Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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sich Pommerle von der Hand Jules los und stürmte ins Haus. Aber Jule, der den italienischen schwarzen Mann etwas verdutzt vor sich stehen sah, bekam neuen Mut. Er sah Pommerle schon in Italien in einer Gondel fahren. Das wollte er nicht dulden.

      »Die Kleine weiß gar nichts«, sagte er bellend vor Zorn. »Der Herr Professor denkt nicht daran, mit Ihnen zu verhandeln. Gehen Sie ruhig wieder fort. Der Herr Professor ist ein berühmter Mann, der seine Berühmtheit in Deutschland behalten will. – Bitte, hier ist die Tür.«

      Jule schritt zur Gartentür und öffnete sie weit.

      »Sie irren, junger Herr – ich habe mir erlaubt vorzusprechen, weil man mir sagte – – Vielleicht werfen Sie einen Blick auf diese Mappe.« Der fremde Herr nahm eine kleine Mappe hervor und klappte sie auf. Jule sah darin einige Bilder. Das erste zeigte einen See, auf dem ein Kahn schwamm.

      »Behalten Sie Ihre Gondel«, rief Jule noch erregter, »damit können Sie den Professor nicht locken. Er hat ganz andere Gegenden gesehen. Wir waren in Krummhübel, in Schreiberhau, wir sind über den ganzen Kamm gewandert.«

      »Ich dachte, der Herr Professor, den man allerwärts als einen sehr wohltätigen Herrn schildert, würde – –«

      »Bitte, wollen Sie endlich hier hinausgehen?« Jule stand noch immer an der Gartentür, die er hin und her bewegte.

      Der Schwarzhaarige klappte die Mappe zu und wollte soeben den Garten verlassen, als Anna, das Hausmädchen, dahergeeilt kam. »Der Herr Professor läßt bitten«, rief sie.

      Jule stampfte wütend mit dem Fuße auf. Nun ging sein schlimmer Traum wohl doch in Erfüllung!

      Der Fremde wandte sich und ging mit raschen Schritten in die Villa hinein. Jule aber blieb im Garten und zählte angstvoll die verrinnenden Minuten. – Was würde dort drinnen verhandelt werden? Es war wohl das beste, wenn er nicht zum Mittagessen hierblieb. Doch sein Magen meldete sich schon bedenklich; außerdem waren aus der Küche gar verlockende Gerüche gekommen. – Hammelbraten, den aß er für sein Leben gern!

      Im Zimmer Professor Benders bot inzwischen ein junger Künstler dem enttäuschten Gelehrten kleine Malereien an. Bender, der durch Pommerle gehört hatte, daß unten im Garten der Herr Tschingtschingtrara gekommen wäre, trug selbst Schuld an der Verwechslung. So kam es, daß der Professor den hocherfreuten jungen Mann zum Niedersitzen einlud und schließlich einige seiner Bildchen kaufte.

      »Na«, murmelte Jule, als er den Künstler durch den Garten fortgehen sah, »er hat wenigstens Pommerle nicht mitgenommen.« Dann schnellte er aus seinem Versteck hervor und warf krachend die Gartentür hinter dem Maler ins Schloß.

      Von dem Besuch des italienischen Geologen Cincendora, der mit dem Auto bald darauf vorfuhr, erfuhren weder Jule noch Pommerle etwas. Sie waren im hinteren Garten und betrachteten voller Aufmerksamkeit die grünende Hecke und die jungen Keime, die allerwärts aus dem Erdboden hervorkamen. Da die Unterredung zwischen Professor Bender und Cincendora nicht lange währte, war er längst fort, als die beiden Kinder mit hungrigen Mägen zurück in die Villa kamen.

      Jule bekam noch kurz vor dem Essen eine kleine Abreibung. »Du hast keinen Menschen, der zu mir kommt, unfreundlich anzufahren, Jule. Es ist ganz einerlei, wer es ist. Du kannst nicht wissen, ob du nicht auch einmal mit leerem Magen, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche umherwandern mußt, wie dieser arme Künstler heute früh. Es wird wirklich Zeit, daß du ein wenig mehr Verstand bekommst, Jule.«

      Erst beim Hammelbraten verwand Jule den Schmerz, den ihm der Vormund mit seinem Verweis zugefügt hatte. Und als es zum Nachtisch einen Tortenboden mit eingelegten Stachelbeeren und einem Schlagsahnehäufchen darauf gab, strahlte er über das ganze Gesicht.

      Pommerle betrachtete den Nachtisch mit liebevollen Blicken.

      »Ein Trias«, sagte sie.

      »Was ist das?« lächelte Frau Bender.

      »Eine Triastorte, nicht wahr, Väti? Du weißt es.«

      »Ja, mein kleines, kluges Mädchen! Woher hast du denn diese Weisheit?«

      »Das hast du mir neulich gesagt, als ich bei dir das dicke Buch fand.«

      »Erkläre das doch ein wenig genauer«, forschte Frau Bender, »der Jule wird es auch nicht wissen.«

      Pommerle setzte eine gelehrte Miene auf, tippte zunächst mit dem Löffel auf den Tortenboden und begann dann ernsthaft: »Beim Triasgestein sind auch immer drei Schichten: die unterste Abteilung ist aus irgendeinem anderen Stein, dann kommt die zweite Schicht, so wie hier die Stachelbeeren, und oben drauf kommt die dritte Schicht, das ist die Schlagsahne. Nicht wahr, Väti, es stimmt so?«

      »Bravo, Pommerle, das hast du gut gelernt. Nun merke es dir auch, Jule. Triasformation ist ein zusammengesetztes Gestein, bei dem die unterste Abteilung aus Sandstein, die zweite aus Kalkstein und die dritte –«

      »Aus Schlagsahne besteht«, ergänzte eine helle Kinderstimme.

      »Nein, Pommerle, aus Mergel.«

      »Ach, Väti, bei mir besteht sie aus Schlagsahne. – Ätsch, Jule, ich hab' mehr gewußt als du.«

      »Quatsch, ich weiß auch, was Sandstein ist. Ich habe Ihnen doch immer die schönen Steine gebracht, Herr Professor. Sonst hätten Sie die vielen gelehrten Bücher nicht schreiben können. Und wenn Sie jetzt in die Schweiz fahren, so hab' ich das auch gemacht, weil Sie – – durch meine Steine so berühmt wurden.«

      »Na, na, Jule! – Dabei weißt du nicht einmal, was Hornblende, was Basalt und Trias ist.«

      »Man braucht nicht alles zu wissen, sagt mein Meister. Jeder braucht nur das zu wissen, was zu seinem Fach gehört. Pommerle weiß auch nicht, was ein Furnier, was eine Zarge ist. Dann hat sie keine Ahnung von einem Wasserschenkel oder einer Wasserwaage.«

      »Doch, Jule, das weiß ich«, rief Pommerle. »Die alte Frau Kluge hat eine Wasserwaage. Sie wird auch 'nen Wasserschenkel haben. – Nicht wahr, Mutti, sie sagte uns erst gestern, daß ihr ganzes Bein voll Wasser ist.«

      »Ach, bist du dumm!« erwiderte Jule lachend, »ich meine doch einen Wasserschenkel.«

      »Das meine ich auch«, sagte Pommerle ernsthaft. »Wenn das ganze Bein voll Wasser ist, der Schenkel und die Wade, so ist es eben ein Wasserschenkel.«

      Jule sprang vom Stuhl auf, lief ans Fenster und tippte mit dem Finger auf den untersten Rahmen, der die Scheibe hielt. »Hier haste einen Wasserschenkel, und hier«, er kroch unter den Eßtisch, »hier hast du eine Zarge. Mit der Wasserwaage wird genau kontrolliert, ob alles waagerecht ist. – So, nun brauchst du über mich nicht mehr zu lachen. Ich weiß auch was!«

      Jule hatte sich wieder auf seinen Stuhl niedergesetzt und führte den Löffel mit einem großen Stück Torte zum Munde. »So, nun hab' ich den Trias verschluckt, nun ist er weg.«

      Bender und Frau unterdrückten das Lachen. Solch kleine Differenzen kamen zwischen den beiden Kindern öfters vor. Trotzdem wußten sie von der innigen Freundschaft, die Jule und Pommerle verband. Sie wußten auch, daß dem Tischlerlehrling durch Pommerles Reise in die Schweiz ein großer Schmerz zugefügt wurde, denn Jule war gewohnt, an jedem Sonntag nach der Villa zu kommen; ebenso ging Pommerle allwöchentlich zweimal in die Tischlerei, um mit Sabine und Jule zu plaudern. Das würde nun vier Monate lang unterbleiben.

      So überlegte Professor Bender, wie er Jule eine Freude machen könne, damit er den Trennungsschmerz leichter überwinde. Er fragte ihn, ob er einen besonderen Wunsch habe.

      »O ja«, sagte Jule mit blitzenden Augen, »sogar einen sehr großen.«

      »Wenn ich ihn dir erfüllen kann, wenn er nicht gar zu anspruchsvoll ist, will ich dir gern die Freude machen, damit du Pommerle nicht zu sehr um die Schweizer Reise beneidest.«

      Jules graue Augen bekamen einen listigen Ausdruck. »Ich habe Ihnen doch so viele Steine gebracht; wenn Sie die Steine nicht gehabt hätten, würden die Bücher auch nicht sein. Aber die Bücher habe ich niemals von Ihnen geschenkt bekommen.«

      »Ich