Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
Скачать книгу
fliegst raus. Adams tat wie ihm geheißen, krempelte das Team komplett um, kam auf Rang zwei der Vorrunde und in den Play-offs bis ins Halbfinale. Die letzten Spiele waren binnen Minuten ausverkauft, Detroit hatte sich endlich in sein Eishockey-Team verliebt.

      Hinzu kam eine weitere gute Nachricht: Die Ottawa Senators waren zurückgekehrt, die Liga hatte wieder neun Teams. Doch besser wurde es nicht. Nach nur zwei Jahren verließen die Senators die kanadische Hauptstadt endgültig und wechselten nach St. Louis. Also in die Stadt, die den NHL-Bossen einige Jahre zuvor noch zu abgelegen war. Das neue Team nannte sich Eagles, hatte aber keinen Erfolg. Im ersten Jahr wurde es sang- und klanglos Letzter. Weil es auch finanziell nicht klappte, löste man das Team gleich wieder auf. Die ruhmreiche Geschichte des siebenfachen Stanley-Cup-Siegers aus Ottawa war ohne einen Funken Glamour zu Ende gegangen. Und schon bestand die NHL nur noch aus acht Teams.

      Ähnliche Probleme gab es ein Jahr später in New York und Montréal. Während sich die Teams aus Detroit und Chicago etablierten und erste Meisterschaften gewannen – die Black Hawks holten 1938 bereits ihre zweite –, ging es dort, wo sich zwei Teams eine Stadt teilen mussten, bergab. Die größten Probleme hatten die New York Americans. Das lag nicht nur daran, dass die Rangers längst die Nummer eins der Stadt waren, sondern auch daran, dass die Prohibition fiel und Besitzer William „Big Bill“ Dwyer die Einnahmen aus seinen illegalen Alkoholgeschäften wegbrachen. Zudem hatte er Steuerschulden in Millionenhöhe, die das Finanzamt nun scharfstellte. Teilweise wurden die Spieler von New Yorks erstem NHL-Klub nicht mal mehr bezahlt. Also musste der Unterweltboss das Team schweren Herzens aufgeben, die Liga selbst übernahm die Geschicke der Americans.

       In Montréal ist nur noch Platz für ein Team

      In Montréal standen lange Zeit eher die Canadiens vor dem Aus. Die Maroons waren 1935 sogar noch mal Meister geworden. Trotzdem wurden die Stimmen immer lauter, die sagten, für zwei Teams sei kein Platz in der Stadt. Alles rechnete mit dem Aus der französischsprachigen Canadiens, deren Besitzer öffentlich über seine hohen Verluste klagte. Zudem waren die Frankokanadier ohnehin strukturell benachteiligt in der Gesellschaft. Ihnen das Team wegzunehmen, hätte in den höheren Kreisen der Stadt für weniger Probleme gesorgt. Doch die Habs wurden gerettet, ganz zur Freude der Arbeiterschaft in den ärmeren Gebieten der Stadt, die seit jeher die Basis des Vereins gebildet hatte.

      Anders erging es den Maroons: 1938, nur drei Jahre nach ihrem zweiten Stanley-Cup-Gewinn spielten sie ihr letztes Spiel. Im Sommer desselben Jahres beschloss die NHL auf ihrem üblichen Treffen das Aus des Teams. Die Besitzer hatten zwar noch versucht, die Maroons zu verkaufen, es soll auch Interessenten aus Cleveland und erneut aus St. Louis gegeben haben, aber letztlich wurde nichts davon konkret. Die Maroons mussten aufgeben, sie waren sportlich abgesackt und nicht mehr zu finanzieren.

      So endete die Geschichte der englischsprachigen NHL-Teams aus Montréal. Und mit ihr die zeitweise wilden Derbys, die nicht nur auf dem Eis hoch hergingen. Immer wieder hatte es wüste Ausschreitungen zwischen den Fangruppen gegeben, die das Spiel als Kampf der Kulturen definierten. Die beiden Bevölkerungsgruppen hatten im Alltag wenig bis keine Berührungspunkte, die Englischsprachigen fühlten sich überlegen, die Französischsprachigen sahen über den Sport eine Möglichkeit, es den anderen zu zeigen. Trafen sie nun in der Halle aufeinander, konnten sich die gesellschaftlichen Spannungen schnell entladen. Doch als beide Klubs sportlich immer schlechter wurden und selbst von den Emporkömmlingen aus Chicago und Detroit abgehängt wurden, blieben die Zuschauer weg. Es konnte nur eine Mannschaft überleben, und das waren überraschenderweise die Canadiens. Als die NHL im Herbst 1938 auf ihre 22. Saison zusteuerte, waren nur noch sieben Vereine übrig, was eine Neuorganisation der Liga zur Folge hatte.

      Die kanadische Regionalgruppe war nach dem Aus von Senators und Maroons obsolet geworden. Folglich spielten die sieben übrig gebliebenen Teams gemeinsam in einer Division, die die Boston Bruins von Beginn an dominierten und letztlich souverän gewannen. „Sie waren das beste Team, das ich je gesehen habe“, hat Trainer und Manager Art Ross einmal gesagt. Doch eben jener Ross zog trotzdem den Hass der Leute auf sich. Er hatte Startorhüter Cecil Thompson, einen vierfachen Goalie des Jahres, für 15.000 Dollar nach Detroit verkauft. Wochenlang verging kein Tag ohne Dutzende Leserbriefe an die lokalen Zeitungen, in denen Ross beschimpft wurde. Manche störten sich gar an der Herkunft von Thompsons jungem Nachfolger Frank Brimsek. „Slawen haben nicht das Temperament, um Torhüter zu sein“, schrieb ein erboster Fan.

      Den rassistischen Angriffen zum Trotz entwickelte sich Brimsek binnen weniger Wochen zum neuen Publikumsliebling. Möglich machten das sechs Shutouts in Folge. „Schnell wie eine Katze“ sei dieser Rookie-Goalie, sagte Rangers-Trainer Lester Patrick staunend, „ihn zur ersten Bewegung zu bringen ist wie der Versuch, das Washington Monument zu verschieben“. Fortan trug der angeblich nicht zum Goalie taugende Slawe Brimsek den Spitznamen „Mr. Zero“.

      Weniger Monate später reckten die Bruins ihren ersten Stanley Cup seit mehr als zehn Jahren in die Höhe. Möglich machten das Mel „Sudden Death“ Hill, der alleine im Halbfinale gegen die Rangers drei Overtime-Tore erzielte, und eben jener Frank Brimsek. Nach dem entscheidenden Sieg über Toronto stürmten die Zuschauer im Boston Garden auf das Eis und trugen ihren neuen Torwart auf den Schultern durch die Halle.

      Aber wie immer in den wilden ersten Jahrzehnten der NHL folgte nach der Party der Kater. Nur wenige Wochen später war es wieder vorbei mit der guten Laune, und erneut waren es die weltpolitischen Umstände. Das deutsche Terrorregime hatte seine Armee in Polen einmarschieren lassen und damit begonnen, ganz Europa ins Chaos zu stürzen. Kanada als Teil des britischen Commonwealth befand sich fortan im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland, was vor allem das wirtschaftliche Leben des Landes prägen sollte, das langsam auf Kriegsindustrie umstellte. Die NHL entschied auf ihrem jährlichen Treffen dennoch, die Saison ganz regulär starten zu lassen, die USA, wo fünf der sieben Klubs beheimatet waren, waren ja noch nicht in den Krieg eingetreten.

      Traurige Nachrichten anderer Art gab es für die Montréal Canadiens: den überraschenden Tod von Babe Siebert. Der ehemalige Spieler, der nun zum ersten Mal Trainer sein sollte, starb in der Sommerpause bei einem Badeunfall. Er wurde nur 35 Jahre alt. Also veranstaltete die NHL zum dritten Mal ein Allstar-Game, die Einnahmen schickte die Liga an Sieberts Familie. Sportlich war den Canadiens allerdings nicht zu helfen, sie erlebten die bitterste Saison ihrer Geschichte und wurden abgeschlagen Letzter. Zwischendurch blieben sie 15 Heimspiele in Folge ohne Sieg, zum Ende verloren sich kaum noch 4000 Zuschauer in ihrer Halle. Es war der Tiefpunkt nach Jahren des Niedergangs. Nicht nur das Management wechselte zu häufig, auch auf und hinter der Trainerbank gab es keine Konstanz.

Image

      Howie Morenz, die Ikone der Montréal Canadiens, starb mit nur 34 Jahren.

      Bereits 1937 war Superstar Howie Morenz gestorben. Das jahrelange Gesicht des Vereins war in einem Spiel gegen Chicago gegen die Bande gekracht und hatte sich das Bein mehrmals gebrochen. Wochenlang lag er im Krankenhaus. Er verließ es nicht mehr und starb an einem Herzinfarkt nach einer Embolie. Ganz Montréal trug Trauer, 250.000 Menschen standen am Straßenrand, als der Sarg durch die Stadt gefahren wurde. Es dauerte Jahre, ehe sich die Canadiens davon erholten. Mehrmals wurde gar über das Ende des letzten Gründungsmitglieds diskutiert, weil teilweise weniger als 2000 Zuschauer kamen. Erst mit der Verpflichtung des jungen Toe Blake ging es langsam wieder bergauf.

      Ganz anders war die Laune bei ihrem größten Konkurrenten. Seit dem Ende der Maroons wurde die Rivalität zu den Bruins immer größer. Da passte es ins Bild der leidenden Canadiens-Fans, dass das verhasste Team aus Boston am Ende der Regular Season zum dritten Mal in Folge ganz oben in der Tabelle stand. Das lag vor allem an ihrer gefürchteten Sturmreihe mit Milt Schmidt, Woody Dumart und Bobby Bauer, die die Plätze eins, zwei und drei der Scoringliste belegten. Die drei Jungs aus Kitchener in Ontario hatten deutsche Wurzeln und wurden als „Kraut Line“ berühmt. Im Laufe des Kriegs, als die Stimmung gegen Nazi-Deutschland kippte, nannten sie sich in „Kitchener Kids“ um, erst nach dem Krieg, in dem sie auf kanadischer Seite gegen das Land ihrer Vorfahren kämpften, wurden sie wieder die „Kraut Line“.

      Für die Titelverteidigung reichte es dennoch nicht. Am Ende der Saison 1939/40 jubelten die