EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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wusste, die FTB-Agenten würden nicht herkommen. Sie hatten keine Informationen erhalten, sie waren nur bei der Kunstgalerie in den Wagen gesprungen und hatten sie verfolgt. Sie hatte sie leicht abgeschüttelt. Das waren Amateure. Aber was war mit ihren eigenen Leuten? Es würde eine Zelle aus Eliteagenten geben, die sie schützten, und jemanden, der die Einsatzkontrolle hatte. Wo waren sie?

      Er glaubte, möglicherweise am Ort der Explosion, um sicherzustellen, dass ihre wertvolle Agentin nicht in Stücke gesprengt worden war. Sie konnten nicht nahe genug gewesen sein, um zu sehen, dass sie entkommen war, denn er hatte sie nicht bemerkt, und das hätte er. Er hätte den Wagen oder einen Lieferwagen oder einen unscheinbaren Bus gesehen, welches Fahrzeug auch immer sie zur Überwachung benutzten, das ihr hinterhergefahren wäre. Kein Fahrzeug hatte den Ort der Explosion verlassen, um ihr zu folgen, außer seinen eigenen.

      Er nahm das Auge von der Muschel des Zielfernrohrs. Ein paar tiefe Atemzüge, um sich zu konzentrieren. Erneut blickt er durch die Augenmuschel und fokussierte auf die Stufen, die vom ersten Waggon nach unten führten.

      Er summte ein Schlaflied, das er gehört hatte, als er ein kleiner Junge gewesen war. Nicht eines, das seine Mutter ihm vorgesungen hatte. An sie konnte er sich gar nicht erinnern. Aber irgendwo … vielleicht eine junge Frau, der er die Kehle durchgeschnitten hatte, die sich selbst etwas vorsang, vor diesem Moment des Grauens, der ihr den Atem nahm. Er versuchte, sich zu erinnern. Aus irgendeinem Grund war es ihm wichtig. Sanfte Schlaflieder waren wertvolle Erinnerungen.

      Er wartete auf sie.

      McCall packte die Einkäufe selbst ein. Es war ein Tante-Emma-Laden an der Ecke, und das war eine Art Running Gag zwischen ihm und der alten asiatischen Frau, der er gehörte. McCall suchte sich selbst seinen Milchkarton, das Glas mit Kaffee, Obst und Gemüse und eine Packung Camel aus – war er der einzige Mensch auf der Welt, der noch Camel ohne Filter rauchte? Was würde Elena sagen? – und eine Tüte M&Ms, die er in eine Schale auf den Wohnzimmertisch füllen wollte. Die alte asiatische Frau fing stets an, die Waren in zwei große braune Papiertüten zu packen, die aussahen, als stammten sie aus der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. McCall schob dann behutsam ihre Hände zur Seite und packte die Sachen selbst ein.

      »Sie lassen mich nicht arbeiten«, sagte sie. »Ich sitze hier den ganzen Tag. Ich muss arbeiten.«

      »Sie haben hart genug gearbeitet, um den Laden hier an der Ecke über die Runden zu bringen«, meinte McCall. »Sie haben es verdient, sich mal zurückzulehnen und auszuruhen.«

      Sie sagten sich beide jedes Mal das Gleiche, wenn er in den Laden kam, genau wie Luigi, der ihn fragte, ob die Fusilli gut waren, worauf er erwiderte, dass sie exzellent wie immer geschmeckt hatten. Ein Ritual. Er mochte das. Sein Leben war heutzutage ziemlich routiniert. Abgesehen von dem Vorfall mit der Nutte und ihrem Zuhälter. Das hatte seinen Rhythmus durchbrochen.

      Vielleicht für immer.

      McCall bezahlte die alte Frau und sie öffnete mit einem Klingeln die Kasse und gab ihm das Wechselgeld. Ihr Ehemann, von dem McCall wusste, dass er mit den Amerikanern in Vietnam gegen den Vietcong gekämpft hatte, schlurfte zu ihr und legte eine parkinsongeschüttelte Hand auf ihre Schulter.

      »Sie beehren unseren Laden mit Ihrer Anwesenheit, Mr. McCall.«

      »Die Ehre ist ganz meinerseits.« Er wollte sich umdrehen, sah dann aber noch einmal zurück. »Keinen Ärger in der Nachbarschaft?«

      »Was für Ärger?«, fragte der alte Mann, aber seine Augen verrieten, dass er genau wusste, was McCall meinte.

      »Junge Männer mit leerem Blick, die Sie beschützen wollen. Dafür sorgen, dass Sie sicher sind. Dass Ihr Geschäft nicht ausgeraubt wird oder jemand von Ihnen verletzt wird.«

      Der alte Mann zuckte die Achseln. »Das ist New York. Es gibt immer solche Männer. Sie stören uns nicht. Wir sind bedeutungslos.«

      »Sie bedeuten mir etwas.«

      Der alte Mann lächelte nachsichtig. »Wir sind alt. Wir kommen über die Runden. Wir brauchen Ihre Hilfe nicht.«

      »Ich habe keine angeboten.«

      Der alte Mann nickte. »Sie haben einst die Sorgen der Welt auf Ihren Schultern getragen. Aber jetzt nicht mehr. Das ist gut.«

      »Erkennen Sie das daran, dass ich Milch kaufe und meine Einkäufe selbst einpacke?«

      Er zuckte nur die Achseln und schlurfte zur anderen Seite ans Ende des Tresens, wo er die Lotteriescheine neu aufstapelte. Die alte Frau bestand darauf, McCall seine beiden Tüten in die Hand zu drücken.

      »Danke und einen schönen Abend«, sagte McCall.

      Die alte asiatische Frau lächelte abwesend. McCall fragte sich, ob sie der Unterhaltung mit ihrem Mann überhaupt zugehört hatte.

      Er ging aus dem Laden und seine Straße entlang.

      Kapitel 5

      Halb auf der anderen Seite der Welt sprang Elena von der Plattform des Zuges. Sie machte zwei Schritte auf ihren Lada zu, dann blieb sie stehen, verharrte einen Moment. Lauschte. Was konnte sie gehört haben? Vielleicht den Wind, der durch den Abfall streifte. Vielleicht Ratten, die durch das abgestürzte Flugzeug huschten. Was es auch war, sie war in einer perfekten Position. Er ließ den roten Punk über ihre Stirn, in ihr rechtes Auge und auf ihre Wange tanzen.

      Dann überraschte sie ihn.

      Plötzlich, von einem Augenblick auf den nächsten, war sie verschwunden.

      Er bewegte das Zielfernrohr zur Seite, dann auf die andere. Ihre Reflexe waren schneller als die eines jeden, den er bisher im Visier gehabt hatte. Sie war wie ein Stein zu Boden gefallen und dann unter den ersten Waggon gerollt. Er sah, wie sie die Beine nachzog, und feuerte zweimal, traf sie mindestens einmal ins rechte Bein. Er sah die kleine rosa Explosion, bevor sie unter dem Zug verschwand. Nun ließ er das Zielfernrohr am unteren Rand des Zuges entlanggleiten. Eine schnelle Bewegung. Er feuerte erneut in die Dunkelheit, hasste es, dass er eine Kugel für einen ungezielten Schuss verschwendete, aber es würde sie wenigstens daran hindern, wieder ins Freie zu krabbeln. Er nahm das Zielfernrohr vom Auge, stand auf und kletterte schnell durch den Helikopter zurück, der bedenklich schwankte. Jetzt war er nicht mehr so sicher, dass die Stahlkabel ihn halten würden. Vielleicht hätte er auf der Plattform bleiben sollen, aber die Vorstellung, sie aus einem Helikopter zu erschießen, der auf einer Hochspannungsleitung balanciert, war zu verlockend gewesen. Er verfluchte sich selbst für diesen Fehler. Normalerweise machte er keine. Nicht, dass es etwas ausmachte. Seine Beute war verwundet und sie saß in der Falle.

      Er kletterte aus dem Helikopter auf die Plattform. Der Wind zerrte an ihm. Der Schnee wirbelte vor seinen Augen herum und nahm ihm die Sicht, schlimmer, als er erwartet hatte. Der Sturm hatte aufgefrischt. Eigentlich hätte es lange vor Mitternacht vorbei sein sollen.

      Er ließ das Pelican-Case da, wo es war, offen auf der Plattform. Es war keine Zeit, die AWC M91 zu zerlegen und sie bis zum Boden zu tragen. Er würde noch einmal hochklettern müssen, um sie zu holen. Hinterher hatte er immer noch genug Zeit. Jede Sekunde zählte im Moment. Sie war verwundet, hatte Schmerzen und das Adrenalin pumpte sicher durch ihren Körper. Sie würde bewaffnet sein, vielleicht mit mehr als einer Waffe, aber es war zweifelhaft, dass sie ein Sturmgewehr dabei hatte. Es war sicher keines im Lada, falls die Policija den Wagen wegen eines Verkehrsverstoßes stoppte, und er zweifelte daran, dass eines im Abteil des entgleisten Zuges versteckt war. Also hatte sie Pistolen, nichts, worüber er sich Sorgen machen musste. Er würde ihr nicht nahe genug kommen.

      So schnell er konnte, kletterte er die Stahlleiter hinab mit dem Hochleistungsgewehr in einer Hand, während er das glatte Geländer durch die Finger der anderen gleiten ließ. Er schaute sich auf dem Katastrophenpark um, aber sah niemanden. Nichts bewegte sich, abgesehen vom Wind und den Ratten.

      Er sprang die letzten beiden Sprossen hinab und rannte auf den entgleisten Zug zu. Er war leicht auf den Füßen, hatte kein Gramm Fett am Körper. Auf sein Aussehen war er stolz, aber das war keine Eitelkeit,