FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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dafür, dass er einschlief.

      Als er aufwachte, war die Hälfte der Einserschicht schon verstrichen. Im ersten Moment erschrak er, bis er sich daran erinnerte, dass Pola die Einserschicht für ihn übernommen hatte. Er hatte noch drei Stunden Zeit, bis die Zweierschicht begann. Es war ein merkwürdiges Gefühl, sich so viel Zeit lassen zu können. Er trödelte im Bad herum, bis ihn der Hunger endlich in die Kantine trieb.

      Er hielt Ausschau nach Dean, entdeckte jedoch nur Nguyen, der allein an einem der Tische im Offiziersbereich saß. Mit einem Seufzen wollte Alan mit seinem Tablett einen der anderen Tische ansteuern, als Nguyen aufsah und ihn anlächelte.

      »Wollen Sie sich zu mir setzen, Sir?«, fragte Nguyen.

      Obwohl er eigentlich keine Lust hatte, änderte Alan seine Richtung und ließ sich neben Nguyen auf den Stuhl sinken.

      »Hallo.«

      »Wie geht es Ihnen?«, fragte Nguyen, während er einen Toast butterte.

      Alan seufzte. »Nicht so gut, wie es mir lieb wäre.«

      »Das kann ich verstehen.« Nguyen legte das Messer ab und öffnete die Verpackung der Marmeladenschachtel. Alan kam es vor, als wollte er eigentlich etwas ganz anderes wissen.

      »Wie waren sie?«, fragte Nguyen endlich.

      Verwirrt hörte Alan auf, seinen Kaffee umzurühren. »Wer?«

      »Die Krail-on.« Nguyens Augen leuchteten.

      »Oh, die! Groß, mindestens einen halben Kopf größer als ich. Breit, viele Haare. Naja, irgendwie schon beeindruckend.« Die magere Beschreibung wurde Alans Erinnerung nicht gerecht.

      »Und? Wie war es dort? Mister Mabuto hat uns nur gesagt, dass Sie den Kampf gewonnen haben. Wie war es? Ich meine, wie war es wirklich?« Nguyen vergaß vor Neugierde, die Marmelade auf seinen Toast zu streichen.

      »Ich …« Alan stockte. Wie in Trance legte er den Löffel aufs Tablett.

      »Wenn Sie nicht darüber reden wollen, kann ich das verstehen. Wirklich kein Problem«, wehrte Nguyen ab und wandte sich wieder seinem Toast zu.

      »Nein«, sagte Alan.

      Nguyens Bitte war eine Herausforderung für ihn, eine Herausforderung, sich seinen Ängsten zu stellen. Erst stockend, dann immer schneller begann er, zu erzählen. Er ließ nichts aus, seinen Preis für den Sieg, seine Vermutung, dass Sorai-an das Sagen hatte, die Beschreibung des Saals, das Bad in der Menge, den Kampf.

      »Und dann haben Sie ihn getötet?«, fragte Nguyen atemlos.

      Alan schüttelte den Kopf. »Nein, es war nur ein Kratzer. Stark hatte seine Waffe mit Gift behandelt.«

      »Aber Sie wurden doch auch verletzt«, wandte Nguyen bestürzt ein.

      »Dean und Mister Benton haben mich zum Shuttle gebracht und mir das Gegengift gegeben.«

      Nguyen stieß ein kleines Lachen aus. »Gut, dass Doktor Hayes das Gegengift gefunden hat.«

      »Ja.«

      Alan starrte an Nguyen vorbei ins Nichts. Er wollte hier weg. Fort von Nguyen, zurück in sein Quartier. Nichts denken müssen, alles vergessen. Alles, alles …

      »Und wo war die Frau, die Sie mit an Bord gebracht haben?«, fragte Nguyen.

      Alan keuchte, Schweiß auf der Stirn. »Die Frau?«

      »Sir, alles in Ordnung mit Ihnen?« Nguyen beugte sich über den Tisch.

      »Was? Ja. Sicher.« Mit zitternden Fingern tastete Alan nach der Kaffeetasse. »Die Frau«, wiederholte er. »Sie wollte uns aufhalten und ist uns ins Shuttle gefolgt. Als die Krail-on kamen, ist Dean zurückgeflogen und hat sie mitgenommen.«

      »Komisch«, meinte Nguyen.

      Komisch.

      »Kass-Un.« Er hörte ihre Stimme, sah, wie sie vor ihm auf die Knie fiel, als er die Hand nach ihr ausstreckte.

      Nguyen hatte recht. Es war merkwürdig. Weshalb war sie uns entgegengekommen? Und weshalb war sie uns aufs Schiff gefolgt?

      »Sir?«

      Nguyens Stimme holte Alan in die Realität zurück. Er bemerkte, dass er die Kaffeetasse in der Hand hielt, und starrte auf ihren Inhalt.

      Sie trug ein weißes Kleid. Also gehört sie ebenfalls zu den Heilerinnen. Zu den Beraterinnen. Brauchte ein Kass-Un zwei Heilerinnen oder Beraterinnen? Gewöhnlich nicht, gab sich Alan selbst die Antwort.

      Alan nahm einen Schluck Kaffee und setzte die Tasse ab, wandte sich seinem Toast zu und butterte ihn.

      Warum war sie zu ihm gekommen? Hatte sie sich Hilfe von ihm erhofft? Und warum war sie ihm ins Shuttle gefolgt? Warum war sie nicht auf das Krail-on-Schiff zurückgekehrt, als die Krail-on im Hangar auftauchten?

      Alan stutzte. Den Mund schon geöffnet, um in den Toast zu beißen, legte er ihn zurück auf den Teller.

      »Ich Idiot«, keuchte er.

      »Sir?« Nguyen blickte ihn neugierig an.

      »Danke«, sagte Alan. »Danke, Sie haben mir sehr geholfen.«

      Pola empfing ihn mit einem Lächeln, als Alan wie verabredet vor Ablauf der Einserschicht auf der Brücke erschien. Sie war wie ausgewechselt.

      »Setzen Sie sich«, meinte sie. »Ich habe jetzt lange genug gesessen.«

      Alan nahm ihren Vorschlag gerne an. »Schön. Wollen wir eine Triangulation zusammen berechnen?«

      Pola lutschte an ihrer Unterlippe. »Wie Sie meinen.«

      Mit ein paar Eingaben hatte Alan ein Manöver ausgesucht und holte es auf seine Anzeige. Auffordernd blickte er Pola an. Die Frau seufzte und runzelte die Stirn, während sie die Daten auf ihr Notepad übertrug. Danach verzog sie sich in den Bereitschaftsraum.

      Nachdem sie gegangen war, starrte Alan mit gerunzelter Stirn auf den Monitor. Schließlich beugte er sich vor und begann, in den Kursdaten zu blättern. Endlich fand er den Eintrag, den er suchte. Der Tag, als sie Stark das erste Mal begegneten. Er studierte die Kursvektoren der beiden Schiffe und rieb sich die Stirn.

      In diesem Moment kam Pola zurück, um ihm das Notepad zu übergeben.

      Alan studierte ihre Lösung und fand schon auf den ersten Blick einen Fehler. »Sie haben vergessen, die Masseauswirkungen dieser beiden Objekte mit einzubeziehen.«

      Polas Schultern sanken herab. »Ich dachte, das sei nicht relevant.«

      »Naja, wenn Sie eine Lichtsekunde Unterschied nicht als relevant erachten.«

      »Es tut mir leid. Ich lerne das nie.«

      Das war früher der Punkt gewesen, an dem Alan regelmäßig die Geduld verloren hatte. Er bemerkte Mabutos Blick und bat alle Heiligen, die ihm einfielen, um Nachsicht und Geduld. »Ach was! Wenn Sie’s sich nicht merken können, dann schreiben Sie’s sich einfach auf. In einer Woche können Sie es auswendig.«

      Pola sah ihn zweifelnd an. »Aufschreiben?«

      »In Ihr Notepad, ja! Jetzt!«

      »Was denn?«

      »Na, alles!«

      Alan skippte die Kursprojektion weg, überließ Pola den Platz und schaute ihr dabei zu, wie sie die Aufgabe von der Konsole auf ihr Notepad transferierte.

      »Und jetzt?«

      Alan schaffte es, ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern. »Jetzt rechnen Sie es noch einmal nach.«

      Pola seufzte und verzog sich in den Bereitschaftsraum, während sich Alan wieder ans Steuerpult setzte. Mit einem Tastendruck holte er sich die Kursprojektionen wieder auf den Schirm. Der Winkel war offensichtlich. Er prüfte seine Vermutung und sank