Ceras Abenteuer - Das Geheimnis der schwarzen Stute. Lena Wege. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lena Wege
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960742838
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sich Cera noch jahrelang erinnern. „Du hast einen Blick wie ein Reh, weißt du das? Sag mal, wenn du schon keinen richtigen Namen hast, bekommst du wenigstens von mir einen. Du kannst ziemlich gut springen ... Obwohl ich Springen eigentlich auch Tierquälerei finde, kleine Hindernisse sind aber ganz okay. Und du hast so wunderschönes Fell, das strahlt und glüht im Licht so schön wie Gold ... Deswegen nenne ich dich am besten Firefly, wie das Glühwürmchen“, überlegte sie laut. Sie grinste über den passenden Namen und flüsterte in das linke herabhängende Ohr: „Das bleibt aber unter uns.“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und drückte ihr Gesicht in seine nach Pferd duftende Mähne. Sie war so weich. Cera hätte so gern dieses Pferd einfach mit nach Hause genommen. Aber es ging ja nicht. Sie seufzte. Plötzlich ertönten Schritte aus dem Stallgang und Maggy kam herein. Cera schrak auf.

      „Hallo Cera“, begrüßte Maggy sie. Sie lehnte sich an die geschlossene Boxentür und blickte Firefly respektvoll an. „Das ist aber ein hübsches Kerlchen! Außerordentlich gut gebaut! Der wäre ein hervorragender Zuchthengst!“

      Cera war der gute Körperbau des Hengstes nicht entgangen. Er hatte einen wunderschönen, fein gegliederten Kopf, eine kräftige Brust und einen starken Rücken mit kräftiger Hinterhand. Seine Beine waren lang und schmal und die Schultern perfekt geformt für weiche Gänge. Er trug den Kopf aufmerksam erhoben und hatte einen gebogenen Hals.

      Cera lächelte und streichelte Fireflys Blesse. Es war eine wundervoll geformte Blesse. Unter dem Schopf begann ein dünner, schmaler weißer Streifen. Nach unten hin wurde er immer breiter, zog sich über das Gesicht und endete am Maul, das fast völlig weiß war. Es sah aus, als hätte ein Maler dem Hengst dieses Meisterwerk auf die Nase gemalt. Eine Blesse in Form und Farbe einer Schneelawine.

      „Du, Cera, es läuft gerade gar nicht gut mit uns. In den letzten drei Spielen haben wir immer verloren. Im Moment führt der Hafen-Reitverein. Sie haben zehn Punkte mehr als wir. Du musst jetzt zum letzten Spiel. Du warst noch nicht dran“, stellte Maggy seufzend klar. Enttäuscht ging Cera aus der Box. Firefly legte den Kopf auf den Rand der Tür. „Ich hoffe, wir sehen uns noch mal. Heute bestimmt nicht mehr, der Tierarzt kommt ja gleich! Gute Besserung“, flüsterte sie ihm zu und drückte ihm einen Kuss auf die Nase. Kaum hatte sie sich abgewendet, kam der Tierarzt aus einem Seitengang herausgewatschelt. Sein korpulenter Körper machte ihm ganz schön zu schaffen, so sah er aus wie ein schnaufendes Walross. Schweißperlen tropften von seiner käsigen Stirn.

      „Ah, da sind Sie ja!“, rief Maggy. „Dann können wir beide ja jetzt zum Turnier zurückgehen!“

      „Das würde ich Ihnen auch raten!“, knurrte der Mann. Plötzlich klang die Stimme des Tierarztes forsch und drohend.

      „Ja, ja, schon gut. Schönen Tag noch!“, meinte Maggy beschwichtigend und zog Cera mit sich. Sie legte ihr wie eine Mutter den Arm um die Schulter und ging mit ihr langsam die Stallgasse hinunter.

      Plötzlich ging der Tierarzt zu Fireflys Box und holte ihn am Halfter heraus. Der Hengst quietschte und stemmte seine drei übrigen Hufe in den Boden. Der Mann zerrte ihn aus der Box heraus und wollte gerade durch den hinteren Stallgang gehen, da drehte sich Cera um und rief erschrocken: „Was machen Sie denn da?“ Ihre Stimme überschlug sich panisch. Sie wollte sich von Maggy lösen und dem Tierarzt hinterherlaufen, doch Maggys Finger bohrten sich in ihren Arm.

      „Cera, komm, wir müssen zum Turnier!“, flüsterte sie. „Lass den Tierarzt nur seine Arbeit machen!“

      „Nein!“, presste Cera mit zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich will erst wissen, was er mit dem Pferd macht!“

      „Ich bringe es nur zum Parkplatz, ich habe dir doch gesagt, dass meine Kollegen das Pferd hier abholen“, schrie das Walross zurück. Nun lachte der Mann zum ersten Mal hämisch und fies. Abrupt schreckte Cera zurück. Das Lächeln war höhnisch und die Lippen entblößten eine Reihe kleiner, spitzer Zähne, die aussahen wie die eines Krokodils. Ein kalter Schauer lief Cera über den Rücken. Sie witterte etwas, nur wusste sie nicht, was.

      Schon wurde sie von Maggy weitergezogen. „Cera, nun komm endlich!“, schnaubte Maggy ungeduldig.

      Merkte sie denn etwa nicht, dass hier etwas gewaltig schieflief? Cera wand sich und versuchte, aus Maggys Griff zu entkommen, doch diese zog sie unbeirrt weiter. Obwohl sie schlank war, hatte sie unglaublich kräftige Oberarmmuskeln, mit denen sie Cera im Klammergriff hielt. Firefly drehte wiehernd den Kopf nach hinten und rollte mit den Augen.

      Dann ging alles ganz schnell. Der Tierarzt begann nun zu rennen und zog dabei den Kopf des Pferdes mit einem Ruck nach unten. Auf einmal öffnete sich eine Boxentür weiter vorne im Stall und ein recht mitgenommen aussehender Mann kam heraus. Er schwankte stark und hielt sich an der Wand fest. Am Kopf hatte er eine übel aussehende Platzwunde, aus der es stark blutete. Er blickte erst Maggy und Cera verwirrt an, dann sah er den Tierarzt, der mit dem Pferd davonrannte. „He!“, schrie er auf einmal. „Sie da! Was machen Sie mit meinem Kittel und meiner Medizintasche?“

      In Ceras Kopf überschlug sich auf einmal alles. Sie blickte den Mann mit der Platzwunde entgeistert an. „Ihr Kittel und Ihre Medizintasche? Sie sind der richtige Tierarzt?“

      „Ja ...“, brachte er gurgelnd hervor, bevor seine Stimme erstarb und er in sich zusammensank.

      Cera riss sich endgültig los. Sie rannte dem flüchtenden Tierarzt hinterher, der nun ganz sicher kein Tierarzt mehr war. Es war ein Mann, der Firefly stehlen wollte! Sein weißer Tierarztmantel löste sich auf einmal von seinen Schultern und fiel auf den Boden. Hinter Cera begann Maggy, um Hilfe zu schreien. Cera konnte nicht mehr rechtzeitig der Medizintasche ausweichen, die mitten im Weg stand. Ihr Fuß verfing sich in einer Schlaufe, sie stolperte und fiel auf den Beton. Sie schlitterte, um sich abzufangen, doch ihre Reithose zerriss an den Knien. Sie taumelte, ihre Ellenbogen klappten nach außen weg und sie prallte mit der rechten Wange auf den Stein. Sie sah gerade noch, wie der falsche Tierarzt Firefly in einen Hänger schob, die Verladeklappe zuknallte und sich mit Schwung in den grünen Jeep setzte, der den Hänger zog. Dann brauste er mit einem Affentempo vom Parkplatz.

      Cera sah nichts mehr vor lauter Schmerz. Sie wollte um Hilfe rufen, doch sie bekam nur noch ein heiseres Piepsen heraus. Sie stützte die Stirn auf den kalten Beton. Ihre Augen waren trocken, sodass sie nicht weinen konnte, obwohl sie es so gerne gewollt hätte. Ihre Knie und die Wange brannten und ihre Handflächen waren aufgeschürft. Sie hatte verloren. Sie hatte das ganze Spiel verloren. Und vor allem: Sie hatte Firefly verloren. In ihren Ohren hörte sie noch sein panisches Schreien und sah seine rehbraunen Augen vor sich. Doch das passte irgendwie nicht zusammen. Dann hörte sie Schritte und spürte, wie jemand ihren Fuß aus der Schlaufe befreite.

      Dieser Jemand strich ihr über den Kopf und flüsterte: „Cera.“ Erst ganz leise, dann noch einmal etwas lauter: „Cera!“ Sie wollte sich aufrichten, doch sie hatte keine Kraft dazu.

      „Cailie“, flüsterte sie, „bist du da?“

      „Ja“, wisperte die Stimme zurück. „Soll ich dir helfen?“ Cera antwortete nicht, doch sie wurde hochgezogen. Ihr Rücken lehnte gegen die kühle Stallwand. Ihr Schädel brummte und vor ihren Augen hing dichter Nebel. Als dieser sich lichtete, erblickte sie Cailie, die ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte, Maggy und die anderen Mädchen. Es war fast ein bisschen so wie damals, als sie vom Baum gefallen war. Verzweifelt lächelnd stand Cera auf. Vielmehr versuchte sie, aufzustehen, denn sie kippte gleich wieder um.

      „Cera, Cera. Was machst du nur für Sachen?“, murmelte Maggy kopfschüttelnd. Ihr Pferdeschwanz hatte sich aufgelöst und lose braune Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht. Fast sah sie aus wie Ceras eigene Mutter, wenn sie besorgt um ihre Kinder war. Man sah allen an, dass ihnen der Schock noch tief in den Knochen saß.

      „Was ist mit dem Turnier? Läuft es noch oder haben die schon Wind von der Sache hier bekommen?“, fragte Cera hastig. Ihre Lippen fühlten sich rissig an, und als sie mit der Zunge darüberfuhr, schmeckte sie Blut.

      Cailie machte gerade den Mund auf, um ihr zu antworten, da kam ein Mann in einem blauen Overall. Es war ganz normale Stallkleidung, aber man sah sofort, dass er