EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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der offenen Schlafzimmertür. Sie hätte nach dem edelsteinbesetzten, schwarzen Beutel auf dem prunkvollen Tisch greifen können, in dem ihre Pistole steckte. Aber das tat sie nicht. Sie zog ein hauchdünnes schwarzes Höschen an und nahm ein kurzes, schwarzes Cocktailkleid von einer Stuhllehne. Dann schlüpfte sie in das Kleid, ließ es über den Körper gleiten. Es war hinten offen und die Hälfte ihres wohlgeformten Hinterns, vom Höschen kaum verdeckt, war zu sehen. Sie lächelte.

      »Du kannst mir den Reißverschluss zumachen«, sagte sie. »Wenn du willst.«

      Ein großer, eleganter Mann in den Fünfzigern trat ins Schlafzimmer. Er war makellos gekleidet und trug einen maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug, ein rosa gestreiftes Hemd, goldene Manschettenknöpfe, die aus kleinen, gekreuzten Golfschlägern bestanden, eine rote Krawatte mit kleinen Schachfiguren darauf und auf Hochglanz polierte Schuhe. Ein Hauch Aftershave lag in der Luft, als er hinter Elena trat. Sie betrachtete sein Gesicht im Spiegel: gut aussehend mit scharfen Gesichtszügen und hellblauen Augen. Normalerweise waren diese Augen undurchdringlich und das Gesicht eine Maske, aber im Moment sah er peinlich berührt aus. Er errötete tatsächlich. Elena kannte ihn nur als Kontrolle. Jeder in der Company nannte ihn Kontrolle. Sie wusste nicht, wie sein echter Name lautete. Sie glaubte auch nicht, dass ihn irgendeiner der anderen Agenten kannte. Er war ihr Kontrolloffizier auf dieser Mission, es war ungewöhnlich für ihn, dass er bei einem Einsatz dabei war, aber er war schon immer ein Mann voller Überraschungen gewesen. Gerüchten zufolge war er verheiratet und hatte zwei Töchter im Teenageralter, wohnte in einem ruhigen Vorort von Washington, D. C., spielte Golf mit einem Handicap von vier und trank nur gealterten Whiskey. Aber vielleicht war das auch nur eine Coverstory.

      »Ich nehme an, du hast nicht gehört, wie ich reingekommen bin«, murmelte Kontrolle und griff nach dem Reißverschluss unten an ihrem schwarzen Kleid.

      »Ich habe dich gehört. Nächstes Mal könntest du dich ja räuspern.«

      »Ich hätte auch ein feindlicher Agent sein können, der sich an dich anschleicht.«

      »Nicht mit dem Aftershave. Das ist unverwechselbar. Du kaufst es in einem winzigen Laden in Mayfair in London, der einzige Ort, wo es verkauft wird. Wenn du fertig damit bist, meinen Knackarsch zu betrachten, dann mach jetzt bitte den Reißverschluss zu.«

      Ihre Augen strahlten. Er schloss den Reißverschluss.

      »Wo hast du die Messerwunde her? Über die Schusswunde weiß ich ja Bescheid.«

      »Ich wurde im Central Park überfallen. Nicht jeder einzelne Vorfall in meinem Leben steht in der Akte. Also, du hast ja schon meinen Körper rundum begutachtet.« Sie drehte sich um und sah ihn an. »Wie, meinst du, sehe ich für alle anderen aus?«

      »Bildschön«, sagte Kontrolle. »Und du würdest außerdem niemals einen Straßenräuber im Central Park nahe genug herankommen lassen.«

      Sie lächelte und nahm die kleine juwelenbesetzte Handtasche, die zum Kleid passte. Sie nahm die Beretta 21 Bobcat heraus, überprüfte erneut, ob sie geladen war, legte sie zurück und schloss die Tasche. Kontrolle steckte ihr einen kleinen Empfänger ins linke Ohr, der völlig unauffällig war.

      »Ich werde jedes Wort verstehen können.«

      »Das ist ein beängstigender Gedanke.«

      Er nahm eine dünne Brille mit schwarzem Rahmen aus einem Metalletui und gab sie ihr. Sie setzte sie auf.

      »Wirst du mich zur Party begleiten?«

      »Nur bis zur Galerie. Ich gehe nicht mit rein. Aber ich werde in der Nähe sein.«

      »Wer deckt mir den Rücken?«

      »Masters. Er ist quasi Kunstsammler und spricht fließend Russisch. Ist heute Nachmittag in Moskau angekommen. Ich hatte noch keine Zeit, dich zu briefen.«

      Sie steckte die Füße in elegante, italienische Riemchenpumps von Dolce & Gabbana.

      »Masters ist gut. Ich bin fertig. Gehen wir.«

      Kontrolle nahm ihre Hand.

      »Elena …«

      »Sei vorsichtig, geh kein Risiko ein, hole, wofür du gekommen bist, und hau wieder ab. Und versuche, das Kleid nicht in einem von Alexei Berezovskys privaten Konferenzräumen auf den Boden fallen zu lassen.« Die Unbeschwertheit schwand aus ihrer Stimme und wurde durch eine ruhige Abgeklärtheit ersetzt. »Ich weiß schon, was ich tun muss, Kontrolle. Deswegen hast du mich nach Moskau gebracht.«

      »Ja, das stimmt.«

      Sie gingen zur Schlafzimmertür. Elenas Blick wanderte zu einem kleinen gerahmten Foto auf dem Nachttisch. Darauf war Elena, die genauso aussah wie jetzt, und ein jüngerer Robert McCall an Bord eines Segelbootes vor dem Hintergrund einer alten Stadt, die in der untergehenden Sonne hinter ihnen glitzerte. Auf dem Foto stand in ordentlicher Handschrift: Für meinen Liebling Elena – In Liebe – Robert.

      Kontrolle hatte das Foto bemerkt. »Wo wurde das aufgenommen?«

      »Kroatien. An der Küste in der Nähe von Split in der Adria. Ein viertägiger Urlaub, der auch nicht in meiner Akte steht. Und bevor du fragst, nein, ich habe nichts von ihm gehört. Seit über drei Jahren nicht.«

      »Aber du hast immer noch sein Bild überall dabei, wo du hingehst.«

      »Das muss er ja nicht wissen.«

      Kontrolle öffnete die Schlafzimmertür weiter. »Es ist besser, dass er nicht mehr Teil deines Lebens ist, Elena.«

      »Was ist passiert? Wieso ist er untergetaucht? Niemand in der Company will darüber reden.«

      »Muss auch keiner wissen.«

      »Aber du weißt, wo er ist. Du weißt, wo alle von uns sind, jederzeit.«

      »Ich weiß nicht, wo Robert McCall ist.«

      »Aber du glaubst nicht, dass er tot ist.«

      Es war eine Feststellung. Kontrolle schüttelte den Kopf.

      »Den legt man nicht so einfach um«, sagte er. »Ich sollte das Foto mitnehmen. Wir haben überhaupt keine Bilder von Robert McCall.«

      »Nicht einmal in seiner Akte?«

      »Sie wurden entfernt. Vermutlich von ihm selbst.«

      »Also, das da kriegst du nicht.« Sie ging ins Wohnzimmer der Suite. »Wir sollten unseren russischen Gastgeber nicht warten lassen.«

      Kapitel 2

      McCall setzte sich an einen Tisch im Freien beim Starbucks in der West-62nd Street. Wie üblich bestellte er den extrastarken Kaffee mit Sumatra-Bohnen. Er schüttete drei Päckchen Zucker rein und verrührte sie. Er war ein bisschen zu spät dran, aber die Pause war noch nicht vorbei. Auf der anderen Seite der Straße, auf dem Schulhof der Highschool liefen die Schüler in Grüppchen herum, plauderten, balgten sich, warfen Footballs hin und her, ein paar spielten Basketball. Scott dribbelte gerade den Ball, als McCall sich setzte. Er machte eine Finte nach links, drehte sich nach rechts, wieder nach links und täuschte seinen Gegner so geschickt, dass der nur mit den Armen wedeln konnte, als würde er auf einem Flugzeugträger einen Kampfjet bei der Landung einweisen. Scott streckte sich zu seiner ganzen Größe von 1,85 Meter und warf. Er traf den Rand des Korbs und der Ball segelte davon. Knapp. McCall sah zu, wie sein Sohn sich weiter ins Spielgeschehen stürzte, einen großen schwarzen Jungen deckte, der den Rebound erwischt hatte. Scott war schlank, hatte verwuschelte blonde Haare, und obwohl er nicht muskulös war, bewegte er sich mit einer Geschmeidigkeit, die McCall bewunderte. Der 15-Jährige war ein freundlicher Junge und offensichtlich beliebt. McCall hatte das letzte Mal mit ihm gesprochen, als er acht war. Das war an der Grand Central Station gewesen, im Juni des Jahres, als er Scott und seine Ex-Frau Cassie für fünf Minuten getroffen hatte.

      Für McCall war das 20 Missionen her.

      Er betrachtete die auf dem Pausenhof durcheinanderlaufenden Schüler und vor seinem geistigen Auge wurde