Frank sah auf und nickte brav. Klaus hüstelte und runzelte leicht die Stirn. Frank setzte sich zu ihr und atmete ihr leichtes Parfüm ein. Er hielt eine Sekunde lang den Atem an, als würde er es in sich bewahren wollen.
»Rechnest du jetzt Renates Horoskop aus?«, versuchte Klaus zu scherzen.
Er fühlte ein Unwohlsein in sich aufsteigen, ähnlich der Missstimmung, wenn man von einem gemeinsamen Spiel ausgeschlossen wird. Er sprang plötzlich auf, überlegte kurz und stellte sich hinter Frank, um der Versuchung zu widerstehen, auf Renate hinabzuschielen. Renate sah inzwischen auf den Zettel, den ihr Frank zugeschoben hatte. Er erinnerte sie an ein Telegramm, sie neigte ratlos den Kopf und stupste Frank in die Seite.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
Nur zu gerne, dachte Frank und öffnete sein glänzendes Gesicht wie zu einer frohen Botschaft.
»Würde ich nicht wagen. Das ist ein kleines Computerprogramm. Der Rechner kann damit dein Idealgewicht errechnen.«
»Na toll«, meldete sich Klaus von hinten.
Renate rutschte eine Idee näher zu Frank hin, der mit glühenden Wangen seinen Zettel festhielt. Eigentlich gefällt mir der Klaus genauso gut wie sein verschrobener Freund aus dem Rechenzentrum, hatte sie beim Schnitzel konstatiert. Klaus scheint in dem Gespann Tempo und Richtung vorzugeben. Ein Draufgänger, aber mit guten Manieren und ausgeprägten Emotionen, vermutete sie nach einem taxierendem Seitenblick. Kommt mir irgendwie kindlicher als sein Freund vor. Der kommt sicher langsamer auf Touren, ist dafür wahrscheinlich ausdauernder. Es machte jedenfalls Spaß mit den beiden in der Sofaecke.
»Nun lüfte mal das Geheimnis über meine Pfunde«, sagte sie vergnügt und lehnte sich entspannt zurück.
Klaus in ihrem Rücken kam es so vor, als würde sie gleich zu ihm hinaufblinzeln.
»Hier stehen untereinander die Befehle für den Rechner«, begann Frank leise zu sprechen.
»REAL gewicht, grösse. Diff
WRITE (*, 100) ›Geben Sie Ihr Gewicht in Kilogramm ein:‹
READ (*,*) gewicht
WRITE (*, 100) ›… und Ihre Größe in Metern:‹
READ (*.*) grösse
Diff = gewicht – 90.* (grösse-1.)
WRITE (*,*) ›Ihre Abweichung vom Idealgewicht beträgt, diff,*‚ Kilogramm‹.«
Frank verstummte, als er Renates Atem spürte, er glaubte für einen Augenblick, sie wäre an seiner Seite eingeschlummert. Peter tauchte aus der Küche auf und sah zu ihnen hinüber. Sie gaben ein merkwürdiges Bild ab, wie Verschwörer, die einen Plan aushecken. Renate bemerkte ihn und richtete sich auf.
»Peter, guck mal, der Frank errechnet gerade meine Idealmaße!«
Peter gesellte sich mit langsamen Schritten zu ihnen. Er ließ sich auf das leere Sofa fallen und gähnte herzhaft.
»Was machst du, Frank?«
»Nichts Besonderes, deine Frau bat mich, ihr meine Arbeit zu erklären. Da habe ich ein einfaches Rechnerprogramm aufgeschrieben. Reiner Jux, mir fiel nichts Besseres ein.«
»Zeig doch mal«, bat Peter mit müder Stimme und schob einen Arm nach vorn, ohne sich aufzurichten.
Frank schob seinen Zettel über den Tisch. Renate spitzte die Lippen, als würde sie gleich ein Liedchen anstimmen.
»Ich will das aber auch verstehen«, protestierte sie wie ein trotziges Mädchen und schüttelte mit gespielter Entrüstung den Kopf.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Frank ruhig. »Wir müssten jetzt das Gewicht und die Größe eintragen, nehmen wir mal an, 75 Kilogramm.«
»Nee, also mal langsam, ich bin doch nicht dick«, unterbrach sie ihn.
»Natürlich nicht«, sagte Frank und kam nicht umhin, seinen Blick über ihre Taille wandern zu lassen. »Ist ja nur ein Beispiel. Also 75 Kilo bei einer Größe von 175 Zentimetern, der Rechner würde für diesen Fall eine Abweichung vom Idealgewicht in Höhe von siebeneinhalb Kilogramm errechnen.«
Renate sah auf Frank, als hätte er soeben einen Zaubertrick vorgeführt. Peter kämpfte gegen die Müdigkeit an und nickte wie selbstverständlich.
»Renate, nun verstehst du, was wir tun: Frank kriegt die Patientendaten, lädt das Programm, und schon spuckt der Robotronrechner die Patienten aus, die ich unters Messer nehmen soll«, erklärte er wie im Halbschlaf.
Klaus lachte etwas zu laut auf, sah hinüber zu Peter, der halb im Sofa lag, und beschloss kurzerhand, sich neben Renate zu setzen. Sie schmunzelte versonnen, als sie die beiden Freunde an ihrer Seite spürte.
Nach der dritten Flasche Rotwein wollte sie wissen, ob sie sich schon mal wegen eines Mädchens gestritten hätten, worauf sich Frank und Klaus verwundert ansahen. Nein, kommt nicht vor, sagten ihre Blicke. Frank griente etwas breiter:
»Doch, einmal, als ich die perfekte Frau programmiert habe, aber Klaus dann ihre Adresse verloren hat.«
Amüsiert stellte Renate fest, dass es bei den beiden nicht nur in der Forschung munter zuging.
»Na, unsere Adresse werdet ihr wohl behalten können«, bemerkte sie wie nebenbei, worauf sich die beiden verlegen angrinsten.
»Peter, haben wir noch etwas zu trinken?«, schreckte sie ihren Mann aus seinem Dämmerzustand auf.
»Ja, natürlich. Noch einen Roten?«, fragte er träge.
»Peter, lass mal, ist schon spät und du hattest einen langen Tag«, wiegelte Frank ab und stand auf.
Renate zog einen Schmollmund, rutschte aber sofort vom Sofa. Klaus nickte beifällig und folgte ihr. Er hatte die letzten zwei Stunden wie angenagelt neben Renate gesessen, ihm war leicht schwindelig und sein Kreuz schmerzte vom aufrechten Sitzen. Seine Eindrücke waren so verschwommen wie sein vom Rotwein verschleierter Blick. Aus der Frau wird man nicht schlau, fand er. Alle bewegten sich zum Ausgang. Peter stand an der Tür, eine Hand auf der Klinke, als hielte er sich an ihr fest.
»Schön, dass ihr uns besucht habt«, murmelte er, als hätten sie ihm einen Dienst erwiesen.
Frank und Klaus nickten und streckten ihm gleichzeitig die Hand entgegen, übersahen aber Renate, die sich zwischen sie schob.
»Erst ich, dann euer Kollege«, sagte sie mit dunkler Stimme.
Die beiden ließen die Arme fallen und sahen sich unentschlossen an. Renate streckte Klaus die Wange entgegen, der die Andeutung eines Kusses wagte.
»Nun dein Busenfreund«, lächelte sie Frank sanft an und hielt ihm die andere Gesichtshälfte hin.
Er errötete und fühlte ihre Haut auf seinen Lippen. Peter verabschiedete seine Besucher mit einem lässigen Klaps auf die Schulter.
Sie standen vor dem Haus der Wohlfahrts und kamen nicht umhin, an der Fassade emporzuschauen, als fühlten sie Renates Blicke im Rücken. Schweigend liefen sie die Friedenstraße entlang, neben sich die Häuserreihe, auf der anderen Straßenseite den dunklen Park. Klaus blieb plötzlich stehen und starrte vor sich auf den Bürgersteig.
»Wusstest du, dass sich Peter so eine Kirsche geangelt hat?«, fragte er zögernd.
Frank stand neben ihm und sah geradeaus, als würde er sich etwas ins Gedächtnis zurückrufen. Sein eingemeißeltes Lächeln war während des Abends einem sanft verträumten Gesichtsausdruck gewichen, als folgte er einer bezaubernden Theateraufführung. Jetzt sah er plötzlich müde und unzufrieden aus. Ein Unbehagen stieg in ihm auf, das er so nicht kannte und sich nicht erklären konnte. Sie standen unbeweglich unter dem gleißenden Licht einer Laterne, das sie wie auf einer Bühne ausleuchtete. Zwei Männer, die sich plötzlich misstrauten. Es war noch warm und die Luft sehr klar. Frank warf einen stummen Blick auf seinen Freund. Hatten sie sich etwa