Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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lag nach wie vor auf der Erde. Pommerle lachte schallend.

      »Nun möchte ich nur wissen, wie der Jule das Bein dranmachen will, wenn er den Stuhl nicht hat. Aber – meine Herren, wir wollen uns nicht stören lassen.«

      Pommerle rückte die elf Puppenkinder zurecht, kletterte wieder auf den Tisch und begann abermals:

      »Meine hochverehrten Herren, ich werde Ihnen jetzt einen Vortrag über die Fauna und die Flora des Riesengebirges halten.«

      Unruhe vor der Abreise

       Inhaltsverzeichnis

      Seit dem Tage, da Frau Bender dem Mündel ihres Mannes mitgeteilt hatte, daß man sogleich nach Ostern mit Pommerle für vier Monate in die Schweiz fahren werde, war Jule ungenießbar geworden. Er zürnte dem Vormund, der ihm die Freundin für so lange Zeit nahm. Der sonst stets fröhliche und aufgeweckte Tischlerlehrling trug eine mürrische Miene zur Schau; er schlug, sobald er sich allein in der Werkstatt wußte, grimmig auf die Bretter ein.

      Meister Reichardts blinde Tochter Sabine, ein neunzehnjähriges junges Mädchen, versuchte den aufgeregten Jule ein wenig zu besänftigen. Es gelang ihr oftmals, aber augenblicklich war mit Jule nichts anzufangen.

      »Kein Land ist so schön wie unser Schlesierland. Immer läuft er davon! Hier hat er so viele Steine, über die er Bücher schreiben kann, aber er will eben noch berühmter werden. – Pommerle braucht nicht berühmt zu werden. Sie geht auch nicht mehr zur Schule, weil sie fortfährt.«

      »Jule, Jule«, mahnte Sabine nachsichtig, »man hat Pommerle für die Zeit zwischen Ostern und den großen Ferien beurlaubt. Du weißt doch, daß Pommerle die beste Schülerin in der Klasse ist. Außerdem wird Frau Bender dafür sorgen, daß Pommerle in der Schweiz weiterlernt. – Warum gönnst du deiner Freundin die schöne Reise nicht?«

      »Ich gönn' ihr alles! Meinetwegen soll sie im Sommer wieder an die Ostsee fahren. Das ist ihre Heimat, von dort kommt sie. Aber in der Schweiz hat sie nichts zu suchen. Ich habe mir schon etwas Geld gespart, ich würde mit Pommerle in meinen Ferien an die Ostsee fahren.«

      Plötzlich wurde Jules Gesicht hell. Er wußte, wie sehr Pommerle die erste Heimat liebte. Er würde sie von der Schweiz dadurch zurückhalten, daß er ihr eine Reise nach Neuendorf vorschlug.

      Jule ließ die Arbeit ruhen, eilte in sein kleines Zimmerchen und überzählte seine Ersparnisse. Mit achtundvierzig Mark konnte man doch viel anfangen. Wenn Pommerle heute nachmittag kam, sollte sie seinen Plan hören.

      Das Geld würde für zwei Ostseereisende nicht ausreichen. Er müßte also noch etwas hinzuverdienen. – Aber wie? Ob die kluge Sabine wohl Rat wußte?

      Ohne seinen Plan zu verraten, forschte Jule in der nächsten Stunde, wie es die Leute machten, um schnell viel Geld zu bekommen.

      »Woher hat denn Professor Bender das viele Geld, um dreimal nach der Schweiz zu fahren? Mann – Frau und Kind?«

      »Du weißt doch, Jule, daß Professor Bender ein berühmter Mann ist, der wertvolle Bücher über Steine und Blumen schreibt. Diese Bücher werden viel gekauft, dafür bekommt er Geld.«

      »Soviel Geld bekommt er für seine Bücher? – Von den Steinen, die ich gesucht habe?«

      »Professor Bender hat ein langes Studium hinter sich. Außerdem wird er oft zu Vorträgen eingeladen; auch dafür erhält er Geld. Wenn er jetzt in die Schweiz fährt, wird er ebenfalls gut bezahlt.«

      Jule biß eine Weile an den Fingernägeln, dann griff er erneut nach dem Hobel. Man sah es seinem Gesicht an, daß er sich mit schweren Gedanken abquälte. Ganz plötzlich legte er den Hobel beiseite.

      »Wieder nischt«, rief er ergrimmt, »der Kater!«

      »Was ist denn schon wieder los, Jule?«

      »Hast du nicht gesehen?« Jule vergaß, daß Sabine blind war. So konnte sie unmöglich gesehen haben, daß der schwarze Kater des Meisters die Werkstatt durchquerte. »Es wird nischt, es wird nischt«, klagte Jule, »der Kater!«

      »Was hat der Kater denn getan, Jule?«

      »Schwarzer Kater – ein Berater. Von links nach rechts bringt Schlechtes! – Es wird nischt, es wird gar nischt mit meiner Reise.«

      »Jule, sei nicht abergläubisch«, tadelte Sabine freundlich. »Ein Junge deines Alters darf nicht mehr an solch kindische Sachen glauben. Bald erschreckt dich der Rübezahl, bald der Grund in der Kaffeekanne – – –«

      »Du hast den Rübezahl noch nicht gesehen, Sabine, aber ich! Ich kenne den mächtigen Berggeist genau und weiß, daß er stets auf Schabernack ausgeht. Ich möchte – ich möchte – – – daß er jetzt nach der Schweiz geht und – und – – –« Jule schwieg. Er wagte doch nicht, seinem gütigen Vormund, Professor Bender, Schlechtes zu wünschen. Dazu hatte er den alten Herrn viel zu lieb. Nur daß der Vormund mit Pommerle in die Schweiz fuhr, verzieh er ihm nicht so bald.

      Am Nachmittag kam Pommerle zu Sabine. Sie ging so gern zu der großen Freundin und ließ sich erzählen. Besonders in letzter Zeit sprach Sabine oftmals von der schönen Schweiz, von Wilhelm Tell, dem Befreier, von den himmelhohen, schneebedeckten Bergen, die in die Wolken hineinragten, so daß man deren Spitzen nicht sehen könne, von den Bahnen, die ganz steil an den Bergen emporkletterten oder emporgezogen würden. Daß Sabine, die nicht einmal sehende Augen hatte, von allen diesen merkwürdigen Dingen erzählen konnte, erschien Pommerle sehr seltsam. Aber Sabine war eben ganz etwas Besonderes, sie konnte mit einem Stöckchen oder mit ihren Fingern sehen.

      Sabine ging mit Pommerle hinüber in die Werkstatt zu Jule. Die beiden saßen oft bei dem Lehrling, der sich in seiner Arbeit nicht stören ließ. Doch heute begrüßte er seine Freundin lange nicht so freundlich wie sonst.

      »Freust du dich nicht, Jule, daß ich gekommen bin?«

      »Es ist nötig, daß du kommst. Von Ostern ab vergißt du deinen Freund ja doch. Dann sitzest du auf den Almen, bei den Kühen oder aus den Bergen und denkst nicht an Hirschberg.«

      »O doch, ich denke immerfort an dich und an Hirschberg. Du bist doch mein bester Freund.«

      »Wenn ich dein Freund wäre, würdest du nicht in die Schweiz fahren. Dann würdest du – – an die Ostsee fahren.«

      Jule hobelte, daß die Späne nur so flogen.

      »Nach meiner lieben Ostsee«, klang es leise von den Kinderlippen. »Weißt du noch, Jule, wie uns im vorigen Sommer Onkel Stadler mitgenommen hat mit seinem Auto? Ach, das war schön!«

      » I. K. 37 985«, murmelte Jule.

      »Du weißt sogar die Nummer noch, mit der wir gefahren sind«, jubelte Pommerle. »Mit dem Auto bis direkt an die liebe Ostsee!«

      Sabine hatte sich erhoben und verließ die Werkstatt. In Jules Gesicht zuckte es. Hastig trat er dicht an Pommerle heran. »Du – ich habe einen großartigen Plan. – Wir beide fahren im Sommer wieder an die Ostsee. Ich habe Geld. Dann gehen wir nach Neuendorf, besuchen die Elli Götsch und die Trude und alle anderen Freundinnen. Wir gehen auch zu dem Haus, in dem du gewohnt hast, als du klein warst. Pommerle, alle Neuendorfer freuen sich, wenn du kommst.«

      Das Kindergesicht wurde rot und heiß. Jedesmal, wenn das Kind an die Heimat erinnert wurde, erwachte Sehnen in dem kleinen Herzen. In Neuendorf hatte es seine früheste Kindheit verlebt, mit dem Vater hatte es zusammengelebt, bis er ertrank. Dann nahmen es Benders mit nach Hirschberg; doch obwohl Pommerle nun schon fünf Jahre hier weilte, wollte die Sehnsucht nach der Ostsee nicht zum Schweigen kommen.

      Jule wurde immer erregter. »Den ganzen Tag kannst du am Strand sitzen. Dann erzählt dir die See vom Vater, dann riecht es auch wieder nach Heimatluft. – Weißt du noch, Pommerle? Mit allen Kindern spielen wir wieder, den ganzen Tag über. – Ach, wird das schön sein! – Kommst du mit mir?«

      »Vielleicht kommt