EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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jetzt nicht die Stelle, wo du mir sagst, dass die Probleme von zwei Menschen in diesem Krieg völlig bedeutungslos sind?«

      McCall lächelte. »Bogart hat aber besser ausgesehen und Lauren Bacall wartete zu Hause auf ihn. Bleib bis zum Morgen in diesem Zimmer. Auf dem Schreibtisch liegt eine geladene Waffe. Benutze sie, wenn du musst. Benutze sie nicht, wenn du nicht musst.«

      »Du kommst zurück.«

      »Nicht hierher. Wenn ich diese Nacht überlebe, dann gehe ich zu einem Safehouse. Kontrolle hat sicher noch einen anderen Job für mich.«

      »Aber er wird nicht dort sein«, sagte sie bitter. »Er würde nicht sein Leben riskieren. Hat dieser Kontrolle auch einen Namen?«

      »Vermutlich, aber ich würde ihn nicht einer Journalistin erzählen. Berichte, was passiert. Bewerte es nicht. Dann bleibst du am Leben.«

      »Du kennst mich nicht so gut, wie du glaubst.«

      »Kann sein. Sperr die Tür hinter mir ab.«

      Er küsste sie zärtlich auf die Lippen, dann hob er die Sporttasche vom Boden, in der sich zwei M16-Sturmgewehre, Granaten und Munition befanden, und ging zur Tür. Elena trat nackt zum Schreibtisch, nahm die geladene Waffe und zielte. Falls McCall den Lauf im Rücken spürte, so ließ er sich zumindest nichts anmerken. Er hielt nicht inne. Er machte die Tür gerade weit genug auf, um sich hindurchzuquetschen, und schloss sie hinter sich. Elena trat an die Tür und öffnete sie einen Spalt. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie konnte McCall und diesen jungen Draufgänger – wie war noch mal sein Name? Mickey irgendwas – Kostmayer, das war es – den schäbigen, kaum erleuchteten Korridor entlanggehen sehen. Ihre Stimmen hallten aus der Ferne an ihr Ohr.

      »Wir holen sie morgen früh aus der roten Zone«, sagte Kostmayer.

      »Sie ist Reporterin. Das Aushängeschild von CNN. Das wird ihr gar nicht gefallen.«

      »Was interessiert dich daran?«

      »Nur, dass sie sicher ist.«

      Sie kamen an die abgewetzte Treppe und stiegen hinab.

      Elena schloss die Tür.

      »Leck mich, McCall«, sagte sie und warf die Pistole auf das unordentliche Bett.

      Nun, als sie auf den russischen Park zufuhr und der Fahrtwind durch das schartige Loch in der Scheibe heulte, fragte sie sich, ob das der Moment gewesen war, in dem sie beschlossen hatte, ihr Leben zu ändern. Hatte sie es getan, um sich in den Dienst eines größeren Zwecks zu stellen? Oder um sicherzugehen, dass Robert McCall sie nicht noch einmal so einfach sitzen lassen würde? Sie hatte ihn nach der Extraktion in Serbien ein Jahr lang nicht gesehen. Als sie sich wiedersahen, war sie eine frischgebackene Agentin der Company gewesen, sehr zu seinem Entsetzen, und danach redeten sie ein weiteres Jahr nicht miteinander. Aber dann kam die Mission in Wien. Sie war sein Back-up gewesen.

      Und die Dinge zwischen ihnen hatten sich verändert.

      Ihre Gefühle füreinander hatten die Oberhand gewonnen.

      Sie bog vom Boulevard auf eine geteerte Straße, die durch eine Art Niemandsland führte. Es war verlassen und irgendwie postapokalyptisch. Tod hing in der Luft, sickerte aus dem rissigen Asphalt den rostigen Stacheldraht entlang, wie glänzende Schlangen zusammengerollt im spärlichen Mondlicht, das auf verkrüppelte Bäume und schwarze Wände und Straßen schien, die ins Nirgendwo führten. Ihre Augen wanderten immer wieder zum Rückspiegel. Es waren keine Scheinwerfer hinter ihr zu sehen, nur die entfernten, verschwommenen Lichter auf dem Boulevard. Wenn sie sich noch richtig an die Google-Map erinnerte, die Robert ihr gezeigt hatte, war der Park in etwa fünf Meilen Entfernung direkt vor ihr.

      Die Straße wand und schlängelte sich durch das Niemandsland und dann sah sie die erste Katastrophe, die in der Luft vor ihr hing wie ein verletzter Vogel. Als wäre er von den Stromleitungen angelockt worden, die ihn eingefangen hatten. Er hing einfach nur dort, nahezu anmutig, lief allerdings Gefahr, jeden Moment umzukippen und die restliche Strecke zu Boden zu krachen. Der Hauptrotor war deutlich sichtbar. Es war ein blauer Mi-38-Helikopter. Das Heck und der hintere Rotor waren abgerissen. Daten gingen ihr durch den Kopf, als wäre sie Robocop, so wie es immer passierte. Mi-38, Höchstgeschwindigkeit 320 Stundenkilometer, Reisegeschwindigkeit 290 Stundenkilometer, Dienstgipfelhöhe 5.900 Meter, Schwebehöhe 3.200 Meter, GT-Turbinen, Besatzung 2, Passagiere 30. Sie fragte sich, ob er jemals geflogen war oder ob man ihn von irgendeinem Schrottplatz geholt, auf einem Tieflader zum Freizeitpark gefahren, mit einem Kran angehoben und vorsichtig auf die nachgemachte Stromleitung gesetzt hatte. Eine glitzernde Stahlleiter reichte vom Boden bis zu dem hängenden Helikopter.

      Elena bog scharf nach links ab und fuhr auf zwei Tore zu, die den Park abriegelten. Nur, dass sie nicht geschlossen waren. Eines stand einladend offen.

      Sie fuhr hindurch.

      Zu ihrer Rechten die gruselige Szenerie eines abgestürzten Flugzeuges. Dieses war echt. Sie erinnerte sich an die Einzelheiten. Es war eine Douglas C-47-DL, die von Aeroflot verwendet worden war. Am 13. April 1947 war das Flugzeug auf seinem Weg zum Flughafen Chatanga in Russland, als es aufgrund eines Maschinenschadens an Turbine Nummer eins notlanden musste. Alle Passagiere überlebten, aber neun starben, als sie in der einsamen schneebedeckten Tundra nach Hilfe suchten. Die verbliebenen 28 fand man nach 20 Tagen. Die Teile des Transportflugzeuges wurden in einem Lagerhaus in Rostow eingelagert und 60 Jahre später zum Freizeitpark transportiert. Es dauerte eine Woche und man arrangierte sie sorgfältig, sodass es aussah, als wäre der Flieger in diesem Moment abgestürzt und auseinandergebrochen. Der Flugzeugkadaver glänzte frostig in der eiskalten Luft. Elena rechnete jederzeit mit einer Bewegung, einem Überlebenden, der aus dem Wrack krabbelte, als er ihr Auto hörte. Aber wenn sich etwas bewegte, waren es höchstens die Ratten, die den krummen Rumpf bevölkerten.

      Elena schlitterte um einen kleinen, gefrorenen See herum, der im fahlen Licht schimmerte und so schwarz war wie die Nacht, die ihn umgab.

      Sie war auf dem Weg zum Zugwrack.

      Die Details davon kannte sie auswendig, aufgrund der einen Nacht mit Robert McCall im Jupiter-Hotel in Split, Kroatien, als sie in der Dunkelheit darüber geredet hatten, wie man im Einsatz überlebt. Kontrolle hatte die Lage des Katastrophenparks an diesem Tag im Metropol-Hotel in ihrem Vier-Uhr-Briefing bestätigt. Es gab auch acht Personenwaggons vom Bombenanschlag auf den Nevsky-Express im Jahr 2007. Der Intercity-Hochgeschwindigkeitszug war auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg gewesen, als eine Bombe explodierte, kurz bevor er Malaja Wischera erreichte. Niemand war getötet worden, allerdings war die Schienenverbindung mehrere Tage in beide Richtungen blockiert. Diese acht Eisenbahnwaggons konnten nicht mehr repariert werden, also transportierte man sie ab, zerstört und verbogen, wie sie waren, und gab ihnen im Park ihre letzte Ruhestätte. Es war ein unheilschwangeres Dreieck des Todes: der Helikopter, der auf den Hochspannungsleitungen zur Linken hing, der entgleiste Zug in der Mitte des Parks und das abgestürzte Aeroflot-Flugzeug auf der rechten Seite.

      Nur die Russen hielten einen Katastrophenpark für eine unterhaltsame Sache für Touristen. Sie hatte gehört, der Park war seit 2011 geschlossen.

      Aber er diente noch als Ersatz-Safehouse für die Company.

      Elena bremste und kam in der Nähe des entgleisten Zuges zum Stehen. Sie fand es amüsant, dass man die Schienen ebenfalls hierhertransportiert hatte. Die Räder mussten ja auf irgendetwas stehen. Die mittleren vier Waggons waren zur Seite geneigt, als würden sie gleich von den Schienen kippen. Doch sie wurden mit Stahlseilen an Ort und Stelle gehalten. Elena machte den Motor des Wagens aus und nahm die Beretta in die Hand. Aus ihrer Handtasche holte sie eine kleine Taschenlampe. Dabei überprüfte sie, ob der silberne USB-Stick noch in der Tasche war. Eine unbegründete, irrationale Sorge, denn sie wusste, dass er dort war. Dann stieg sie aus dem Lada.

      Sie blieb einen Moment stehen, zitterte in ihrem Cocktailkleid, dennoch genoss sie die Kälte auf dem nackten linken Arm und Bein. Das Brennen wurde etwas weniger. Sie spähte in die Dunkelheit. Keine Bewegung zu sehen. Sie lauschte. Der Wind heulte und wehte ein paar vereinzelte Schneeflocken herum. Es war nichts zu hören. Sie drehte sich um, rannte die kurze Entfernung