Stille Donau. Hilde Artmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hilde Artmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Anna di Santosa
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416302
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liebe die bildenden Künste, schon immer, meine Sammlung umfasst mehr als zweihundert Bilder«, fügte Vittorio Rossignolo ohne eine Spur von Überheblichkeit hinzu. »Normalerweise trenne ich mich nur ungern von einem Werk. Aber bei einem solchen Angebot konnte ich unmöglich Nein sagen. Noch dazu von einer so guten Freundin, wir kennen uns seit vielen Jahren. Sie verstehen das sicher – als Landsmännin.«

      Er zwinkerte mir zu. Im Gegensatz zu mir sprach er Deutsch mit einem deutlich italienischen Akzent, jedoch fließend. Die Unterhaltung in unserer gemeinsamen Muttersprache zu führen hatte er abgelehnt.

      »Natürlich.« Ich seufzte. »Trotzdem bin ich jetzt sehr enttäuscht. Ob Sie mir wohl ein wenig mehr über Ihre Freundin verraten könnten? Vielleicht würde sie mir die Bilder ja überlassen – gegen eine entsprechende Summe, versteht sich.«

      Vittorio Rossignolo sah aus, wie man sich einen Italiener vorstellte. Höchstens eins siebzig groß, schlank und schmal gebaut. Sein längliches Gesicht zierte ein winziges Kinnbärtchen, die Form seiner römischen Nase konnte man nur als aristokratisch bezeichnen. Seine Haut hatte einen goldenen Bronzeton. Das pechschwarze, vielleicht schulterlange Haar hatte er am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden.

      »Sehr unwahrscheinlich«, sagte er. »Sie arbeitet für ein renommiertes Museum in Italien, so viel kann ich immerhin verraten. Alle Kunstschätze, die sie im Auftrag des Museums erwirbt, werden langfristig in die Bestände aufgenommen.«

      Wir saßen uns in seinem Haus auf zwei ausladenden Sofas gegenüber, in einem sonnendurchfluteten Raum, der so groß war, dass ich ihn mir als Bankettsaal hätte vorstellen können. Das Mobiliar bestand aus spiegelglattem Metall, schneeweißem Leder oder Glas, überall blitzte und funkelte es. Riesige Zimmerpflanzen standen wie Inseln mitten in dem klimatisierten Raum, die einzige Wand – vom Boden bis zur Decke reichende, durchweg geschlossene Glastüren ersetzten die restlichen drei Wände – zierten abstrakte Gemälde und Drucke in stilvollen Rahmen.

      »Wenn Sie mir den Namen Ihrer Freundin trotzdem nennen möchten«, beharrte ich und zwinkerte ebenfalls, »würde ich das natürlich vertraulich behandeln.«

      »Meine liebe Signora di Santosa, was denken Sie von mir?«

      Der Blick seiner klaren Augen bohrte sich in meine, während er sich bekreuzigte, eine Geste, die ich aus dem Süden zwar zur Genüge kannte, von einem so jungen Mann jedoch nicht erwartet hätte. Ich schätzte ihn auf höchstens Anfang dreißig. Ein leichter Duft nach Tabak und Leder umgab ihn, untermalt von einem Hauch Zimt.

      »Meine Freundin würde kein Wort mehr mit mir wechseln, zu Recht, muss ich sagen«, fuhr er kopfschüttelnd fort. »Und das«, sein Ton klang nun fast empört, »wollen Sie doch sicher nicht, oder?«

      Trotz seiner Haar- und Barttracht, die ihm eine extravagante, wenn nicht gar flippige Note verlieh, wirkte alles an ihm bis ins kleinste Detail solide und durchgestylt. Angefangen von den perfekt manikürten Händen bis zu den fast zierlichen Füßen, die in Budapestern aus feinstem Leder steckten. Zu schwarzen Jeans, der Passform nach zu schließen von Dolce & Gabbana, trug er ein eng anliegendes Hemd in Limettengelb.

      Ich neigte den Kopf, trank einen Schluck caffè und blickte hinaus in den Garten.

      Jenseits einer weitläufigen Terrasse aus Holzbohlen glänzte ein meerblauer Pool, umgeben von meterhohen Palmen und Bananenstauden, so vielen, dass der Eindruck eines exotischen Waldes entstand. Dahinter erstreckten sich ausgedehnte Grünflächen, von mächtigen Kastanienbäumen umstanden, bis zu einer hohen Mauer. Zwischen den Bäumen lagen sorgsam getrimmte Buchshecken, ein Pavillon und mehrere Häuschen, vielleicht eine Sauna und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Gartenmöbel und -gerätschaften.

      Bisher war ich einer Hausangestellten begegnet, sie hatte mich in den Empfangsraum gebracht und Kaffee und Wasser serviert, und zwei Männern in schwarzen Anzügen. Der eine, der Pförtner, hatte sich an der Einfahrt nach dem Grund meines Besuches erkundigt und vor dem telefonischen Okay seines Arbeitgebers sogar meinen Ausweis sehen wollen. Er hatte mich so finster gemustert, dass ich anstelle von Monas Ausweis meinen eigenen hervorgezogen hatte. Der andere Mann, ein großer Blonder und wohl eher ein Sekretär, war mit einem Notebook und Computerausdrucken aus einem Büro gekommen, als die Bedienstete mich durch die Eingangshalle führte.

      »Mir ist nicht ganz klar, woher Sie eigentlich meinen Namen haben«, sagte Vittorio Rossignolo, nun wieder in seinem lockeren Plauderton, der nicht zu seinen kalten Augen passen wollte. »Sie sind auch Sammlerin, sagten Sie?«

      »Ja, und wie Sie mit Leidenschaft.« Wieder lächelte ich arglos und nippte an meinem caffè. »Was meine Insiderinformationen angeht – Sie werden gewiss verstehen, dass auch ich meine Quellen habe.«

      Mein Gastgeber hob die wie gerade Striche geformten kohlrabenschwarzen Augenbrauen und nickte fast unmerklich. Auf dem Glastischchen zwischen uns, sicher ein Designerstück, hatte das Dienstmädchen auch für ihn Wasser und Kaffee bereitgestellt. Im Gegensatz zu mir hatte er bisher jedoch nichts davon angerührt.

      »Ihre Objekte dort sind sehr interessant.« Ich deutete auf die Gemälde an der Wand und legte mir eine Formulierung zurecht, mit der ich mich hoffentlich nicht völlig blamierte. »Vor allem das kleine Gelbe in Acryl. Diese Linien, sehr beeindruckend, es wirkt so ursprünglich und dynamisch.«

      Nun strahlte er. »Mein absoluter Liebling. Gunnar Pálsson, ein noch weitgehend unbekannter Künstler aus Island, ein echter Geheimtipp.«

      Ich nickte anerkennend, schlug ein Bein übers andere und betrachtete das Werk noch interessierter.

      Das Eis in seinen Augen schien endlich zu schmelzen. »Sammeln Sie nur, oder verkaufen Sie auch?«

      Seine Frage überraschte mich. »Ersteres. Warum?«

      »Nun, ich bin immer auf der Suche nach neuen Werken, das da drüben ist ja nur ein kleiner Teil meiner Sammlung. Meine wertvollsten quadri hängen im Obergeschoss, meine … Wie sagt man noch mal für ›Bild‹? ›Gemälde‹, ist das das richtige Wort?«

      Ich bejahte und fragte ein zweites Mal, ob er die Unterhaltung vielleicht doch lieber in unserer gemeinsamen Muttersprache fortführen wolle.

      »Das ist sehr freundlich, Signora, aber ich muss üben. Wenn man in einem fremden Land lebt, muss man die Sprache sprechen. Das gebietet der Respekt gegenüber den Menschen, gegenüber der Kultur.«

      »Ihr Deutsch ist perfekt.«

      »Grazie mille.« Erneut erschien dieses charmante Lächeln auf seinem Gesicht, das seine Augen jedoch wieder nicht erreichte. »Trotzdem bei Weitem nicht so gut wie das Ihre.«

      Ich erklärte, dass ich, obwohl in der Toskana aufgewachsen, schließlich nur zu einem Viertel Italienerin war. »Wo haben Sie Deutsch so gut zu sprechen gelernt?«

      »In Mailand, ich stamme von dort.«

      Das erklärte seine mitunter kurz angebundene Art. Die Norditaliener waren seit jeher bekannt für ihre schnelle Redeweise und die zackigen Umgangsformen.

      »Eine wundervolle Stadt«, sagte ich und lobte den berühmten Dom ebenso wie die noblen Einkaufspassagen mit den Boutiquen der alta moda. Als ich ihn fragen wollte, was ihn veranlasst hatte, eine Stadt wie Mailand zu verlassen, klopfte es an der Tür.

      »Pronto«, rief Vittorio Rossignolo.

      Während er sich in formvollendetem Ton für die Störung entschuldigte, trat der große Blonde ein, der mir in der Eingangshalle begegnet war. Mit raschen Schritten kam er näher, blieb hinter dem Sofa stehen, auf dem Vittorio Rossignolo saß, beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mein Gastgeber lauschte, warf mir einen schnellen Blick zu, raunte ein paar Worte zurück.

      »Es tut mir wirklich leid«, sagte er dann wie zu Beginn unseres Gesprächs und wieder mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. »Aber die Pflicht ruft. Als Unternehmer ist man ja praktisch immer im Einsatz.«

      »Kein Problem, ich kenne das, ich bin auch selbstständig.« Ich stand auf. »Lassen Sie sich von mir nicht aufhalten, Signor Rossignolo.«

      Dem