Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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er vielleicht, Mutti, wenn er sieht, daß unser Zug abfährt. Wenn er aber ein Geschenk unter den Arm klemmen kann, freut er sich und ist nicht traurig.«

      Auf dem Hirschberger Bahnhof hatten sich zahlreiche Bekannte eingefunden, denn Professor Bender und seine Familie erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit. Auch Pommerles Schulfreundinnen waren vertreten. Man sah sogar Meister Reichardt mit Sabine und Jule. Obwohl Pommerles Herz voll freudiger Erwartung schlug, war doch ein wenig Traurigkeit darin, daß sie für so lange Zeit fortreisen sollte und keinen der lieben Menschen sehen würde. Aus dem Abteil reichte sie oftmals die Hand heraus; schließlich winkte sie Jule.

      »Weil du immer so ein liabes Büble bist, sollst du noch eine Extrafreude haben. Jetzt kannst du jeden Tag das schöne Lied singen vom Almenrausch, vom Enzian und vom Edelweiß. Nun brauchst du auch nicht traurig sein, Julchen! – Hier hast du eine schöne Erinnerung an mich. Hier hast du deine große Freude.«

      Jules traurige Augen hellten sich jedoch nicht auf, als er die Platte in Empfang nahm.

      »Paß gut auf, Jule«, rief Pommerle, »sie geht leicht kaputt, und du sollst doch vom Almenrausch und vom Enzian singen. Oh, jetzt rutscht der Zug los! – Ich grüße euch alle tausendmal, denn jetzt geht es nach der Schweiz! – Holdrio!«

      Man rief, man winkte, Pommerle lehnte sich aus dem Fenster. »Auf Wiedersehen! – Auf Wiedersehen!«

      Sie sah Jules langen Arm, sah, wie er mit der Mütze schwenkte, aber sie sah nicht mehr, daß dem erregten Freunde seine Grammophonplatte unter dem Arm herausglitt, auf den Bahnsteig fiel und zerbrach.

      Ins Schweizerland

       Inhaltsverzeichnis

      Obwohl Pommerle in seinem zweiten Vater schon immer einen ganz besonderen Mann sah, aus dessen Kopf nur kluge Sachen kamen, stieg die Hochachtung des Kindes von Monat zu Monat. Es gab viele Leute, die Bücher schrieben, aber man rief diese Leute nicht immer in die verschiedensten Länder, um auch dort von ihrem Wissen etwas abzugeben. Schon damals, als Professor Bender seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, als Abgesandte aus Norwegen und Schweden kamen, ahnte das Kind, daß der Professor einen sehr guten Namen in der ganzen Welt haben mußte. Nun riefen auch die Schweiz und Italien nach ihm. Der Vater würde in Zürich eine Reihe von Vorträgen über die verschiedensten Gesteine halten und würde später nach Italien gehen, um dort das gleiche zu tun.

      Schön war es, solch einen berühmten Vati zu haben und neben ihm im Abteil zu sitzen, um durch Deutschland zu fahren und in der Schweiz zu landen.

      Pommerle blickte unentwegt zum Fenster hinaus und konnte sich nicht sattsehen an den Wiesen und Feldern, an den Ortschaften und Wäldern, die alle so rasch vorüberflitzten. Immer wieder rief es erregt nach dem Vater, der Mutter, um sie auf allerlei aufmerksam zu machen.

      Die lange Reise sollte nicht an einem Tage durchgeführt werden. So wollten Benders in Nürnberg übernachten, die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten besichtigen und erst am folgenden Morgen nach Zürich weiterfahren. Auch dort sollte ein Tag haltgemacht werden. Dann aber wollte der Professor Frau und Tochter nach Vitznau am Vierwaldstädtersee in ein Fremdenheim bringen. Er allerdings mußte nach Zürich zurückkehren, um nur jeden Sonnabend nach Vitznau zu kommen und dort bis Dienstag zu bleiben.

      Schon die Reise bis Nürnberg brachte Pommerle viel Neues. Das Kind stellte Frage auf Frage. Zunächst ging es über Görlitz, wo man die Landskrone sah, einen Berg, ganz in der Nähe der Stadt. Ein beliebter Ausflugspunkt für alle Görlitzer. Dann war Dresden erreicht, die Hauptstadt des sächsischen Landes.

      »Sieh nur, Mutti, den breiten Fluß! Das ist doch die Elbe? Und die vielen Brücken!«

      Die Eltern erklärten, Dresden sei an beiden Ufern der Elbe erbaut, die vielen Brücken führten von der Altstadt zur Neustadt hinüber. In der Altstadt befinde sich das Schloß, der berühmte Zwinger und das Grüne Gewölbe mit den weltbekannten Bildern.

      »Sag mal, Väti, so große Städte wie bei uns gibt es in der Schweiz doch wohl nicht? Sind dort überhaupt so große Häuser?«

      »Natürlich, Kleinchen, große Städte und hohe Häuser!«

      »Aber nicht viele, Väti? – Der Jule hat doch gesagt, dort gibt es nur Berge und Wiesen mit Kühen.«

      »Na, mein Kind, du wirst dich mit eigenen Augen überzeugen, daß die Schweiz auch sehr schöne Städte und Ortschaften hat. Wie kann der Jule solchen Unsinn reden? Er ist doch überhaupt noch nicht in der Schweiz gewesen.«

      Wieder jubelte Pommerle auf. »Sieh nur, schon wieder fahren wir über eine Brücke! Ach, würde der Jule sich freuen, wenn er mit wäre! Ich glaube, Väti, es gibt überhaupt kein schöneres Land als Deutschland mit Schlesien und der Ostsee.«

      »Hast recht, mein Kind, das Vaterland soll immer das Liebste, Teuerste und Schönste sein. Man soll seine Wunder niemals vergessen, wenn man in einem fremden Lande weilt.«

      Daß man im Zuge auch Mittag essen könne, in einem kleinen Zimmer mit vielen Tischen saß und der Kellner alles brachte, was man nur haben wollte, das war für Pommerle wieder etwas ganz neues. Die blauen Kinderaugen glitten unentwegt durch den Speisewagen und dann wieder hin zum Fenster.

      Leise flüsterte die Kleine der Mutter zu: »Es geht schlecht, daß wir essen und gucken. Ich wollte, wir wären erst fertig mit dem Essen. Sieh mal, da draußen wird es immer schöner!«

      Man durchfuhr jetzt Industriegebiet, zahlreiche Städte mit großen Fabrikgebäuden und hohen Schornsteinen. Plötzlich fragte Pommerle:

      »Sag mal, Väti, wohnen in den vielen Orten auch berühmte Leute? In der Schweiz ist Wilhelm Tell, in Hirschberg wohnt der Professor Bender. – Welcher berühmte Mann wohnt wohl hier in Plauen?«

      Professor Bender geriet sichtlich in Verlegenheit. Eine solche Frage seines Töchterchens hatte er wirklich nicht erwartet. Aber das Kind ließ nicht nach.

      »Väti, sag doch schnell – welcher berühmte Mann wohnt hier?«

      »Ja, mein liebes Pommerle, das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Das weiß der Väti nicht.«

      »Das weißt du nicht?« Pommerle blickte den Vater mit großen, erstaunten Augen an. »Das weißt du nicht?« wiederholte das Kind gedehnt. Und nach einer Pause: »Weißt du es wirklich nicht, oder willst du es nicht sagen, weil ich soviel frage?«

      »Der Vater weiß nur, daß in Plauen große Spitzen- und Gardinenwebereien sind.«

      »Und wie heißt der berühmteste Mann, der solche Spitzen und Gardinen macht?«

      Bender lenkte ab. »Sieh mal, Pommerle, was dort drüben für ein spitzer Turm zu sehen ist.«

      »Ach, Väti, genau so 'nen spitzen Turm haben wir schon in Görlitz gesehen. – Weißt du wirklich nicht, wie der berühmteste Spitzenmann heißt?«

      »Nein, mein Kind, wirklich nicht. Hier sind viele Leute, die große Fabriken haben. Bekannte Firmen, die über die ganze Erde hin Spitzen und Gardinen liefern.«

      Schließlich gab das Kind Ruhe, aber befriedigt war es nicht. Nur erstaunt, daß der Vater etwas nicht wußte. Als man nach Hof kam, erklärte Professor Bender seiner Tochter, man sei nun im bayrischen Lande.

      »Bayern«, rief Pommerle freudig, »ach, Väti, da gibt es viele schöne Berge und das gute Bier! Das haben wir in der Schule gelernt. Und dort tanzen sie Schuhplattler, hauen sich dabei mächtig auf die Beine und schreien ›Juhu!‹ – Trinken wir nun alle bayrisches Bier? Soll ich dem Manne da draußen winken?« Schon pochte die Kinderhand an das Fenster des Abteils.

      »Na na – ein zehnjähriges Mädchen wird doch kein Bier trinken!«

      »Nur weil es so ein berühmtes Bier ist, Väti. Unser Studienrat hat doch gesagt, ich soll mir alles Berühmte gut merken, und im Herbst, wenn ich wieder in Hirschberg bin, davon erzählen. Da muß ich doch auch das berühmte Bier