Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740956721
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sich nicht.

      In Lilly verdichtete sich der Verdacht, dass etwas Schlimmes geschehen war. Ohne sich um die skeptischen Kommentare der anderen zu kümmern, warf sie Wasserflaschen und eine Taschenlampe zum Erste- Hilfe-Kasten ins Auto, gab Athos zu trinken und rief sogar beim Landdoktor an, um ihn zu bitten, sie zur Burgruine zu begleiten. Sebastian Seefeld war nicht nur ein erfahrener Arzt, sondern auch erfahrener Hundebesitzer, und er lachte Lilly nicht aus. Sie hatte einen Verdacht und machte sich große Sorgen, deshalb würde er zur Burg kommen. Erleichtert wegen der Unterstützung machte sich Lilly mit Athos auf den Weg.

      Rautende schaute dem Wagen mit einem liebevollen Kopfschütteln hinterher. Sie machte sich zwar auch große Sorgen um ihren ›Bub‹, aber es tröstete sie, dass Hilfe unterwegs war.

      »Sie ist schon recht, diese Lilly«, brummte Kilian, mehr zu sich selbst als zu Rautende.

      »Gell?«, stimmte die ältere Frau leise zu. »Wie sie sich eben von ihrem Gedanken nicht hat abbringen lassen und sogar den Landdoktor anrufen musste, das hat mich an unsere Sybille erinnert. Die konnte sich auch immer auf ihr Gefühl verlassen und meistens hatte sie recht.«

      »Ja, die Sybille Berger war eine feine Gutsfrau, sie hatte ›Silberwald‹ im Blut, mit allem, das dazugehörte«, antwortete der alte Kilian wehmütig. »Genauso eine ist diese Lilly auch.«

      »Wenn sie nur den richtigen Mann an ihrer Seite hat«, murmelte Rautende kaum hörbar.

      Kilian nickte heftig, tat so, als hätte er nichts gehört, und widmete sich weiter dem Birkenreisig. Rautende verbot sich jeden Gedanken an eine ferne Zukunft und schickte ein Stoßgebet zum Himmel mit der Bitte, dass sie bald eine gute Nachricht von Daniel erhalten würden.

      Inzwischen hatten Lilly und Athos die Burgruine erreicht, wenige Minuten später kam Doktor Seefeld aus der anderen Richtung hinzu. Alamea begrüßte sie aufgeregt, verließ aber nicht ihren Platz direkt unter Daniel. Der Mann wollte zuerst seinen Augen nicht trauen, als er die Autos auf die Burg zufahren sah. Sollte sein Hund es tatsächlich geschafft haben, Hilfe zu holen? Als er eine aufgeregte Lilly aus dem Wagen springen und auf dem Turm zu rennen sah, schossen ihm vor Erleichterung und Dankbarkeit Tränen in die Augen.

      »Daniel! Was ist passiert? Um Himmels willen, sag etwas!«, rief Lilly angstvoll zu ihm hinauf.

      »Es ist nicht so dramatisch, wie es aussieht«, antwortete er heiser. »Der Gurt hat mich aufgefangen, aber ich habe mir wohl die Schulter ausgekugelt. Hat Athos dich geholt?«

      »Ja, aber das erzähle ich dir später. Doktor Seefeld ist auch hier, wir holen dich erst einmal wieder von dort oben herunter!«, schrie Lilly zu ihm hinauf.

      »Meine Güte, auch der Landdoktor? Da hat Lassie ja die ganze Kavallerie geholt«, scherzte Daniel gerührt. Der Schmerz in seiner Schulter quälte ihn immer noch heftig, aber nun wusste er, dass bald ein Ende abzusehen war. Erleichtert verfolgte er, was Lilly und Sebastian Seefeld dort unten zu seiner Rettung unternahmen.

      Zunächst wurde kurz bei Rautende Entwarnung gegeben, dann manövrierten die beiden Retter den Hubwagen zu der Stelle des Turms, an der Daniel festhing. Danach stieg Sebastian in den Korb, den Lilly hinüber zu dem Verunglückten dirigierte. Vorsichtig half der Landdoktor Daniel in den Korb hinein, und Lilly brachte sie sicher zum Erdboden zurück.

      Sebastian untersuchte Daniel und bestätigte dessen Verdacht: das rechte Schultergelenk war aus der Gelenkpfanne gesprungen. Es könnten noch weitere Verletzungen vorliegen, und der Arzt wollte seinen Patienten liegend ins Krankenhaus zu weiteren Untersuchungen bringen lasse.

      Das lehnte Daniel ab. »Doktor, ich bin keine zwei Meter tief gefallen und habe außer der Verletzung der Schulter nur ein paar Hautabschürfungen, als ich gegen die Mauer geprallt bin. Mein Kopf hat nichts abbekommen, weil ich den Schutzhelm trage, und mir geht es gut. Können Sie die Schulter nicht einfach wieder einrenken? Ich möchte so wenig Aufsehen wie möglich, das hier reicht mir völlig.«

      »Bitte, Daniel, sei nicht leichtsinnig«, warnte Lilly und wechselte einen besorgten Blick mit Sebastian Seefeld.

      »Das Krankenhaus ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Ob Sie darauf eingehen oder nicht, ist Ihre Entscheidung, Herr Berger. Natürlich kann ich ihr Schultergelenk wieder einrenken, aber ich bestehe darauf, dass wir das nicht hier, sondern in der Praxis tun. Und ich bestehe auf einer umfassenden, allgemeinen Untersuchung, um eventuelle weitere Verletzungen ausschließen zu können«, antwortete Sebastian bestimmt.

      »Das hört sich doch sehr gut, so machen wir das«, stimmte Daniel erleichtert zu. Er spürte, dass es keine anderen Verletzungen gab, aber allmählich fühlte er sich fix und fertig. Jetzt ins Krankenhaus zu fahren, von der Unfallchirurgie aus weitere Untersuchungen wie Röntgen, Ultraschall, CT oder MRT durchlaufen zu müssen, schreckte ihn ab. Er wollte jetzt nur noch von seinen Schmerzen befreit werden, nach Hause und gemeinsam mit seinen wundervollen Hunden die Ereignisse der vergangenen Stunden verdauen.

      Lilly wären die Untersuchungen lieber gewesen, es hätte sie beruhigt, aber sie konnte auch Daniel verstehen. Sie half ihm ins Auto des Landdoktors und beim Anlegen des Sicherheitsgurts.

      »Den Hubwagen lasse ich von deinen Leuten abholen. Ich fahre mit in die Praxis und warte dort auf dich, und dazu brauchst du gar nichts zu sagen, das ist nicht verhandelbar«, sagte sie energisch.

      »Hatte ich auch gar nicht vor«, antwortete Daniel mit einem leisen Lächeln.

      Der Landdoktor fuhr mit seinem Schmerzpatienten so behutsam wie möglich über den holprigen Waldweg hinunter zur Landstraße, und Lilly lud die beiden Collies in ihr Auto. Dort gab es noch einmal Wasser und die besonderen Leckerli, die ihr Rautende geistesgegenwärtig zugesteckt hatte, ehe sie vom Hof gefahren war: selbstgebackene Leberwurstkekse.

      »So, ihr zwei Helden, jetzt lasst es euch gut gehen, und dann fahren wir zum Landdoktor und holen euer Herrchen nach Hause«, sagte Lilly zufrieden und kraulte den beiden Hunden liebevoll ihre üppigen Mähnen. »Ihr seid einfach unglaublich, wisst ihr das?«

      Athos und Alamea schauten zurück, als wollten sie sagen: doch, das wissen wir.

      Lilly musste lachen, gab jedem der Hunde ein Küsschen auf den langen, eleganten Nasenrücken und fuhr Richtung Bergmoosbach. Sie war unendlich erleichtert, dass nichts Schlimmeres geschehen war, und hatte plötzlich das warme Gefühl, dass alles gut werden konnte.

      Wobei sie lieber nicht zu genau darüber nachdenken wollte, was für sie ›alles‹ bedeutete.

      Die Untersuchung des Landdoktors zeigte, dass sich Daniel tatsächlich keine weiteren Verletzungen zugezogen hatte. Unter örtlicher Betäubung renkte Sebastian das Schultergelenk wieder ein und legte eine Orthese an, um den Arm ruhig zu stellen.

      »Diese Schlinge werden Sie eine bis drei Wochen tragen müssen, damit das Gelenk entlastet ist«, erklärte Sebastian. »Wir sehen uns in einer Woche wieder, dann kann ich sagen, wie weit der Heilungsprozess fort­geschritten ist. Sie bekommen Schmerzmittel mit und sollten sich in der nächsten Zeit schonen. Was Ihren Beruf betrifft, sollten Sie, wenn überhaupt, am Schreibtisch arbeiten und auch das nur mit der linken Hand.«

      »Das werde ich beherzigen«, versprach Daniel und verließ erleichtert das Sprechzimmer.

      Sebastians Vater Benedikt, der ihn während der Rettungsaktion vertreten hatte, steckte kurz seinen Kopf durch die Tür. »Jetzt muss ich mal ganz neugierig fragen: stimmt es, was man sich erzählt? Der eine Collie hat bei Daniel gewacht, während der andere Hilfe geholt hat?«

      »Stimmt, ich habe es selbst miterlebt«, bestätigte Sebastian lächelnd.

      Lilly hatte auf Daniel gewartet und war sehr erleichtert, dass es keine weiteren Verletzungen gab. Sie half Daniel ins Auto und fuhr zum Gutshaus zurück.

      In ›Silberwald‹ wurden sie von Rautende und den anderen Mitarbeitern herzlich begrüßt. Alle Gespräche drehten sich nur um Daniel und seine beiden Hunde. So gut die ganze Anteilnahme gemeint war, wurde sie ihm irgendwann zu viel. Er verzog sich mit Athos und Alamea auf seinen Lieblingsplatz im Garten. Gestützt von einigen Kissen, streckte er sich auf der alten Bank aus