FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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auf eine Kursprojektion, die dort abgebildet war. »Zu unserem Leidwesen legte uns Kass-Un Stark nahe, einen Kurs entlang der Grenze des Krail-on-Raums zu wählen. Er wird uns einige Tage mehr Zeit kosten, aber die einzigen Alternativen wären ein Kurs durch den Raum der Irhog oder der Pferdekopfnebel. Meinungen?«

      Alan rieb sich die Stirn. Hatte der Krail-on überhaupt so viel Macht, dass er ihnen einen Kurs vorschreiben konnte? Er war nur ein Kass-Un. Und wieso hatte eigentlich keiner der Kass-Umo den Erstkontakt hergestellt, so wie es laut Boldens Aufzeichnungen bei den Krail-on üblich war? Wollte Stark die Reise der Sydney hinauszögern, um Zeit zu gewinnen?

      »Sie kennen meine Meinung, Sir«, ergriff White das Wort. »Es gibt keine Alternative. Die anderen beiden Möglichkeiten sind indiskutabel.«

      »Ein guter Pilot …« Racek wiegte den Kopf hin und her. Sein Blick traf Alan. »Was meiner Meinung nach wichtiger ist, war ihr Interesse an unserem Hyperantrieb.«

      Delacroix runzelte die Stirn. »Das sehe ich ebenso. Aber ein Technikdeal kommt für mich nach wie vor nicht infrage.«

      »Ich halte mich da heraus.« Abwehrend hob Hayes die Hände, als sie der Commander ansah.

      Sein Blick wanderte zu Alan. »Mister McBride?«

      Während Alan krampfhaft versuchte, White zu ignorieren, suchte er seine Argumente zusammen. »Sir«, begann er, »ich traue ihnen nicht. Wir sollten hier schnellstmöglich verschwinden und die Route durch den Pferdekopfnebel wählen.«

      »Sie überschätzen sich, Mister McBride.« Whites Worte glichen einem gut platzierten Kinnhaken. »Das Heffner-Manöver durchführen zu können, bedeutet nicht, dass Sie ein guter Pilot sind, sondern beweist nur Ihren Mangel an Verantwortungsgefühl.«

      Der Hieb saß. Alan fühlte sich zurückversetzt in die Zeit auf der Akademie, als ihm die Prüfungskommission eröffnet hatte, dass man ihn aufgrund des Heffner-Manövers, das er bei der Abschlussprüfung unerlaubterweise in der Simulation durchgeführt hatte, ohne Abschluss verabschieden wollte. Voll Zorn hatte er die Einrichtung seines Zimmers verwüstet, saß inmitten der Trümmer und erkannte, wie all seine Träume, all seine Wünsche und Hoffnungen zu Staub zerfielen. Er hatte seine Sachen gepackt, Leere in seinem Kopf, und Dean Beschimpfungen an den Kopf geworfen, der gekommen war, um ihn zu trösten.

      In diesem Moment war der Kadett mit dem Brief gekommen, in dem die Prüfungskommission »auf Bitten eines ihrer Angehörigen«, Alan den Vorschlag unterbreitet hatte, ein Jahr und die Abschlussprüfung zu wiederholen. Dean hatte eine ganze Nacht gebraucht, um ihn davon zu überzeugen, das Angebot wenigstens in Erwägung zu ziehen. Denn Alan hatte gewusst, was der Preis sein würde, den er genau in diesem Augenblick wieder dafür zahlte: Missgunst und Neid. Selbst jetzt noch, da die Akademie nur noch eine Erinnerung an bessere Tage war. Der Makel verließ ihn nicht.

      »Misses White.« Der Commander schlug auf den Tisch. »Lassen Sie Mister McBride ausreden!«

      Ein Telefonat mit seiner Mutter hatte ihn damals davon überzeugt, weiterzumachen. »Willst du all deine Träume aufgeben, nur weil du Angst davor hast, jemand könne dir Steine in den Weg legen?« Die Worte hatten seinen Kampfgeist geweckt.

      Alan hob den Kopf und biss die Zähne zusammen. »Ma’m, mit Verlaub, aber das tut nichts zur Sache. Sie sollten sich fragen, weshalb der Krail-on uns eine Route vorschlagen kann. Er ist nur ein Kass-Un, keines ihrer Clanoberhäupter, die normalerweise den Erstkontakt herstellen. Woher nimmt er seine Autorität? Entweder spricht jemand durch ihn oder er maßt sich Dinge an, die ihm nicht zustehen. Das ist das Entscheidende.«

      »Ich denke, Sie sind paranoid, Mister McBride«, sagte White. »An einen reinen Zufall können Sie wohl nicht glauben?«

      Aber ein weiterer Schlag des Commanders auf den Tisch unterbrach sie. »Genug. Ich werde über Ihren Einwand nachdenken, Mister McBride. Ich danke Ihnen allen. Sie können gehen.« Mit einem Nicken entließ der Commander die anwesenden Offiziere.

      »Sir«, knirschte White.

      »Ich sagte, Sie können gehen.« Die Hand des Commanders wies auf das Schott.

      White sprang auf. Mit einem eisigen Blick auf Alan hämmerte sie auf das Bedienungselement neben dem Schott und stolzierte aus dem Besprechungszimmer hinaus.

      »War das klug«, fragte Dean. »Übrigens Schach.«

      Ein Blick auf das Schachbrett, das zwischen ihnen auf Deans Bett lag, zeigte Alan Deans Dame, die seinen König bedrohte.

      »Ich weiß es nicht. Herrgott, ich weiß es nicht, Dean.«

      Zornig versetzte Alan seinem König einen Stoß, sodass dieser quer über das Brett segelte. Er sprang von Deans Bett auf, machte zwei Schritte bis zum Schott, strich durch seine Haare, drehte sich um und ließ sich mit dem Rücken gegen das Stahlblech sinken. Dass der Commander trotz des Streits den Weg durch den Krail-on-Raum fortsetzte, war schlimm genug. Da brauchte er White nicht noch als Feind. Sein Blick wurde abgelenkt von einer vollbusigen Schönheit, die in Lebensgröße und mager bekleidet über Deans Bett prangte.

      »Hätte ich denn meine Meinung für mich behalten sollen? Du weißt doch, was der Commander zu mir gesagt hat. Er will doch, dass ich ihm meine Ideen vortrage, soll ich da aus Angst, dass White mir einen Strick daraus dreht, schweigen?«

      Dean schob das Schachbrett beiseite. »Nein, aber du könntest diplomatischer vorgehen.«

      Alan lachte auf. Er ging zurück zum Bett und ließ sich neben Dean fallen. »Das versuche ich doch.«

      Dean grinste. »Nicht gut genug, Alter.«

      »Ich wüsste nicht, wie ich es besser machen sollte.«

      »Indem du beispielsweise aufhörst, alle Doppelschichten an dich zu reißen. White wird dir irgendwann auf die Schliche kommen, jetzt wo sie und der Commander sich Mabutos Schicht teilen. Sie ist nicht dumm.«

      »Du hast ja recht.« Mit einem Seufzen stützte Alan das Kinn auf die über den Knien verschränkten Arme. »Aber Pola schafft das nicht. Soll ich denn noch einmal dabei zusehen, wie jemand unter meinem Kommando … zerbricht.« Er quetschte das letzte Wort zwischen seinen Zähnen hervor.

      »Alan, du konntest nichts dafür.«

      Alan holte tief Luft. »Ich hätte es wissen müssen.«

      »Woher denn?«

      »Wir waren … die ganze Zeit … beisammen. Ich hätte es wissen müssen.« Alan versuchte, den Kloß hinunterzuwürgen, der in seiner Kehle wuchs.

      Behutsam legte Dean die Hand auf seine Schulter. »Sie war nicht die Einzige. Viele haben sich damals … nach der Schlacht umgebracht. Du musst dir keine Vorwürfe machen.«

      Alan sah Dean an. »Würdest du es nicht tun, wenn Deirdre sich umgebracht hätte?«

      Dean schwieg. Deirdre war auf der Akademie seine Flamme.

      Erinnerungen überfielen Alan. An Katsukos Lachen, ihre schlanken Hände, die die seinen streichelten, ihr Blick, in dem alles lag, wonach er sich sehnte – was er aber nie haben durfte. Nicht solange sie beide an Bord des gleichen Schiffes dienten.

      »Ich quittiere den Dienst«, hatte sie gesagt, an jenem verrückten Freitag, als sie zurück aufs Schiff gerufen worden waren, nach Alans denkwürdigem Streit mit seinem Vater. Der Tag, an dem sie ausgerückt waren, um einer Nachricht nachzugehen, deren Spur ihnen das Zerstörungswerk der Irhog offenbarte. »Ich quittiere den Dienst, dann können uns die Dienstvorschriften egal sein.«

      Sie hatte nie zu ihm gesagt: »Ich liebe dich.«

      »Es tut mir leid.« Dean drückte Alans Schulter, bevor er die Hand zurückzog. »Aber, nun ja, es klingt vielleicht verrückt, wenn ausgerechnet ich das zu dir sage. Denk an deine Pflicht.«

      »Ich weiß.« Mit brennenden Augen ließ sich Alan gegen die Stahlwand sinken.

      »Versuch was Neues«, schlug Dean vor.