FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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er sich zu Mabuto um, der irgendwelche Daten auf einem Notepad studierte. Das musste er erfahren.

      In diesem Moment kehrte Pola zurück. »Es klappt nicht«, meinte sie.

      Ein Seufzen kam aus Alans Mund. Mit Blick auf Mabuto speicherte er seine Daten ab und rief ihren momentanen Kurs wieder auf den Monitor. »Sir, erlauben Sie?« Alan deutete Richtung Bereitschaftsraum.

      Mabuto nickte knapp.

      Alan deutete einen Gruß an und verließ mit Pola die Brücke. Als das Schott sich hinter ihnen schloss, ließ sich Pola mit einem Seufzen in einen der beiden Stühle fallen.

      »Kaffee?«, fragte Alan.

      Als Pola nickte, schenkte er zwei Tassen ein und setzte sich neben sie. »Machen wir es zusammen?«

      Sie nickte nur.

      Aufmunternd lächelte er sie an. »Schön. Dann ganz von vorn. Wir schaffen das schon.«

      Nach einer Viertelstunde hatten sie die Berechnung gemeinsam durchgeführt. Erleichtert ließ sich Pola in ihrem Stuhl zurücksinken.

      »Uff! Danke! Ich glaube, jetzt habe ich es endlich kapiert!«

      »Keine Ursache. Wenn Sie möchten, machen wir morgen weiter.« Alan wunderte sich, warum er das nicht schon früher getan hatte, anstatt sich dauernd über Pola zu ärgern.

      »Gerne.«

      »Dann bis in einer Stunde.«

      Nachdem Pola den Bereitschaftsraum verlassen hatte, räumte Alan die Tassen weg und kehrte auf die Brücke zurück. Er brannte darauf, Mabuto von seiner Entdeckung zu erzählen. Doch der Stuhl vor der Kommandotafel war leer.

      Mit Wut im Bauch stürmte Alan in den Trainingsraum. Der Appetit war ihm vergangen. Mabuto war während der gesamten Zweierschicht nicht auf der Brücke aufgetaucht. Er schlief und wollte nicht gestört werden. Alan war in der richtigen Laune, seine Frustration an den Geräten auszulassen. Mit aufeinandergebissenen Zähnen setzte er sich an eine der Bänke, um Sit-ups zu machen.

      Das Erste verlangte seine ganze Kraft von ihm. Die Folgenden fielen ihm nicht leichter, wenn seine Bewegungen auch flüssiger wurden. Aber die Wut half ihm. Nach zwanzig hielt er inne, pumpte Luft in seine Lungen und starrte an die Wand. Fünfzig, nur fünfzig. Sonst hatte er mühelos über hundert geschafft.

      Er quälte sich durch die Wiederholungen, kämpfte gegen sich und die Erschöpfung, reduzierte sein Dasein auf diesen einzigen Zweck, wenn auch seine Muskeln protestierten und sein Herz hämmerte. Bis er endlich mit zitternden Muskeln die fünfzig erreichte. Er ließ sich nach vorne sinken, um sich mit den Armen auf den Knien abzustützen, schloss die Augen und genoss den Triumph, der ihn erfüllte.

      »Nicht in Form heute, Sir?«, störte ihn eine bekannte Stimme.

      Als Alan aufsah, fiel sein Blick auf Grahams breite, rot behaarte Brust, der gerade mit einem Ausatmen eine Hantel absetzte. Sein Trabant Malucci beobachtete ihn dabei.

      »Noch nicht«, erwiderte Alan. Mit einem Stöhnen stand er auf und rieb sich mit dem Handtuch den Schweiß vom Nacken.

      »So wie ich Sie kenne, machen Sie uns spätestens nächste Woche schon wieder alle nass«, grinste Malucci.

      Alan versuchte ein Lächeln. »Danke für die Blumen!«

      »Oh, Sir, Sie kennen mich doch! Ich würde niemals lügen, um mich bei jemandem einzuschmeicheln.«

      »Halt den Mund«, knurrte Graham und versetzte Malucci einen Stoß.

      »Hey, warum denn?«

      »Weil du heute wieder dein Gehirn vergessen hast.« Graham schob Malucci beiseite, während er Alan einen entschuldigenden Blick zuwarf.

      Alan winkte ab. »Schon vergessen.« Er kannte die beiden.

      Mit einem Seufzen wandte sich Alan der Stange zu, an der er seine Klimmzüge machte. Als er zu ihr hinaufblickte, schien sie ihn zu verhöhnen.

      Das war Blödsinn. Es hatte keinen Sinn, sich kaputtzumachen, nur weil er wütend auf sich selbst war, weil er die Gelegenheit verpasst hatte, mit Mabuto zu sprechen. Morgen war auch noch ein Tag.

      Er wollte sich gerade ein Fahrrad suchen, um sich darauf etwas abzukühlen, als das Schott zischte und Hancock und Jerome hereinkamen. Hancock warf Alan einen Blick zu, der mit einem Schlag alle Vernunft aus Alans Hirn fegte. Die beiden tuschelten miteinander. Jerome lachte. Zitternd vor Zorn lehnte Alan die Stirn an die Wand und rang nach Atem. Mit einem Keuchen trat er schließlich unter die Stange.

      Mistkerle!

      Er ließ das Handtuch auf den Boden fallen und sprang hoch. Einen Herzschlag hing er dort, fühlte, wie sein Gewicht an seinen Muskeln zerrte, begriff in diesem Augenblick, dass er zu viel von sich verlangte, doch loszulassen, wäre einer Niederlage gleichgekommen. Er schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, spannte die Muskeln an und zog sich Millimeter für Millimeter der Stange entgegen.

      Wie durch einen Tunnel hörte er Hancocks Stimme.

      Die Wut gab ihm die Kraft, die fehlenden Millimeter zu bewältigen. Nicht nachlassen, befahl er sich, als er am Scheitelpunkt bemerkte, wie seine Kräfte erlahmten. Er musste langsam nachgeben, sonst kam er nie wieder nach oben.

      Doch er schaffte es auch ein zweites Mal, die Stange mit dem Kinn zu erreichen, hangelte sich von einer Wiederholung zur nächsten, stur sein Ziel vor Augen, nicht bereit, aufzugeben. Irgendwann kam er bei zwanzig an. Noch fünf, motivierte er sich. Aus fünf wurden zehn und noch einmal zehn. Jetzt fehlten nur noch weitere zehn bis zu fünfzig.

      Er wusste nicht, wie er sie schaffte, aber er trotzte sie sich mit einem zornigen Stöhnen bei jedem Hochreißen des Körpers ab, bis er fünfzig zählte. Er begriff kaum noch, dass er nun die Stange loslassen konnte. Endlich sprang er.

      Die Beine gaben unter ihm nach. Er fand sich auf dem Boden sitzend wieder, schweißüberströmt, während sich eine Hand auf seinen Nacken legte.

      »Hol ein nasses Handtuch!«

      Alan wollte protestieren, brachte aber keinen Ton heraus.

      Graham ließ ihm keine Wahl, drückte ihn zu Boden und winkelte seine Beine an. Alan fühlte ein kaltes Tuch in seinem Gesicht und in seinem Nacken und kam langsam wieder zu sich.

      Das Erste, was er erblickte, waren Grahams rote, zusammengezogene Augenbrauen.

      »Geht’s wieder, Sir?«, fragte er.

      Alan nickte und versuchte sich aufzusetzen, doch Graham hielt ihn fest.

      »Sich einmal zu blamieren, das genügt, Sir.«

      Ausgezählt.

      Alan starrte an Graham vorbei an die Decke und schloss die Augen, lauschte auf seinen Herzschlag, während Graham neben ihm sitzen blieb. Nach einer Weile räusperte sich dieser und berührte Alans Arm.

      Wortlos richtete sich Alan auf, wartete darauf, dass der Schwindel verging, um vorsichtig aufzustehen. Er entdeckte Hancock und Jerome in einer Ecke, die kurz zu ihm herübersahen. Ihr Anblick brachte sein Blut zum Kochen.

      Ein Schlag von Graham gegen seine Schulter brachte ihn zur Besinnung. Gedemütigt pflückte Alan sein Handtuch auf und flüchtete in den Duschraum.

      Als das Wasser über seinen Körper lief, zitterte er vor Scham und Zorn. Idiot, maßregelte er sich selbst. Er war gestern noch auf der Krankenstation gewesen. Glaubte er etwa, auf diese Weise konnte er Hayes oder Mabuto davon überzeugen, dass es richtig war, ihn zu entlassen? Sicher nicht.

      Als er das Gesicht dem Wasser entgegen hob, erfasste ihn Schwindel. Er taumelte. Mit einem Keuchen riss er die Augen auf und stützte sich an der Wand ab. Seine Hand betastete den Sender und plötzlich wurde ihm trotz des warmen Wassers kalt.

      »Heh, Alan! Siehst du überhaupt aufs Brett?«

      Alan