Kalte Liebe. Heike Rommel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heike Rommel
Издательство: Bookwire
Серия: Bielefelder KK11
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954415496
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wehten Fetzen einer fremden Sprache zu ihnen herüber. Nina tippte auf Arabisch.

      »Charlotte Campmann wohnte gleich nebenan.« Roman deutete auf das benachbarte Hochhaus. Die Jugendlichen starrten sie an. Ob die ahnten, dass sie von der Polizei waren? Oder lag es an dem Cabrio? Roman hatte es sich nicht nehmen lassen, ihr seinen Oldtimer vorzuführen, also waren sie statt mit einem Dienstwagen mit seinem Citroën gefahren. Er schien sie damit beeindrucken zu wollen. Und sie musste zugeben, der Wagen bewies Geschmack, very stylish, diese hellbraunen Ledersitze. Außerdem war Roman Nolte ein mutiger Mann: sein schickes Cabrio mitten in einem sozialen Brennpunkt zu parken …

      Nina klingelte, doch die Haustür war nur angelehnt. Sie machte Licht in dem schmucklosen Flur, und sie stiegen die Treppe hoch. Im dritten Stock öffnete ihnen eine pummelige, ganz in Schwarz gekleidete junge Frau die Tür. Sie trug ebenfalls Undercut, nur dass ein Teil der langen, blonden Tolle, die ihr ins Gesicht fiel, leuchtend grün gefärbt war.

      »Miriam Breipohl?« Nina zeigte ihren Polizeiausweis.

      Die junge Frau nickte, trat zurück, und sie folgten ihr in den Flur. Durch eine halb offene Tür flackerte bläuliches Licht, Stimmen waren zu hören, dann mehrere Schüsse. »Sind Sie Krimifan?«, fragte Nina.

      »Nee, ich nicht, meine Mutter.« Miriam führte sie in eine Küche. Sie nahmen am Küchentisch Platz.

      »Miriam?« Eine Frau, die Ende vierzig sein mochte und trotz ihres Alters deutlich schlanker als ihre Tochter war, steckte den Kopf durch die Tür. »Sie hatten angerufen, nicht? Miriam, hast du dem Herrn und der Dame von der Polizei nichts angeboten? Möchten Sie etwas trinken? Kaffee oder …?«

      »Nein danke«, sagte Roman.

      »Vielen Dank, aber … alles gut«, versicherte Nina.

      »Schreckliche Geschichte! Charlotte war oft bei uns, früher jedenfalls … Und die arme Marianne! Ich war schon drüben, um ihr mein Beileid auszusprechen. Schlimm, was heutzutage …«

      »Vielleicht kann Ihre Tochter uns bei der Suche nach dem Täter weiterhelfen.« Roman lächelte verbindlich, aber es war deutlich, dass er Mutter Breipohl loswerden wollte. »Miriam, war Charlotte eine gute Freundin von dir?«

      Miriam spielte mit ihrem Nasenpiercing. »Ja, früher.«

      »Charlotte ist nämlich ewig nicht mehr hier gewesen«, erklärte Frau Breipohl. »Die beiden haben schon lange nichts mehr miteinander zu tun.«

      Nina überlegte. Wollte Frau Breipohl ihre Tochter aus der Ermittlung raushalten?

      Roman fixierte Miriams Mutter. Seine Augen wurden schmal.

      Frau Breipohl blinzelte. »Wenn … falls Sie noch Fragen an mich haben, ich bin im Wohnzimmer.« Als keine Antwort folgte, nickte sie ihnen zu und verschwand in den Flur.

      »Stimmt das? Dass Charlotte und du nichts mehr miteinander zu tun hattet?«, fragte Nina.

      »Es war nicht mehr so wie früher, als wir uns ständig WhatsApps geschrieben haben, oder wir waren zusammen. Ich wusste früher, was abging bei ihr. Die gleiche Scheiße wie bei mir.«

      »Und was war das, was da … bei euch abging?«, fragte Roman.

      »Für die aus unserer Klasse waren wir nur die beiden aus dem Brennpunktviertel. Die Prolls sozusagen. Wir haben beide keinen Vater, mit dem wir angeben können. Also mein Vater hat ja ein Bauingenieurunternehmen.« Sie äffte einen gezierten Tonfall nach. »Und mein Vater ist Chefarzt und mein Vater … blablabla und dann geht’s im Winter da und da hin zum Snowboarden und im Frühjahr zum Shoppen nach New York … blablabla und von welcher Marke sind eigentlich deine Klamotten, ach, von der habe ich noch gar nichts gehört, sag mal, kaufst du den Schrott etwa bei Kik ein, oder wie?«

      »Ihr wurdet ausgegrenzt?«, fragte Nina.

      »Bei ihr war’s schlimmer. Ich steh sowieso nicht auf schöne Kleidchen und so was, ist mir zu angepasst. Für mich war immer klar, ich passe da nicht rein. Die haben das von mir gekriegt!« Sie zeigte die Faust mit ausgestrecktem Mittelfinger. »Ich hab mir andere Freunde gesucht, nicht solche, die sich von Mama mit dem Mutti-Panzer in die Schule kutschieren lassen, sondern solche mit politischem Bewusstsein! Aber Charly hatte es echt schwer.«

      »Mutti-Panzer?« Nina schmunzelte.

      »Na, Sie kennen doch diese Helikopter-Muttis, die am liebsten einen fetten Geländewagen fahren, als wären sie in der Wüste Gobi unterwegs oder was.«

      »Hatte Charlotte Feinde in der Klasse?«, fragte Roman.

      Miriam straffte sich. Ihre Augen funkelten. »Kann man wohl sagen. Das Oberarschloch Vincent und seine Unterarschlöcher! Die haben sie gemobbt!«

      Um Romans Mundwinkel zuckte es. »Hat Vincent auch einen Nachnamen, oder heißt er nur Oberarschloch?«

      Miriam zog eine Grimasse. »Oberarschloch reicht bei dem! Die haben ihren Kopf auf die Körper von Pornoqueens montiert und die Bilder im Internet verbreitet. Von wegen, was sie für eine Schlampe wäre. Das ging in der ganzen Schule rum.«

      Nina schüttelte den Kopf. »Und wieso? Weil sie Sachen von Kik trug?«

      »Quatsch, Charly konnte eigentlich anziehen, was sie wollte, sie sah immer super aus. Vincent, das Obera… Spiekerkötter hat sie angebaggert, und sie? Sie hat es gewagt, ihn abblitzen zu lassen. Ihn, den angesagten König der Klasse, den geilen Supersportler, immer Teil vom neusten heißen Scheiß. Der mit dem allercoolsten Vater überhaupt.«

      »Und dieser Alphajunge hat ihr das nicht verziehen?«, fragte Roman.

      »Er nicht und seine Clique auch nicht. Und der Rest der Klasse hatte sie auch auf dem Kieker. Die Mädels waren alle neidisch, weil sie so gut aussah, und die Jungs wussten, dass sie bei ihr nicht landen konnten.«

      Roman grinste. »Und – warst du nicht auch neidisch, dass sie so gut aussah?«

      »Ich …« Miriam wurde rot und strich sich die grüne Haarsträhne aus dem Gesicht, die sofort wieder zurückfiel. »Ich mag Charly sehr, also eigentlich …« Sie knabberte an ihrem Lippenpiercing. »Also Charly ist ja ’ne Heterobraut, aber ich …«

      »Du nicht, verstehe«, sagte Nina.

      »Charly wollte immer nur dazugehören. Aber nach Silvester war sie lange krank und hatte plötzlich keine Lust mehr auf die Klasse, was ich sehr gut verstehen kann. Sie erzählte mir, sie würde am liebsten die Schule wechseln, aber ihre Mutter fände das nicht gut. Ich glaube, sie hat später neue Leute außerhalb der Klasse gefunden. Wir haben uns dann auch nur noch selten gesehen.«

      »Wenn Charlotte dazugehören wollte, wäre dann dieser Vincent nicht der Eintritt dazu gewesen?«, fragte Nina.

      »Charly stand nicht so auf Jungs.«

      Nina hob fragend die Brauen.

      »Auf gleichaltrige, meine ich. Manchmal denke ich, die hat auf ihren Retter gewartet, der sie aus allem rausholt, aus dem hässlichen Hochhaus, aus diesem blöden Viertel, aus unserer Arschgeigen-Klasse. Der Märchenprinz oder so. Eventuell lag es daran, dass sie so superhübsch war.«

      Nina beugte sich vor. »Wie meinst du das?«

      »Na, dass sie dachte, sie hätte was Besseres verdient. Haben wir wohl alle, aber nicht alle machen sich Illusionen. Sie hat vom tollen Leben fantasiert, ein Leben, in dem sie sich kaufen könnte, was sie wollte, leben, wie sie wollte, schickes Haus, teure Urlaube, ein Supertyp an ihrer Seite, der für sie sorgt. Darum ging es.«

      »Gab es denn so einen Mann in ihrem Leben? Älter, womöglich wohlhabend?«, fragte Nina.

      Miriam zögerte. Sie knibbelte am Lack ihrer schwarz lackierten, kurzen Fingernägel. »Sie hat mal so was durchblicken lassen, aber sie hat mir nicht verraten, wer das ist. Eventuell hätte sie das, wenn sie zu unserer Verabredung gekommen wäre. Wir hatten uns nach längerer Zeit mal wieder verabredet.«

      »Aha? Und für wann hattet ihr euch verabredet?«, fragte Roman.

      »Für