Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740956721
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bester Lassie-Manier Hilfe holen«, scherzte Daniel.

      »In Ordnung, wie sehen uns dann später«, verabschiedete sich der Förster.

      Als Lilly hörte, dass Daniel auf das Kuppeldach wollte, machte sie sich Sorgen. Daniel sah übernächtigt aus und hatte tiefe Schatten unter den Augen, er wirkte alles andere als fit. Sie konnte verstehen, dass er das Dach sofort kontrollieren wollte, aber auch sie hätte es besser gefunden, Daniel wäre nicht allein gegangen.

      »Pass auf dich auf«, bat sie eindringlich. Ihre Hand blieb länger als nötig auf seinem Arm liegen. »Am liebsten würde ich mitkommen, aber ich fürchte, ich bin dir keine große Hilfe, ich habe Höhenangst.«

      »Ich melde mich, sobald ich wieder unten bin«, versprach Daniel. Ihre ehrliche Besorgnis wärmte sein Herz und löschte die abschätzigen Worte seines Bruders aus. Robert hatte spöttisch bemerkt, was Daniel mit seiner hilflosen Kraxelei denn schon erreichen könne, das solle er doch besser dem Fachmann überlassen.

      »Genau der bin ich«, antwortete Daniel beherrscht und stieg nach einem letzten Blickwechsel mit Lilly ins Auto. Er fuhr hinunter ins Dorf in seine Firma, um den Hubwagen und die Profiausrüstung zu holen, die er auf dem Dach brauchen würde.

      Lilly schaute ihm nachdenklich hinterher, dann wandte sie sich mit einer steilen Zornesfalte auf der Stirn zu Robert um. »Warum musst du so abfällig mit deinem Bruder reden? Anstatt zu spotten, hättest du ihm deine Hilfe anbieten können«, sagte sie vorwurfsvoll.

      »Und wobei? Indem ich ihm die Leiter halte?«, erwiderte er gereizt. Es gefiel ihm nicht, dass Lilly sich für die Belange seines Bruders interessierte.

      Die junge Frau ging nicht auf seine höhnische Bemerkung ein. »Vielleicht hättest du das tatsächlich tun können«, erwiderte sie ernst. »Oder dich mit ihm über die Besonderheiten des Kuppeldachs unterhalten. Du bist Architekt und verstehst etwas von Statik. Sollte eine der Verstrebungen beschädigt sein, hätte Daniel sich mit dir beraten können.«

      »Du studierst doch auch Architektur, vielleicht möchtest du lieber selbst dieses Gespräch mit meinem Bruder führen?«, stichelte er weiter.

      Lilly schaute ihn mit einem Blick an, bei dem Robert die Freude am Lästern verging. »Vielleicht werde ich das tun«, antwortete sie ruhig, wandte sich auf dem Absatz um und verschwand im Haus.

      »He, Lilly, warte, so habe ich das nicht gemeint!«, rief er hinter ihr her, aber sie hörte ihm nicht zu. Lilly besprach bereits mit Rautende und dem alten Gärtner Kilian die Aufräumarbeiten. Dann lief sie in ihr Zimmer und zog Jeans und ein altes T-Shirt an. Ohne Robert weiter zu beachten, ging sie in den Wirtschaftshof, wo sich die Leute versammelten, um gemeinsam die Sturmschäden zu beseitigen.

      »Ich scheine hier ja vollkommen überflüssig zu sein«, murrte Robert beleidigt. Er beschloss, hinunter in das moderne Hotel ›Steg-Haus‹ zu fahren und sich trotz der frühen Stunde einen guten Whisky zu gönnen. Unter den Touristen fand sich bestimmt jemand, mit dem man sich über anderes als Sturmschäden, Land- und Forstwirtschaft oder Gebäudeschäden unterhalten konnte.

      Inzwischen hatte Daniel die Burg erreicht und den Hubwagen so nahe wie möglich geparkt. Es gab schlimme Schäden im Forst, aber die Reste der Burganlage hatten standgehalten. Die beiden Collies beobachteten wachsam, wie Robert seine Arbeit vorbereitete und dann in den Korb des Hubwagens stieg. Er gab ihnen den Befehl zu warten und fuhr den Korb dann langsam in die Höhe. Vorschriftsmäßig gesichert begann er die Inspektion des Daches.

      Auf dem Glas und dem umlaufenden schmalen Sims lagen größere und kleinere Äste, Zweige und Unmengen an Blättern, aber die riesigen Glaselemente und die Verstrebungen waren unbeschädigt geblieben. Erleichtert machte sich Daniel an die Arbeit und befreite die Kuppel von dem Grünzeug, das auf ihr gelandet war. Er arbeitete konzentriert und vorsichtig, um nicht den Halt auf dem schmalen Sims zu verlieren. Immer wieder überprüfte er die Glassegmente, nahm Messungen vor und suchte nach Haarrissen. Zu seiner großen Zufriedenheit konnte der Aufprall der schweren Äste keinen Schaden anrichten, sein Meisterwerk hatte seine erste große Bewährungsprobe überstanden.

      Daniel merkte, dass ihn die Körperhaltung, die er vor der gewölbten Front annehmen musste, sehr anstrengte. Er beschloss, eine kleine Pause einzulegen, sich auf den Sims zu setzen und Lilly anzurufen. Sie würde sich sicher freuen zu hören, dass hier alles in Ordnung war.

      Vorsichtig drehte sich Daniel um und wollte sich auf den steinernen Sims setzen, als wie aus dem Nichts ein jagender Habicht aus dem Himmel herabstieß und an ihm vorbei zur Erde raste. Reflexartig fuhr Daniel zusammen, seine Hand, die schon nach dem Handy gegriffen hatte, zuckte hoch, er geriet ins Schwanken – und stürzte ab.

      Da er vorschriftsmäßig gesichert war, stürzte Daniel zum Glück nicht tief, das Gurtgeschirr bremste ihn, aber er war in einem sehr unglücklichen Winkel gefallen und hatte dabei instinktiv mit den Händen nach Halt gesucht. Sein rechter Arm geriet in die Gurte und wurde abrupt nach hinten gerissen. Ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte seine Schulter, und Daniel schrie auf.

      Mit aller Kraft wehrte er sich gegen den Schmerz und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er baumelte hilflos und verletzt in dem Rettungsgeschirr, sein Handy lag nutzlos auf dem Boden, und er konnte nichts anderes tun als hoffen, dass ihn bald jemand fand.

      »Was bin ich für ein Idiot, sie haben mich gewarnt, allein herzukommen«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

      Bei der kleinsten Bewegung trieb ihm der Schmerz die Tränen in die Augen, und er begriff, dass es nur auszuhalten war, wenn er sich möglichst reglos verhielt. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, als er überlegte, wie lange er hier wohl so hängen musste.

      Etliche Meter unter ihm bellten die beiden Collies Alarm. Sie waren durch die plötzliche Bewegung des Sturzes aufgeschreckt und spürten, dass etwas passiert war. Sie rochen Daniels Angst und Schmerzen und waren furchtbar aufgeregt.

      In seiner Not fiel Daniel der Satz ein, den er im Scherz zum Förster gesagt hatte. Sollte es tatsächlich möglich sein, die Hunde Hilfe holen zu lassen? Der Schmerz und die Anstrengung ließen Daniels Stimme heiser klingen. »Athos! Alamea! Lauft! Holt Lilly! Lauft zu Lilly!«, stieß er hervor, so laut er konnte. Er glaubte nicht daran, dass dieses ungeübte Kommando klappen würde, aber was hatte er schon zu verlieren?

      Die Hunde überraschten ihn. Unter den beiden aufgeregten Collies schien eine Art lautloser Verständigung stattzufinden, die sich Daniel nicht erklären konnte. Dann bezog Alamea genau unter ihm Stellung, so nahe wie möglich an der Mauer und ließ ihn nicht aus den Augen. Athos, der größere und kräftigere Rüde, raste in weiten Sprüngen los und verschwand tatsächlich in Richtung ›Silberwald‹.

      »Ihr seid die Besten!«, krächzte Daniel gerührt. Für ihn dehnten sich die Minuten zu Stunden, und in seiner Verzweiflung klammerte er sich an jeden Strohhalm. Und für ihn war das jetzt die absurde Hoffnung, dass das Verhalten der klugen Collies kein Zufall, sondern beabsichtigt gewesen war.

      Für den Weg von der Burgruine zum Gutshof brauchte Athos mit Höchstgeschwindigkeit eine knappe halbe Stunde. Dann jagte er mit fliegender Atmung und hechelnd vor Anstrengung über das Gelände und suchte aufgeregt nach Lilly.

      Sie arbeitete mit anderen Helfern bei den Birken, die Haus und Park umgaben, und suchte Reisig und Äste zusammen. Athos schoss auf die junge Frau zu und bellte, als hinge sein Leben davon ab, und immer wieder versuchte er, nach ihrem Hosenbein zu schnappen.

      Im ersten Augenblick zuckte Lilly erschreckt zurück. Was war nur in den sanften Athos gefahren? Er schien außer Rand und Band zu sein, noch nie hatte er sich so herausfordernd verhalten. Einer der Helfer wollte dazwischen gehen, aber Lilly hielt ihn zurück. Sie hatte plötzlich ein ganz ungutes Gefühl und das bezog sich nicht auf den Hund, den sie keineswegs als gefährlich empfand.

      »Ich glaube, er will etwas von mir«, sagte sie stirnrunzelnd. »Schaut doch nur, er steht unter einer enormen Anspannung, und sonst ist er die Ruhe und Souveränität in Person. Und wo ist Alamea? Die beiden sind doch immer zusammen. Vielleicht ist ihr irgendetwas passiert? Oder Daniel ist etwas geschehen?« Lillys Herz raste, und ihr wurde eiskalt. »Er