Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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sie nicht. Er soll auch die Plätzchen haben.«

      Eine Minute später hielt Pommerle dem erstaunten Lehrling die Kuchenstücke hin und sagte beglückt: »Siehst du, Julchen, nun hat die Nase gejuckt, nun kriegst du viel Kuchen. Jetzt brauchst du nicht in den Schmutz zu fallen, brauchst auch den Nähtisch nicht zu zerbrechen.«

      Doch der Kuchen nützte nichts. Der Jule stolperte am Nachmittag doch über die Bordschwelle und fiel auf die nasse Straße. Glücklicherweise blieb der Nähtisch heil.

      »Ich hab's ja gewußt«, murmelte er, »wenn die linke Nasenseite juckt, nützt auch der Kuchen nichts.« –

      An einem schönen Tage, kurz vor Ostern, bedrängte Pommerle die Eltern sehr, noch einmal nach dem Prudelberg zu gehen. Dort steckten weißrosa Blümchen schon die Köpfchen hervor.

      »Väti, ich möchte dem Jule einen ganzen Haufen der lieben Blümchen schenken. Du weißt doch, Väti, wie sie heißen?«

      »Ja, mein Kleinchen, im Volksmunde heißen sie: Habmichlieb.«

      »Siehst du, Väti, in Jules Munde heißen sie genau so. Wenn ich ihm die vielen Blümchen gebe, heißt das: er soll mich auch lieb haben, wenn ich vier Monate in der Schweiz bin. Immerfort soll er sich dann die Blümchen ansehen. Ich behalte den Jule immer lieb, und ich denke, der Jule macht es genau so, wenn er die Blümchen ansieht.«

      Am Abend desselben Tages brachte das Kind einen großen Strauß der weiß-rosalichen Frühlingsblumen ins Reichardtsche Haus. Der Meister empfing das Kind erfreut. »Ich wünsche dir recht viel Freude für die schöne Reise, mein liebes Kind. Möge sich deine gute Mutter am Vierwaldstätter See bald gut erholen und die Reise deinem Vater große und neue Ehren einbringen. Auf Wiedersehen im September, mein kleines Pommerle! Ein Blümchen aus deinem Strauß schenkst du mir doch auch? Dann weißt du, daß ich dich, auch wenn du fern bist, herzlich liebbehalten werde.«

      »Machst du mir auch noch eine Freude, Meister Reichardt?«

      »Gewiß, kleines Pommerle.«

      »Weißt du, jeder Mensch muß seine Freude haben, ohne Freude kriegt man bald Runzeln im Gesicht. Da möchte ich – – sieh mal, Meister Reichardt, der Jule kommt nun am Sonntag nicht mehr zu uns zum Essen – –«

      »Nein, der Jule ißt jetzt auch am Sonntag bei uns.«

      »Der Jule mag am allerliebsten Hammelfleisch mit grünen Bohnen. Willst du dem Jule immerfort Hammelfleisch kochen, damit er an mich erinnert wird?«

      »Komm, wir wollen es der Meisterin sagen; die kocht, nicht ich.«

      Frau Reichardt lachte belustigt und versprach, sie werde des öfteren Hammelfleisch mit grünen Bohnen kochen, damit der Jule das Haus seines Vormundes nicht gar zu sehr vermisse.

      Dann kam Jule. Mit leuchtenden Augen reichte ihm Pommerle den Strauß. »Denke mal nach, Jule, was das heißen soll. Ich sage dir gar nichts. – Hier hast du die Blumen. – Na?«

      Jule nahm zögernd den Strauß.

      »Na, Jule, was soll das heißen?«

      Erst überlegte der Lehrling angestrengt, dann sagte er hastig: »Du bist heute in der Nähe des Prudelbergs gewesen, dort sind sie schon 'raus.«

      »Nein, ich meine was anderes!«

      Wieder längeres Überlegen. Dann zog Jule eine Lippe.

      »Ich weiß schon«, klang es mürrisch, »wenn man einem was schenkt, soll er wieder was schenken. – Meinetwegen, ich werde dir, wenn du fortfährst, eine Tüte Bonbons kaufen.«

      »Nein, Julchen, das meine ich nicht! Bonbons will ich von dir nicht haben, – aber, wenn du nicht weißt, was die Blumen bei dir sollen, – dann – – dann – –« Pommerles Stimme begann merklich zu schwanken, »dann nehme ich sie wieder mit.«

      »Ich denke, ich soll die – Habmichlieb behalten, Pommerle?«

      »Na, Jule, – na, endlich!«

      »Was denn?« fragte er zurück.

      »Jule, du bist doch mein liabs Büable, du bist so blau wie der Enzian, ach nein, so treu wie der Enzian, – aber dumm bist du auch. Wirst du mich auch liebhaben, wenn ich fort bin?«

      Jule sagte nichts, nur ein Blick aus seinen guten grauen Augen kündete Pommerle, daß sein Lehrlingsherz dem kleinen blondzöpfigen Mädchen gehörte.

      Das Osterfest war für Jule diesmal nicht so fröhlich wie sonst. Er wußte, daß Pommerle nur noch drei Tage in Hirschberg weilte. Dann ging das Kind fort und kam vielleicht nicht mehr wieder. Entweder blieb es in Eis und Schnee stecken oder purzelte in den See, an dem Benders Wohnung nehmen wollten. Oder es geschah sonst irgendein Unheil. Schon zweimal hatte Jule von verfaulten Weintrauben geträumt. Das bedeutete Schlimmes.

      Nun suchte er emsig die schönen Schokoladeneier, die Frau Bender im Garten der Villa versteckt hatte, wie in jedem Jahr. Diesmal waren besonders schöne Eier gekauft worden, damit Jule noch eine Abschiedsfreude habe. Pommerle entdeckte natürlich rasch einige Verstecke, doch ging sie daran vorüber. Der Jule sollte die meisten finden.

      »Nun, Pommerle, du scheinst nicht ordentlich zu suchen. Hast du in dem Strauch nichts gefunden?« fragte die Mutier.

      Zwei Lippen preßten sich an Frau Benders Ohr. »Ich hab's schon gesehen, Mutti! Aber ich habe vier Monate lang Freude, ich laß es dem Jule. Er freut sich, wenn er recht viele findet, und ich habe schon drei Eier.«

      »Es sind zwanzig Stück versteckt, mein Kleinchen.«

      »Laß sie ihm, Mutti, ich habe drei und er siebzehn. Er hat dann siebzehnmal Freude, und ich habe viermal dreißig Tage Freude.

      Aber der Jule suchte und suchte und hatte nach einer Stunde erst sieben Eier gefunden. Schließlich mußte ihn Frau Bender an die Verstecke führen; doch auch dabei sah Jule noch über die Eier hinweg. Gerade neben dem Strauch, unter dem ein Ei lag, blühte ein großer Busch blauer Krokus; die bestaunte der Jule. Erst als Frau Bender das Ei aus dem Strauch herausrollte, sah er es. Schließlich hatte er auch das letzte gefunden, stopfte die Taschen damit voll und strahlte über das ganze Gesicht.

      »Siehst du wohl«, sagte er zu Pommerle, »heute früh habe ich den Rübezahl gebeten, er soll mich recht viele Eier finden lassen. Er hat mich gehört.«

      Pommerle warf einen listigen Blick hinüber zur Mutter und schwieg.

      Aber auch Professor Bender hatte für sein Mündel noch ein Ostergeschenk. »Hier, mein lieber Junge, hast du ein Buch im blauen Deckel. Brauchst es nicht zu verkaufen, es bringt nichts ein. Du bekommst höchstens dreißig Pfennig dafür, und das lohnt nicht. Aber lesen sollst du recht oft darin. Brauchst es erst daheim auszupacken.«

      Am Abend des ersten Feiertages, als Jule in seinem Stübchen saß, packte er das blaue Buch aus und klappte es auf. Es war ein Bilderbuch. Unter jedem Bild ein kleiner Vers. Den ersten las er mit hochrotem Kopf.

      »Mein Kind, befolge diese Lehren,

       Geschenke hält man stets in Ehren.«

      Das war Jules Strafe für den Versuch, die Bücher des Professors zu verkaufen!

      Dann der zweite Vers:

      »Sei immer höflich und bescheiden,

       Dann mögen dich die Menschen leiden.«

      Und noch ein dritter Vers:

      »Wer Schulaufgaben niemals macht,

       Bleibt dumm und wird oft ausgelacht.«

      Jule klappte das Buch zu und legte es in die Kommode, ganz unten hin unter die Wäschestücke. Er schämte sich. Das brauchte weder der Meister noch die Meisterin zu sehen. Als seine Blicke dann zu dem Strauß hinübergingen, der noch frisch im Glase stand, hellten sich seine Mienen wieder auf.

      »Sie müssen mich doch alle liebhaben, sonst hätten sie den Strauß nicht für mich gepflückt.« –

      Der Tag der Abreise kam heran.