FINSTERE NACHT. Greg F. Gifune. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greg F. Gifune
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350885
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Augen tränten so stark, dass es wehtat. Raymond, um Gottes willen, wo bist du? Louis kniff die Augen zusammen und versuchte, irgendetwas jenseits von ihrem kleinen Unterschlupf zu erkennen, aber durch den Schnee und die Finsternis konnten weder er noch Seth irgendwas erkennen. »Falls einer von ihnen eine Taschenlampe mitgenommen hat, müsste man zumindest davon etwas sehen!«, rief Louis. Seth war sich da nicht so sicher. »Und jetzt?« Er zuckte halbherzig mit den Schultern. »Ich hab keine Ahnung, aber wir müssen wieder rein gehen!« »Wir müssen ihn finden, Louis! Wir müssen ihn finden!« Darian hopste aus dem Weg, als sie durch die Tür stolperten. Louis schlug die Tür hinter ihnen zu und lehnte sich dann atemlos dagegen. Seth fing an, seine Hände zu wärmen, indem er sie anhauchte und wie wild an seinen Oberschenkeln rieb. »Weit und breit nichts zu sehen von den beiden«, japste Louis. Darian ließ seinen Schlafsack zu Boden fallen und stakste dann heraus. »Warum machen die das? Warum – warum sind sie überhaupt nach da draußen gegangen?« »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Louis, »aber es ist definitiv verdammt dumm. Es gibt keine Chance, dass sie noch leben, wenn sie länger als–« »Wir müssen wieder da raus gehen«, sagte Seth. »Wir müssen es noch mal probieren. Wir müssen sie finden!« »Sicher, du hast recht«, sagte Darian betroffen. »Wir dürfen nicht aufgeben.« »Na dann viel Spaß.« Louis deutete in Richtung der Tür. »Man kann kaum mehr als einen Meter weit sehen, der Wind ist eiskalt und fetzt einfach durch die Klamotten. Wenn die Sicht nicht so übel wäre, könnten wir tiefer in den Wald gehen und uns dort umsehen, aber das können wir zu Fuß nicht riskieren. Da kommen wir nicht weit, ohne innerhalb von Minuten die Orientierung zu verlieren und uns zu verlaufen!« »Und der Wagen?« »Was sollen wir denn mit dem machen, durch die verdammten Bäume fahren?« Louis öffnete den Reißverschluss seiner Jacke und schüttelte Schnee und Wasser ab. »Der Wald da draußen ist so dicht, dass wir nur auf der Schotterpiste fahren können, und ich bin mir nicht mal sicher, ob wir die im Moment überhaupt finden würden!« »Wir müssen es aber versuchen«, sagte Seth. »Wir müssen sie finden.« Darian nickte nachdenklich. »Er hat recht.« Louis' Gesicht wurde von einer Mischung aus Sorge und reiner Panik durchdrungen. »Okay.« Er stellte das Gewehr ab, wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und warf es beiseite. »Dann lasst uns losziehen. Die Zeit läuft ihm davon, wenn er–« »Darian, sieh mal zu, dass du das Feuer wieder ordentlich heiß kriegst«, unterbrach Seth ihn. »Louis und ich fahren so weit wir können die Straße hoch, um zu schauen, ob sie vielleicht in die Richtung gegangen sind. Die Chance ist nicht groß, aber was anderes können wir wohl nicht machen. Wenn sie stattdessen in den Wald gegangen sind, dann …« Darian drehte sich weg und beschäftigte sich demonstrativ mit dem Kamin. »Dann ist er tot«, sagte Louis. »Inzwischen werden sie beide tot sein.« Seth quetschte sich an ihm vorbei. »Gehen wir.« Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ sie alle schweigend erstarren. Sie stierten sich gegenseitig an und niemand brachte ein Wort hervor, bis Darian endlich den Bann brach. »Nun macht schon auf, verdammt noch mal!« Seth riss die Tür auf. Raymond stand im Eingang, er trug seinen Mantel und hatte sich eine Strickmütze über den Kopf gezogen. Er war mit Schnee bedeckt, seine Augenbrauen und andere Teile des Gesichts waren regelrecht vereist. Seine Haut war blass und feucht, und wenn er nicht geblinzelt hätte, hätte man ihn für eine Leiche halten können. »Seid ihr Jungs in Ordnung?«, fragte er in einem merkwürdig ruhigen Tonfall. Bevor Louis oder Seth reagieren konnten, packte Darian Raymond am Ellenbogen und zog ihn in die Hütte. Raymond starrte ihn mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck an und zog die Tür hinter sich zu. »Ob wir in Ordnung sind?«, fragte Darian. Seth trat schnell an Raymond heran, packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn ein wenig. »Um Gottes willen Ray, was zur Hölle hast du da draußen gemacht? Bist du okay?!?« Raymond nickte wenig überzeugend. »Wo ist Christy?«, fragte Louis. Als keine Antwort kam, wiederholte Seth die Frage in der Angst, sein Bruder könnte unter Schock stehen. »Ray, wo ist sie? Bist du in Ordnung?« Raymond machte einen Schritt weg von ihm auf den Kamin zu. Er wischte sich den Schnee vom Mantel, bevor er ihn auszog, und wiederholte das Gleiche mit seiner Strickmütze. »Mir geht es gut«, sagte er, als er beide Kleidungsstücke auf einen Stuhl warf. »Christy ist weg.« »Weg? Was meinst du mit weg?« »Ich wollte dich wecken, Seth, so wie du gesagt hast, damit du die nächste Schicht übernehmen kannst, aber … ich muss eingenickt sein. Als ich aufwachte, war sie weg, also bin ich sie suchen gegangen.« »Warum hast du uns nicht geweckt?« »Ich dachte … es würde nicht lange dauern. Ich dachte, sie ist draußen auf der Veranda, oder so.« »Warum hast du die Tür offen gelassen?«, fragte Darian. »Das war mir gar nicht bewusst«, sagte er flach. »Sorry.« Louis trat näher an ihn heran. »Sorry? Hast du das wirklich gerade gesagt?« »Ja.« Raymond betrachtete das langsam wachsende Feuer. »Sorry.« »Sag mal hast du sie noch alle? Du bist in diesen gottverdammten Sturm rausgegangen, um diese Schlampe zu suchen? Wo?!? Wir waren da draußen und haben keine Spur von dir gesehen. Hast du nicht gehört, wie wir dich gerufen haben?« »Da draußen kann man doch gar nichts hören außer dem Wind.« »Ray«, sagte Seth geduldig, »wo genau bist du hingegangen?« Raymond wandte sich ihm zu. Er sah schon ein wenig gesünder aus als vor wenigen Minuten, aber irgendetwas stimmte nicht. Etwas war daneben, irgendwie schief. »Ich habe es euch doch schon gesagt. Ich habe sie gesucht. Habe mir gedacht, dass sie irgendwie weggelaufen ist.« »Wir sind in der Mitte vom Nirgendwo«, platzte es aus Louis heraus. »Wenn du in diese Wälder gegangen bist, dann … Mann, denkst du vielleicht, das ist hier ein Spielplatz? Glaub mir, ist es ganz sicher nicht!« Raymonds Augen bewegten sich langsam, bis sie Louis trafen. »Du weißt doch auch nicht mehr über die tiefen Wälder als ich, Louis.« »Ach ja? Dann sage ich dir mal, was ich ganz sicher weiß, du Ass: Bei dieser Witterung ist es ein Wunder, dass du da draußen nicht verreckt bist! Und wir hätten uns auch verletzen oder sterben können, als wir dich gesucht haben, du Pfeife, hast du da schon mal dran gedacht?« Raymond blickte lässig auf Louis' geballte Fäuste herunter. »Das willst du nicht tun, Lou« »Okay, es reicht, jetzt macht euch mal locker!« Seth trat näher an die beiden Männer heran. »Ray, du hast uns eine Höllenangst eingejagt! Wir wollen nur sichergehen, dass du okay bist. Du benimmst dich komisch; das, was du sagst, ergibt keinen Sinn.« Louis schüttelte angewidert den Kopf. »Schau lieber mal nach, ob der Idiot schon irgendwelche Erfrierungen hat.« »Mir geht es gut«, sagte Raymond. »Einfach unglaublich, der Typ! Du solltest eigentlich gar nicht hier sein. Ich hab dich auf den letzten Drücker mitgenommen, und dann ziehst du hier so eine Scheiße ab. Ganz toll. Wo zur Hölle ist das Mädchen?« »Keine Ahnung. Sie ist abgehauen, schätze ich mal.« Seth glaubte ihm nicht, und die anderen taten es auch nicht. »Wir waren selbst da draußen im Sturm, Raymond«, erinnerte er ihn. »Wir sind dicht bei der Hütte geblieben und haben es trotzdem kaum zehn Minuten ausgehalten. Du hättest doch niemals den Weg hierher zurückgefunden, wenn du bis zu den Bäumen gegangen wärst.« »Aber ganz offensichtlich, mein lieber Seth, habe ich das ja getan.« Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber da war irgendetwas … etwas Ähnliches wie Angst, ganz dicht unter der Oberfläche. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte Seth an Darian und Louis gerichtet. »Wir können sie doch nicht einfach da draußen erfrieren lassen. Sie ist nicht ganz bei Sinnen, das ist der endgültige Beweis. Wir müssen wenigstens versuchen, sie zu finden!« »Wir wissen doch nicht mal, wie lange sie schon weg ist.« Darian kniete neben dem Kamin. »Die Chance, sie jetzt noch zu finden, kann nicht hoch sein.« »Gleich null«, knurrte Louis. »Wir müssen es versuchen«, sagte Seth. »Kommt schon, wir können doch nicht einfach–« »Ich habe heute Nacht schon einmal mein Leben für diesen Warmduscher riskiert.« Louis' Zeigefinger schnellte in Richtung Raymond. »Wenn diese hirnlose Nutte da draußen erfrieren will, ist das ihre Sache, aber ich begebe mich nicht in Lebensgefahr, indem ich genauso blöd bin und ihr da raus folge!« Seth und Darian schauten rüber zu Raymond, in Sorge, wie er reagieren würde. Er starrte Louis aber einfach nur einen Moment an, dann wandte er seinen Blick dem Feuer zu und murmelte: »Ich glaube, Louis hat recht. Wir können jetzt nichts mehr für sie tun. Am besten, wir warten bis morgen früh und schauen mal, was dann passiert.« »Jetzt bin ich mir sicher, dass das alles bloß ein Albtraum ist.« Louis ließ sich schlapp auf sein Bett fallen. »Raymond spricht und seine Worte machen Sinn!« »War denn überhaupt irgendeine Spur von ihr zu sehen?«, fragte Darian. Raymond schüttelte den Kopf. »Warum macht sie so was? Warum steht sie einfach mitten in der Nacht auf und verschwindet? Sie musste doch wissen, dass sie in diesem Sturm keine Chance hat!« »Ich hab der kleinen Schlampe vom ersten Moment an misstraut.« Louis zog sich die Stiefel aus.