Der neue Landdoktor Staffel 8 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740956721
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er nicht einmal zur Beerdigung kommen konnte?«

      »Wie bitte? Zu welcher Beerdigung?«, fragte Lilly überrascht.

      »Zu der unseres Vaters.« Jetzt kippte die Stimme und klang heiser vor Erschöpfung. »Sagen Sie ihm, der Tag ist vorüber, nun braucht er nicht mehr zu kommen.«

      »Was … Ich verstehe nicht«, stammelte Lilly verwirrt, »was haben Sie eben gesagt? Roberts Vater ist heute beerdigt worden?«

      Bei diesen Worten lachte der Mann auf, und es klang, als hätte er lieber geweint. »Ja, Roberts und mein Vater«, wiederholte er. »Sagen Sie meinem Bruder einfach, dass alles so gemacht worden ist, wie ich es vorgeschlagen hatte.«

      Lilly traute ihren Ohren nicht. Die Nachricht war so schockierend und plötzlich gekommen, dass sie Zeit brauchte, um sie richtig zu verstehen.

      »Heißt das, Roberts Vater ist gestorben und bereits beerdigt? Und Sie haben alles allein in die Hand genommen, ohne dass Robert kommen und sich verabschieden konnte?«, fragte sie entsetzt.

      »Nein, das verstehen Sie falsch«, antwortete Daniel. »Gleich nachdem Vater eingeschlafen war, habe ich Robert angerufen und gebeten zu kommen. Er sagte, er könne erst dann kommen, wenn es beruflich möglich ist. Ich glaube, bei Ihnen in Neuseeland war es Nacht, und Robert war wegen eines Geschäfts auf einer wichtigen Cocktailparty.«

      »Ja, ich erinnere mich«, flüsterte Lilly ungläubig.

      »Nun, jetzt hat es sich erledigt. Richten Sie ihm das bitte aus. Leben Sie wohl, Lilly, und viel Glück mit meinem Bruder«, beendete Daniel das Gespräch.

      Erschüttert starrte Lilly auf das schweigende Handy in ihrer Hand. In ihrem Kopf rasten die Gedanken wild durcheinander. Richard hatte vom Tod seines Vaters erfahren und war nicht sofort nach Hause geflogen? Er kannte das Datum der Beerdigung und war selbst dann nicht zurückgekehrt? Und er hatte ihr kein einziges Wort davon erzählt …

      Was sollte sie davon halten?

      Erfrischt und mit seinen Gedanken schon beim nächsten Meeting, kam Robert ins Zimmer zurück und zog sich um. Plötzlich fielen ihm Lillys tiefes Schweigen und ihr prüfender Blick auf.

      »Was ist los? Du schaust mich so seltsam an«, sagte er überrascht.

      »Dein Bruder hat angerufen. Ich soll dir ausrichten, dass heute die Beerdigung gewesen ist«, antwortete sie ruhig.

      Robert seufzte ungeduldig. Es war nicht gut, dass Lilly es auf diese Weise erfahren hatte, aber das war nun nicht mehr zu ändern. Er setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand, aber sie zog sie zur Seite.

      »Ich finde es unglaublich, dass du nicht sofort nach Hause geflogen bist«, sagte sie. »Und auch, dass du mir nichts vom Tod deines Vaters gesagt hast. Wie konntest du das alles deinem Bruder überlassen, ich verstehe das nicht.«

      »Natürlich nicht. Du hast ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern und deinen beiden Geschwistern«, antwortete Robert. »Wärest du so aufgewachsen wie ich, so einsam und abgedrängt, dann könntest du es vielleicht eher verstehen. Du hast mit Daniel gesprochen? Dann hat er sicher gesagt, dass alles so getan worden ist, wie er es angeordnet hat.«

      »Ja, so ähnlich hat er sich ausgedrückt«, bestätigte Lilly.

      »Siehst du? Er wollte mich doch gar nicht dabei haben, ich wäre vollkommen überflüssig gewesen. Daniel weiß sehr genau, was er will. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ihm meine Meinung wichtig gewesen ist!«, sagte er vorwurfsvoll.

      Lilly schluckte. »Das muss schlimm für dich sein«, antwortete sie traurig und legte ihre Wange gegen seine. Er war frisch rasiert und roch nach seinem Duftwasser, herb, edel und sehr vertraut. »Ich kann mir kaum vorstellen, wie sehr. Wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann.«

      »Indem du mir zur Seite stehst«, antwortete Robert rasch, »und mit mir kommst. In einigen Wochen kann ich hier weg und dann will ich nach Bergmoosbach. Du hast noch Semesterferien, wirst du mitkommen?«

      »Natürlich will ich das«, antwortete Lilly ernst. »Ich lass dich nicht allein an einen Ort gehen, an dem du nicht gern gesehen bist.«

      »Mein lieber Schatz.« Robert küsste sie zärtlich und stand dann rasch auf. Es war Zeit für seinen Termin. »Lass uns neben dem Geschäftlichen die Zeit hier in vollen Zügen genießen. Um Bergmoosbach und die schlechten Erinnerungen können wir uns später kümmern.«

      *

      Rautende schaute verstohlen zu dem Mann hinüber, der für sie immer noch ›der Bub‹ war. Daniel sah müde aus, und sie konnte ihm anmerken, dass er sich sehr zusammenriss, um im Alltag gut zu funktionieren. Die Beerdigung lag nun einige Wochen zurück, aber noch war nicht der normale Alltag eingekehrt. Daniel wollte nichts im Haus ändern und die Dinge seiner Eltern aussortieren, ohne dass sein Bruder heimgekommen war. Robert sollte genau wie Daniel entscheiden können, was als Erinnerungsstücke an die Familie behalten wurde und was sie weggeben wollten.

      Sie wusste, dass Roberts Lieblingsessen früher der klassische Zwiebelrostbraten mit Semmelknödeln gewesen war, und den hatte sie vorbereitet. Falls die junge Frau Vegetarierin war, konnte schnell ein frischer Gemüseauflauf in den Ofen geschoben werden. Zum Nachtisch sollte es Bayerische Creme mit Himbeersauce geben.

      Die meisten Lebensmittel stammten vom Gutshof, aber das eine oder andere musste noch im Dorf besorgt werden. Daniel wollte noch Wein mitbringen, einige Gewürze und einige neuerschienen Bücher, die er seiner Familie auf den Nachttisch legen wollte. Er griff nach Rautendes Einkaufszettel und nickte ihr zu.

      »Fällt dir noch etwas ein, was du haben möchtest? Ich fahre jetzt los«, sagte er zu ihr und stand langsam vom Küchentisch auf.

      »Ich kann auch gern selbst fahren«, antwortete Rautende rasch. »Dann hast du noch ein wenig Zeit für dich, ehe sie kommen.«

      Du solltest dich ausruhen, leg dich doch ein halbes Stündchen hin, du hast in der letzten Zeit mehr als genug getan, dachte sie im Stillen.

      Daniel gelang ein Lächeln. »Wir erwarten keinen Staatsbesuch, sondern Familie«, antwortete er. »Und du musst mich nicht wie ein rohes Ei behandeln. Ich bin nicht krank, nur etwas müde von den Anstrengungen der letzten Zeit. Es war nicht leicht, den Betrieb in der Tischlerei wie gewohnt am Laufen zu halten. Ich wollte den Auftrag von Lena Bräuer nicht verzögern. Du weißt, dass sie es gerade in dieser Zeit nicht leicht gehabt hat.«

      »Bub, es ist ja aller Ehren wert, dass du dich auch noch um Lena mit ihrem Herzenskummer und der Zwillingsschwangerschaft gesorgt hast, aber wann denkst du eigentlich mal an dich?«, sagte Rautende mit einem liebevollen Kopfschütteln.

      Daniel lachte leise, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und fuhr vom Hof, um die nötigen Besorgungen zu erledigen. Im Grunde seines Herzens wusste er, dass Rautende recht hatte. Daniel merkte selbst, dass ihm die Arbeit nicht mehr so leicht wie früher von der Hand ging. Das ärgerte ihn, denn er war erst Mitte Dreißig und viel zu jung, um kürzerzutreten. Er müsste einfach wieder mehr Sport treiben, die Gewichtszunahme der letzten Zeit war nicht gut. Obwohl er nicht mehr aß als sonst, hatte er einige Kilo zugelegt. Wenn erst einmal die letzten Dinge auf ›Silberwald‹ geregelt waren, würde er auch wieder mehr Zeit haben. Und wer weiß, vielleicht ergab sich die Gelegenheit für die eine oder andere Joggingrunde zusammen mit Robert entlang des Sternwolkensees.

      Während Daniel in Bergmoosbach die letzten Einkäufe erledigte, nahmen Robert und Lilly am Flughafen den bestellten Mietwagen entgegen. Robert lebte in Lugano im Tessin, und von dort war das Paar nach München geflogen.

      Die junge Frau hatte versucht, von Robert mehr über sein Zuhause zu erfahren, aber Robert war wortkarg geblieben. Zu ihrer Verwunderung besaß er keine Erinnerungsstücke an daheim und nur ein einziges Foto, welches das Gutshaus zeigte.

      Es war ein eingeschossiges, schön gegliedertes Haus mit einem altmodisch geschwungenen Mansarddach. Hohe Fenster mit grünen Läden unterteilten harmonisch die weiße Fassade, und eine kurze Freitreppe führte hinauf zur dunkelgrünen Haustür. Alle Wohnräume lagen auf einer Ebene, im Souterrain mit den vielen kleinen