EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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der anderen Seite der Straße entriss Scott seinem Gegner den Ball und dribbelte ihn das Feld entlang. McCall sah zu, wie er sich drehte, antäuschte, warf. Diesmal rauschte der Ball durchs Netz. McCall streckte den Daumen hoch. Scott hatte natürlich nicht die leiseste Ahnung, dass sein Vater auf der anderen Straßenseite im Starbucks saß und ihm zusah.

      Elena trat aus dem Taxi vor der Ally Bulyanskaya Gallery in der Krymsky Val Nummer zehn, die zum Central House of Artists gehörte. Sie und Kontrolle hatten sich vier Blöcke östlich getrennt. Es schneite immer noch. Zumeist junge, elegant gekleidete Männer und Frauen spazierten in dem modernen Gebäude herum. Elena schloss sich ihnen an.

      Drinnen wurden die Kunstmäzene in die Ally Bulyanskaya Gallery geleitet, die aus sieben großen Räumen bestand, gefüllt mit Gemälden und Skulpturen. Kellner in Fracks trugen silberne Tabletts voller Champagnergläser herum. Kellnerinnen in schwarzen Seidenblusen und bodenlangen schwarzen Röcken verteilten Horsd’œuvres. Eine Frau, die aussah wie eine etwas ältere Lady Gaga mit stacheligen blonden Haaren und einem offenherzigen roten Kleid, spielte auf einer erhöhten Plattform Harfe. Elena rückte ihre Brille zurecht, nahm sich eines der angebotenen Champagnergläser von einem der Kellner und mischte sich unter die Leute.

      Kontrolle saß in seinem kleinen, schwarzen Kastenwagen im Iskusstv-Park. Er hatte gegenüber der Galerie, direkt neben dem Denkmal von Jakow Swerdlow, geparkt. Gebückt saß er vor einem Monitor zwischen zahlreichem raffiniertem elektronischem Equipment. Die winzige Digitalkamera in Elenas Brille war in den oberen Rahmen eingebaut, an der Stelle, wo die beiden Gläser verbunden waren. Die bewegten Bilder, die Kontrolle empfing, waren recht gut, auch wenn das Sichtfeld begrenzt war. In der Menge suchte er nach seinem Agenten Jim Masters. Er konnte ihn noch nicht ausmachen.

      Kontrolle war nervös. Seit zwölf Jahren hatte er nicht mehr in einem solchen Lieferwagen gesessen und tatsächlich einen Agenten im Einsatz kontrolliert. Sein Fahrer, ein Angestellter der Company aus der Gegend namens Sergei, blieb hinter dem Steuer sitzen, stets bereit, den Kleinlaster umzuparken, wenn es nötig sein sollte. Hinter Kontrolle saß im Smoking Mickey Kostmayer, ein jungenhaft aussehender Agent der Company Ende zwanzig. Kostmayer hatte widerspenstiges braunes Haar und blasse grüne Augen, die manchmal ein wenig verrückt wirkten. Kontrolle konnte seine aufgestaute Energie fast körperlich spüren.

      »Ich gehe einfach rein«, sagte Kostmayer. »Ich brauche keine Einladung.«

      »Lass ihr erst einmal ein wenig Freiraum«, meinte Kontrolle.

      In der Ally Bulyanskaya Gallery suchte Elena ebenfalls nach Agent Jim Masters. Sie entdeckte ihn in einer Ecke, wo er sich angeregt mit zwei russischen Matronen unterhielt, die aussahen, als hätten sie Stalin großgezogen.

      Masters konnte man schwer übersehen. Er war ein Bär von einem Mann und trug einen schwarzen Smoking, was aussah, als hätte er sich in ein Zelt gewickelt. Ein Champagnerglas war in seiner Pranke. Er sah sich im Raum um, während eine der Matronen heftig den Kopf schüttelte, um dem zu widersprechen, was immer er über das Gemälde von Serget Bazileo gesagt, hatte, das sie sich ansahen. Es war Teil der Serie »Mann und Frau« und trug den Titel: Überall Leben – ältere Frauen, die in einem Nobelrestaurant um einen Tisch herumsaßen und -standen. Masters sah einen Moment Elena in die Augen, dann wandte er sich mit einer abwertenden Geste wieder dem Bild zu. Die Matronen wirkten leicht empört.

      Ein großer, beeindruckender Russe Ende 40 in einem Smoking schob sich durch die Menge, schüttelte Hände, lächelte höflich. Es war Alexei Berezovsky, ehemaliger FTB-Agent, nun ein Kunstmäzen und Besitzer von drei der angesagtesten Moskauer Nachtklubs sowie von zwei weiteren in Sankt Petersburg. Er wirkte kräftig, wie ein gealterter Zehnkämpfer. Elena sah ihn auf sich zukommen.

      »Hab ihn«, murmelte sie, sodass nur Kontrolle sie hörte. »Alexei Berezovsky, sehr elegant, ein Dinosaurier in einem Smoking. Er sucht nach mir.«

      Berezovsky hatte dunkle Haare ohne eine Spur von Grau.

      Mehrere Ringe glitzerten an seinen Fingern. Er hatte ein hübsches Gesicht, aber die Augen wirkten eiskalt. Er strahlte Stärke aus und Macht und eine rohe sexuelle Energie. Elena registrierte, wie er seine Magie auf den Raum ausstrahlen ließ, indem er diese Energie nutzte, seinen Charme spielen ließ, so wie er es bei ihr getan hatte. Sie hatte nicht mit ihm geschlafen – sie hatten sich nur dreimal zu ein paar Drinks getroffen –, aber sie hatte sichergestellt, dass ein sexuelles Versprechen im Raum stand. Schließlich entdeckte er sie, entschuldigte sich bei einem jungen Pärchen, durchquerte den belebten Raum und kam auf sie zu. Lächelnd ergriff er ihre Hände.

      »Elena! Du bist gekommen!«

      »Ich hab es ja versprochen.«

      »Ja, aber nicht jeder hält seine Versprechen, oder?« Seine Stimme war nahezu melodisch. »Besonders Journalisten. Schreibst du immer noch über diesen Gangster Putin?«

      »Er ist ein sehr interessanter Mann.«

      »Er ist ein Krimineller. Und seine Macht schwindet. Deine Bosse beim CNN sollten dich mal losschicken, um jemanden zu interviewen, der tatsächlich Einfluss in der Welt hat.«

      »Jemanden wie dich?«

      Er winkte ab, als hätte sie ihm viel zu sehr geschmeichelt. »Ich arbeite nicht mehr für die Regierung. Ich bin jetzt Kunstmäzen und Kapitalist, aber das weißt du ja schon alles.«

      Er trat näher an sie heran. Beäugte ihren Ausschnitt, als wolle er ergründen, ob sie wohl einen BH trug. Er kam zum Schluss, dass sie es nicht tat.

      »Wie lange dauert die ganze Chose hier?«, fragte Elena.

      »Mindestens bis Mitternacht sicher.«

      »Ich kann nicht lange bleiben. Ich hab in einer Stunde eine Konferenzschaltung nach Atlanta. Aber ich wollte dich nicht enttäuschen.«

      Berezovsky drehte sich leicht zur Seite. Jemand im Raum hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Elena folgte dem Blick. Ein dicker Mann, der sich in seinem dunklen Anzug nicht wohlzufühlen schien und eine dünne Krawatte und braune Stiefel trug, stand unbeweglich mitten im Gewusel der Kunstliebhaber um ihn herum. Er machte den Eindruck, als würde er in einer Fabrik arbeiten und Autos zusammenschrauben. Als er Berezovsky erblickte, ging er sofort auf eine der Skulpturen von Arsen Avetisian zu. Es war eine goldene Figur, die huckepack auf dem Rücken eines Skeletts mit schwarzem Anzug und ohne Kopf saß. Berezovsky wandte sich wieder Elena zu.

      »Gib mir fünf Minuten. Wir treffen uns am Eingang zum nächsten Raum.«

      Er ließ sie stehen, grüßte unterwegs weitere Freunde und Mäzene und ging auf die Avetisian-Skulptur zu. Elena schlüpfte parallel zu ihm zwischen den Leuten hindurch.

      »Hast du das alles verstanden?«, murmelte sie.

      Im Lieferwagen betrachteten Kontrolle und Kostmayer den Monitor. Sie sahen die Party in allen möglichen Blickwinkeln durch Elenas Brille, während sie sich durch die Menge bewegte. Zweimal erhaschten sie einen Blick auf Berezovsky, doch die Masse verschluckte ihn jedes Mal schnell wieder.

      »Ich verliere ihn dauernd«, sagte Kontrolle. »Pass auf, dass du ihn im Blick behältst.«

      Elenas Stimme verursachte ein leichtes Echo in dem vollgestopften Kleinlaster.

      »Keine Sorge. Er will mir an die Wäsche. Du hast schließlich die Auslage gesehen. Man kann es ihm nicht übel nehmen.«

      Kostmayer warf Kontrolle einen Blick zu.

      Er räusperte sich. »Frag lieber nicht.«

      Kostmayer sagte: »Das gefällt mir gar nicht.«

      In sein Mikro meinte Kontrolle zu Elena: »Hol dir einfach, weswegen du dort bist. Lass bloß nicht zu, dass er dich anfasst.«

      »Könnte schwer werden, sich seiner zu erwehren, Boss.«

      »Nicht für dich.«

      Elena sah zu, wie Berezovsky an dem stämmigen Arbeitertyp an der Arsen-Avetisian-Skulptur vorbeiging. Der Mann drückte dem Ex-FTB-Agenten etwas in die Hand. Etwas Kleines,