FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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war mit einem Mal speiübel. Er sprang auf, sodass die Schachfiguren durcheinander purzelten, und stürmte zum Schott. Davor blieb er stehen und lehnte die Stirn an das Metall. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust.

      »Es ist aus«, flüsterte er.

      »Aus? Wovon redest du da?«

      Alan hörte das Quietschen der Federaufhängung, als Dean vom Bett aufstand.

      »Aus«, wiederholte er und drehte sich zu Dean um. »Vorbei. Doktor Hayes gibt mir noch maximal zwei bis drei Wochen. Eher weniger.«

      Endlich war es heraus.

      Dean klappte der Mund auf.

      »Aber … ich meine, kann Doktor Hayes denn nichts tun? Warum hat sie dich dann entlassen?«

      »Eine Art letzter Gefallen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.« Nach einem tiefen Atemzug kehrte Alan zum Bett zurück und setzte sich wieder.

      Wie erstarrt stand Dean mitten im Raum.

      »Scheiße«, sagte Dean nach einer Weile und ließ sich neben Alan aufs Bett sinken. »Scheiße.«

      Alan starrte auf das Schott. Jetzt, da er es ausgesprochen hatte, begriff er die Worte in ihrer ganzen Tragweite. Der Tunnel öffnete sich wieder vor ihm, zog ihn hinein, dass ihm schwindelte. Mit einem Keuchen hob er die Hand, um sich die Stirn zu massieren. Stieß auf kalten Schweiß, der ihn ins Schleudern brachte.

      Plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter.

      »Kommst du klar?«

      Alan nickte. Der Sog verebbte.

      »Heh, wenn … wenn du Hilfe brauchst oder reden willst … Ich bin da.«

      »Ich weiß«, würgte Alan hervor.

      Deans Hand drückte Alans Schulter. Bevor Dean loslassen konnte, griff Alan nach Deans Handgelenk und hielt ihn fest. Er brauchte seinen ganzen Mut, um ihn anzusehen. Aber Dean wich seinem Blick nicht aus.

      »Danke«, sagte Alan nach einer Weile. Er überwand sich, ließ Deans Handgelenk los und schaffte ein Lächeln.

      »Nichts zu danken.«

      Die Worte weckten neue Kraft in Alan.

      Er musste einige Dinge in die Wege leiten. Bevor es vielleicht zu spät war.

      Als die Kommanlage neben dem Schott knackte, lag Alan noch im Bett. Er war schlicht zu müde, um aufzustehen.

      »Hier ist Benton«, tönte es aus dem Lautsprecher. »Doktor Hayes möchte Sie auf der Krankenstation sehen.«

      Alan wurde mit einem Schlag speiübel. Er starrte an die Decke, bis er endlich begriff, dass Benton ein zweites Mal nach ihm gerufen hatte. Mit einem Stöhnen setzte er sich auf. Sein Quartier schwankte. Eine Hand als Stütze an der Wand wankte er zum Schott, betätigte den Öffnungsmechanismus und blickte auf Bentons Brust.

      Verdutzt sah der Pfleger auf Alan herab. »Äh, Sir! Ich warte gerne vor der Tür, bis Sie sich angezogen haben.«

      Erst in diesem Augenblick wurde Alan bewusst, dass er nur mit einer Unterhose bekleidet war.

      »Was ist los?«

      »Doktor Hayes will Sie sofort sprechen. Wegen der Blutwerte.«

      »Welche Blu…«

      Bevor Alan das Wort beenden konnte, wusste er, was der Pfleger meinte. Seine Hand fand den Sender, der auf seinem nackten Bauch befestigt war. Die Übelkeit verstärkte sich.

      »Warten Sie!«

      Damit schloss er dem Pfleger das Schott vor der Nase und taumelte einen Schritt zurück in sein Quartier. Er schwitzte.

      Aus.

      Er rang nach Luft, tastete blind nach seinen Kleidern und zog sich an. Mit bebenden Fingern öffnete er das Schott.

      »Ich komme.«

      Als sich das Schott hinter ihm schloss, kam sich Alan wie ein zum Tode Verurteilter vor, der zu seiner Hinrichtung gerufen worden war.

      »Kommen Sie hierher«, sagte Hayes zu Alan anstatt einer Begrüßung. Ihre Hand wies auf die Behandlungsliege, die Alan schon kannte.

      Er biss die Zähne zusammen und setzte sich wortlos auf die Liege.

      »Sie können gehen, Mister Benton«, wandte Hayes sich an den Pfleger. Erst als das Schott sich hinter Benton geschlossen hatte, zog Hayes einen Stuhl heran und setzte sich Alan gegenüber. »Ihre Harnstoffwerte sind zu hoch, Mister McBride. Ich muss mir das näher ansehen.«

      Alan fröstelte. »Und … was heißt das?«

      »Es könnte heißen, dass das eingetreten ist, was ich befürchtet habe.«

      Die Zeit stand still. Er sah nichts mehr, hörte nichts mehr, schmeckte nichts mehr, war mit einem Mal blind und taub.

      Bis Hayes seinen Arm berührte. »Darf ich?«

      Er schreckte zusammen, blickte sie verwirrt an und nickte endlich.

      Sie studierte sein Gesicht, tastete seine Wangenknochen ab, schien zu beobachten, wie die Haut unter ihren Fingern nachgab.

      »Wie lange haben sie die Ödeme schon?«

      Wasseransammlungen?

      »Ich … weiß es nicht.«

      »Fühlen Sie sich müde, schlapp?«

      »Naja, schon«, gab er zu. »Aber ist das nicht normal?«

      »In einem gewissen Rahmen schon.«

      Und wie sah der aus?

      »Ziehen Sie die Jacke aus und drehen Sie sich bitte um. Ich möchte Ihren Rücken abtasten.«

      Alan gehorchte. Hayes begann, seinen Rücken abzuklopfen. Als sie die Höhe der Lendenwirbelsäule erreichte, zuckte er zusammen. Sie hielt inne, um sich dann seinen Flanken zu widmen.

      »Was machen Sie da?«

      »Ihre Nieren abklopfen.« Sie seufzte. »Es fällt mir schwer, es Ihnen zu sagen, aber es deutet bisher alles daraufhin, dass mit Ihren Nieren etwas nicht stimmt. Um sicher zu sein, brauche ich noch einen Scan von Ihnen, eine Ultraschallaufnahme und einige Blutwerte.«

      Die Erinnerung an die Schläuche überfiel ihn. Er schwitzte. Um das Zittern seiner Finger zu verbergen, legte er sie auf seine Oberschenkel.

      »Fangen Sie an.«

      »Gut.«

      Danach zog sie einen Rolltisch heran und bereitete eine Spritze und einige Röhrchen zur Blutabnahme vor. Alan ließ es wortlos über sich ergehen.

      Sie legte die Röhrchen in einer Konsole in eine Öffnung, verschloss diese wieder und gab eine Reihe von Daten ein, bevor sie sich ihm wieder zuwandte.

      »Die Blutanalyse läuft. Wir können in der Zwischenzeit den Scan und die Ultraschalluntersuchung durchführen.«

      Wieder nickte er nur, ließ sich von ihr zu einer Liege führen, die mit einem Sichtschutz vom Rest des Raumes abgetrennt war. Auf ihr Geheiß machte er seinen Bauch frei und streckte sich dort aus, starrte an die Decke, während sie den Sender und den Schlauch entfernte. Als sie Gel auf seinen Bauch gab, zuckte er zusammen.

      »Können wir jetzt noch einmal über die Therapie reden?««, fragte sie.

      »Wozu?«

      »Weil ich glaube, dass Sie sie dringend brauchen.«

      »Ich wüsste nicht, weshalb.«

      Hayes schwieg und begann, mit dem Ultraschallsender seine Bauchdecke abzufahren, während sie dabei den Monitor des Geräts studierte.

      »Und?«, quetschte