eine Universität, deren Glanz weit über Prag hinaus vor allem in das Herz Kontinentaleuropas ausstrahlen und seinem Reich, seiner Stadt Ehre machen sollte. Karls Hofchronist Benesch Krabitz von Weitmühl sah diese Zusammenhänge schon damals genauso: „In Prag gegründet wurde ein solches Studium, wie man es niemals in irgendeinem Teil Deutschlands gesehen hatte; Studenten kamen aus der Fremde dorthin, namentlich aus England, Frankreich, der Lombardei, aus Ungarn, Polen und anderen Nachbarländern […]. Die Stadt Prag wurde auf diese Weise durch die Universität überall im Ausland berühmt und gefeiert.“7 Um dies zu erreichen, mussten Karl und seine Berater das Rad nicht neu erfinden, sie kopierten einfach das glänzende Musterbeispiel jener Zeit: die Universität Paris. Die Gründungsurkunde wurde am 7. April 1348 verkündet und am 14. Januar 1349 ausgefertigt und mit einem goldenen Siegel versehen, das auf der einen Seite Rom, auf der anderen Karl IV. als römisch-deutschen König und König von Böhmen auf dem Thron zeigt. In der Urkunde sichert der König allen Studenten und allen Lehrern, die sich auf den Weg zur Universität Prag machen wollen, freies Geleit unter seinem Schutz auf allen Landstraßen zu, die seiner Gerichtsbarkeit unterstehen. Bezeichnenderweise orientierte sich der Verfasser der Urkunde – Karls Privatsekretär Nicolas Sortes – dabei unmittelbar an Stil und Formalien der Gründungsurkunde der Universität Neapel, die ihm aus der Briefsammlung von Petrus de Vinea bekannt war, dem Kanzler Friedrichs II.8

      Genau wie am linken Seineufer entstanden an der Moldau vier Fakultäten: Theologie, Recht, Medizin und Philosophie. Nach dem Vorbild der Sorbonne von 1257 wurde in Prag 1366 das Collegium Carolinum gegründet, mit den Einkünften aus zwölf Dörfern im Umkreis von Prag dotiert und mit einer Bibliothek ausgestattet, die 140 gelehrte Handschriften umfasste. Wiederum nach Pariser Vorbild führte die Karls-Universität 1369 die Aufteilung und Immatrikulation von Studierenden und Lehrenden in vier nationes ein: Böhmen (einschließlich Mähren und Ungarn), Polen, Bayern (einschließlich Österreich, Schwaben, Franken und dem Rheinland) sowie Sachsen (mit der Markgrafschaft Meißen, Dänemark, England und Schweden).9 Als Karl 1378 auf dem Gipfel seines Ruhms starb, hatten sich in der Universität, die er unter den Schutz des hl. Wenzel gestellt hatte, seit ihrer Gründung bereits insgesamt 7000 immatrikuliert, was bei einer Stadt mit gerade einmal rund 40 000 Einwohnern eine enorme Zahl ist. Bei der Totenmesse für Karl am 15. Dezember 1378 hob der Erzbischof von Prag, Johann Očko von Vlašim, in seiner Trauerrede die Liebe des Kaisers zur Wissenschaft und zu seiner Universität hervor: „Er besaß Sinn für die Wissenschaften. Wie jeder weiß, war er so gebildet, dass er als Gelehrter und Magister der Theologie hätte auftreten können, denn er erklärte die Psalmen verschiedentlich sehr schön, ebenso das Evangelium […]. Er disputierte mit Magistern, Doktoren und anderen Gelehrten. Das ist auch der Grund, warum er die Universität zu Prag und viele Lehranstalten aus der Taufe hob.“ Einige Jahre später griff der hessische Chronist Tilemann Elhen von Wolfhagen in der Geschichte seiner Heimatstadt Limburg, die er zwischen 1378 und 1402 verfasste, das Motiv wieder auf: „Er [Karl] war klug und gelehrt, so daß er die Meisterdispute zu Prag besuchte und sich daran beteiligen konnte. […] Karl regierte und herrschte wie ein Löwe länger als dreißig Jahre […].“10

      Die Universitätsgründung blieb nicht der einzige herausragende Regierungsakt im Jahr 1348. Im März begann der Bau der Prager Neustadt, mit der Karl die Fläche des Stadtgebiets verdreifachte und Prag damit zur drittgrößten Stadt Europas nach Rom und Konstantinopel machte. Parallel dazu nahm er gewaltige Bau- und Sanierungsarbeiten in Angriff. Von der Prager Burg über die königliche Residenz in Vyšehrad, den Veitsdom, das Rathaus und diverse Festungswerke bis zur Heilig-Geist-, Ägidius- und Nikolauskirche – überall waren Arbeiter am Werk. Die rastlose Bautätigkeit war der Stein werdende Wille Karls IV., sein Königreich, wie Frankreich um Paris, um eine Metropole zu einen, die böhmische Chroniken schon seit Cosmas um 1100 als „Herrin von ganz Böhmen“, ab etwa 1350 als „caput regni“ oder auch als „Behem stul und hoep“, Sitz und Haupt Böhmens, feierten. Im Licht der Heiligkeit der Krone und der zentralen Hauptstadt als Hort von Macht und Wissen erhielt Böhmen seine Gestalt als corona Bohemiae, „Krone Böhmen“, die über dem König und einem einzelnen regnum stand. Die neue Identität fußte auf der Verehrung der böhmischen Heiligen, allen voran Wenzel, der auf Ewigkeit zum wahren Eigentümer der böhmischen Krone erklärt wurde. Das 1344 erneuerte Kleinod prangte auf seinem Kopfreliquiar, das Karl eigens für den neuen Dom anfertigen ließ. Unter der Krone Böhmens vereint, galten Schlesien, die Lausitz und sogar Mähren als „Lehen der Könige und der Krone von Böhmen“. Diese Zweiteilung führte die Theorie von den zwei Körpern des Königs – einem sterblichen weltlichen und einem unsterblichen mystischen – in den politischen Diskurs um das Königreich ein.11 In keiner der in seiner Kanzlei ausgefertigten Urkunden verzichtete Karl je auf die Nennung seines Titels Boemie rex neben dem des römisch-deutschen Königs und später Kaisers. Sicher war es auch kein Zufall, dass am Tag der Gründung der Prager Universität auch die Unveräußerlichkeit des Reichsguts verkündet wurde. Die Königswürde wurde nach dem dynastischen Prinzip in männlicher und weiblicher Linie jeweils an das erstgeborene Kind weitervererbt; nur in dem Fall, dass keine Erben existierten, sollten die Landstände ein Mitspracherecht haben. Zur gleichen Zeit belehnte Karl seinen Bruder Johann Heinrich mit Mähren, unter der Bedingung, dass er und seine Nachkommen jeglichen Anspruch auf den böhmischen Thron fallen ließen.12

      Karl IV. durfte sich rühmen, seinem Königreich zu Glanz verholfen zu haben, und wie vor ihm Philipp II. mit Fug und Recht seiner Titulatur das Epitheton „Mehrer des Reiches“ hinzufügen, denn 1348 war ein sehr erfolgreiches Jahr. Die bereits 1335 von Johann und 1339 in den Verträgen von Trentschin und