Ceras Abenteuer - Das Geheimnis der schwarzen Stute. Lena Wege. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lena Wege
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960742838
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Stromstoß schien die Leute zu durchzucken. Plötzlich schrien alle auf einmal entsetzt auf.

      „Arzt! Wir brauchen einen Arzt!“, brüllte der Ansager heiser in das Mikrofon. Sanitäter eilten mit einer Trage herbei und liefen auf den Platz.

      „Kommt zu mir, ich bin schwer verletzt! Erst zu mir, nicht das Pferd!“, schrie der Junge im Sand. Die Helfer legten ihn auf die Trage. „Fasst mich nicht an, ihr Tölpel!“ Er stöhnte, obwohl man nichts erkannte, was nach einem Bruch oder einer Verrenkung aussah.

      Cera konnte nicht anders. Sie riss sich los und lief zu dem Pferd. Viele Leute aus dem Publikum und andere Teilnehmer taten es ihr gleich, doch sie alle standen bloß herum und gafften, keiner tat etwas. Cera bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und kniete sich in den weißen Sand. Sie nahm den Kopf des Pferdes in den Schoß. Es schwitzte heftig und die Trense hatte sich im Maul an der Zunge verhakt, sodass Blut in den Sand sickerte. Cera nahm ihm vorsichtig die Trense ab. Der wundervolle Hengst stöhnte. Er atmete schwach und sein Vorderbein war dick angeschwollen. Apple, der Cera hinterhergelaufen war, berührte das gestürzte Pferd am Maul. Es schnaubte schwach.

      „Na, kommt denn kein Tierarzt?“, drang es panisch aus den Lautsprechern.

      „Du armes Tier“, flüsterte Cera in das schlaff herabhängende Ohr des cremefarbenen Hengstes. „Du hast es nicht verdient, von so einem Jungen gequält zu werden!“

      Dann kam endlich ein Tierarzt aus dem Stallgebäude herbeigeeilt. Er war klein und dick, und hatte ein teigiges, aufgedunsenes Gesicht. Graubraune Haare hingen in fettigen Büscheln in seine Stirn. Genau genommen sah er aus wie ein riesiger Frosch mit Hornbrille. Cera hatte ihn noch nie gesehen und fand ihn sofort unsympathisch. Sie traute ihm gar nicht zu, ein richtiger Tierarzt zu sein.

      Als er sich neben das Pferd kniete, bekam Cera auf einen Schlag ein flaues Gefühl im Magen. Sie riss die Augen auf. Der Tierarzt hatte die Ärmel seines weißen Kittels hochgekrempelt. Erst hatte sie gedacht, das hätte er getan, weil er so besser arbeiten könne, doch die nach innen gekrempelten Seiten waren mit Blut befleckt. Sie wischte den Gedanken sofort weg. Er hatte bestimmt nur eine Ente oder so etwas sezieren müssen. Sie zwang sich wegzusehen und blickte in die Augen des Pferdes, doch da bekam sie noch mehr Angst.

      Der Arzt ließ seine schwere Tasche neben Cera in den Sand plumpsen und betastete das verletzte Bein des Tieres. Als er es berührte, stieß es einen leisen Schrei aus. „Dürfte ich Sie alle bitten, wieder auf Ihre Plätze zu gehen!“, rief der Tierarzt ein wenig ungeduldig in die Menschentraube, die glotzend dastand.

      „Darf ich hierbleiben? Bitte! Einer muss doch das Pferd beruhigen, ich sehe hier keinen anderen, der das tun würde“, flehte Cera und kauerte sich neben den Kopf des Hengstes. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass mit dem Tierarzt etwas nicht stimmte und dass sie unbedingt bei dem Tier bleiben musste.

      „Na gut“, gab der Arzt widerwillig nach. „Aber du musst verstehen, dass du nicht das ganze Turnier bei ihm bleiben kannst.“

      „Ja klar!“, versicherte Cera hastig und strich beruhigend über den Hals des Pferdes. Es kamen noch einige Helfer aus dem Stall, die den Hengst gemeinsam auf einen riesigen Wagen legten, den sie unter Anstrengungen und Schweiß in den Stall karrten. Die Räder blieben fast immer in Sandlöchern stecken und jedes Mal musste man die Trage mühevoll anheben und weiterschieben. Cera erhob sich schwankend und beeilte sich hinterherzukommen. Ihre Beine waren eingeschlafen und das stechende Prickeln, das einen ganz verrückt machte, durchfuhr sie nun.

      In der nächsten halben Stunde bekam Cera gar nichts von dem Pferd zu Gesicht. Sie saß klein, verlassen und unbemerkt von jedermann auf einem Strohballen in der gegenüberliegenden Box der Quarantänekammer, in die man das leidende Tier gebracht hatte. Alle möglichen Ärzte, Helfer und Stallarbeiter wimmelten um das Pferd herum, brachten Röntgengeräte, Wassereimer, Tücher und Medizinkoffer voller seltsamer Instrumente, von denen Cera gar nicht wissen wollte, was man damit anstellte. Irgendwann nach 20 Minuten kam ihr zu Ohren, dass das Vorderbein ganz sicher verletzt war und man nun einen elastischen Verband anlegen müsse. Als sich die Menschen langsam zerstreuten, sah Cera, wie der Arzt das Pferd noch einmal untersuchte und ihm etwas aus einer langen Spritze injizierte. Hoffentlich war es nur ein Schmerzmittel.

      Dann verließen die Helfer den Stall und Cera blieb alleine mit dem Tierarzt in der Box. „Hol mir sofort einen Eimer mit Wasser!“, befahl er ihr.

      Der Hengst hatte den Kopf auf den Rücken des Tierarztes gelegt, während dieser das verletzte Bein versorgte. Cera kam mit einem großen Eimer Wasser zurück zur Box.

      „Hier, mach diese Tücher nass und lege sie dem Hengst auf den Hals, damit er sich abkühlt“, wies sie der Tierarzt an.

      Cera tunkte eines der weißen Tücher, die er ihr gegeben hatte, in das eiskalte Wasser. Von draußen hörte man Pferdegewieher und die Stimme aus dem Lautsprecher. Cera hörte, wie der Ansager die Leute beruhigte und ihnen mitteilte, dass der Junge des Hafen-Reitvereins im Krankenhaus angekommen sei. Vom Pferd sagte er nichts.

      Cera seufzte, tunkte einen Lappen nochmals in den großen Eimer und legte das triefende Tuch auf den verschwitzten Hals des Hengstes. Er zuckte zusammen und wieherte.

      „Ist ja gut, es ist nur ein Lappen, der dir hilft, dich abzukühlen“, beruhigte Cera ihn. Nach einer kurzen Pause legte sie einen neuen Lappen auf seinen Hals.

      „So“, sagte der Tierarzt und richtete sich auf, „das Bein dieses Pferdes ist verstaucht und muss ruhiggestellt werden. Ich werde jetzt gehen und in meiner Praxis anrufen, dass sie einen Wagen her schicken, um das Pferd abzuholen. Ich komme in einer Viertelstunde wieder. Deine Aufgabe ist es jetzt, aufzupassen, dass dieser Prachtkerl sein Bein stillhält. Ich habe ihm eine Binde um das Bein und die Schulter gebunden, so kann er es locker lassen und trotzdem belastet er es nicht. Gib ihm zu trinken, ich komme bald wieder, um nach ihm zu sehen.“ Damit stand er ächzend auf, nahm seine Tasche und verließ das Stallgebäude.

      Nun waren Cera und der Hengst allein im Stall. Der Hengst blieb weiter mit hängendem Kopf stehen. Cera kraulte seinen Hals und sprach mit ihm. „Du bist aber auch wirklich arm dran. Was stellt denn dieser Junge mit dir an? Du bist doch ein wundervolles Pferd! Der denkt doch nur an sich selber ... Hast du gehört, was er gesagt hat? Erst zu mir, nicht das Pferd! So ein Schwachsinn! Dabei hat er doch ganz genau gewusst, dass du dir viel mehr wehgetan hast und dich schwerer verletzt hast als er. Der quält dich bestimmt die ganze Zeit, was? Bist du überhaupt sein Pferd? Oh, warte, ich mache dir neue Tücher!“ Sie hatte an den Bauch des Hengstes gefasst und bemerkt, dass die Lappen schon ganz warm waren.

      Cera tunkte die Wickel erneut in das Wasser und spürte, dass auch dieses nicht mehr ganz kühl war. Sogar eine Fliege schwamm schon auf der Oberfläche. Sie sagte zu dem Palomino, dass er kurz warten solle, und lief zum Wasserhahn, um frisches Wasser nachzufüllen. Dann ging sie zurück und machte neue nasse Lappen. Der Hengst zuckte immer wieder zusammen, wenn sie ein kaltes Tuch auf seinen Körper legte.

      „Wie heißt du überhaupt?“, begann sie wieder. „Wenn dieser Typ dir überhaupt einen Namen gegeben hat ... Bestimmt so was wie Pferd 13 oder so. 13 ist ja eine Unglückszahl. Aber ich glaube, wenn dieser verzogene Kerl 13 Pferde hätte, dann würde er sogar alle so schlimm behandeln. Ich hasse es, wenn man Tiere quält! Oh, sieh mal hier, man erkennt die Abdrücke von seinen Absätzen.“ Cera berührte die Druckstelle an der Flanke mit dem Finger. Sofort fuhr das Pferd auf. „Oh, Entschuldigung, ich wollte dir nicht wehtun“, sagte sie schnell.

      Schon wieder waren die Wickel warm geworden. Cera tunkte sie noch einmal in kaltes Wasser. Sie stellte den Bottich neben dem Tier ab. Der Hengst wollte daraus trinken, doch Cera gab ihm frisches Wasser. In einem Sack in der Stallgasse fand sie noch ein bisschen Heu und ein paar Brotrinden. Das Heu duftete und die Brotrinde war noch nicht ganz steinhart. Cera gab beides dem Pferd.

      Es belastete das vordere rechte Bein nicht, sondern stellte es auf die Hufkante. Zum Glück war nur das Schienbein oder so etwas Ähnliches verstaucht. Wenn das Bein weiter oben gebrochen wäre, müsste Cera nun bangen. Das wäre sehr schlecht gewesen, denn der obere Teil des