Ein Duft nach frisch gemahlenen Kaffeebohnen stieg mir in die Nase. »Wie wär’s mit einem caffè, amore?«
»Espresso, Dessert, Grappa, ich nehme alles.«
Maximilian trank genießerisch einen Schluck Wein und winkte dem Kellner, der sofort zur Stelle war. Aus dem Augenwinkel sah ich eine langbeinige Frau auf mörderisch hohen Stilettos durch den Innenhof stolzieren. Ich erkannte sie sofort wieder – Ernesta, die Inhaberin dieses vorzüglichen Ristorante.
Sie begrüßte hier diesen Gast, dort jenen, lachte immer wieder laut und aufreizend und war sich ihrer atemberaubenden Wirkung voll bewusst. Das platinblonde Haar, das in krassem Gegensatz zu den dunklen Augenbrauen und dem gewiss von Natur aus bronzefarbenen Teint stand, hatte sie zu einem gewagten Turm drapiert. Auch ihr fließendes Kleid in schlichtem Weiß, mit Pailletten übersät und der Machart nach zu schließen von Gucci, zog alle Blicke auf sich.
»Bei Ihnen passt alles?«, fragte sie uns zuvorkommend und in fast akzentfreiem Deutsch. Ihre Stimme war tief und wie bei vielen Italienerinnen rauchig. »Sind Sie zufrieden mit dem Essen und dem Service?«
»Tutto a posto«, bestätigte ich, lobte jeden einzelnen Gang und schloss mit den Worten: »Siamo contenti – no, siamo contentissimi.«
Mit plötzlich erwachter Aufmerksamkeit scannte sie mich mit ihren fast schwarzen Augen von oben bis unten ab, während sie Maximilian kaum beachtete. Ein Lächeln schoss wie eine Leuchtkugel über ihr schmales Gesicht und verglühte sternschnuppengleich auf halber Strecke, nur in umgekehrter Richtung. Mein ursprünglicher Gedanke, sie würde mich an jemanden erinnern, meldete sich zurück.
»Das freut mich sehr«, sagte sie auf Italienisch. »Sie sind heute Abend zum ersten Mal bei uns zu Gast?«
Ich erklärte, wir seien nur auf der Durchreise. Sie erkundigte sich, woher in Italien ich stammte. Mir entging nicht, dass ihre Stimme dabei vibrierte und sie mir tiefe Blicke zuwarf, in denen weit mehr mitschwang als das bloße Interesse an einem Gast oder einer Landsmännin. Ernesta hegte offensichtlich eine Vorliebe für Frauen.
»Aus der Toskana«, antwortete ich.
Normalerweise hätte ich nun von meiner Heimat zu schwärmen begonnen und sie nach ihren Wurzeln gefragt, ihrem Akzent nach stammte sie aus Norditalien. Stattdessen aber lobte ich die ausgestellten Bilder, was sie mit einem geschmeichelten Nicken zur Kenntnis nahm. Bevor sie etwas entgegnen konnte, ging in der Nische am Brunnen die nächste Lachsalve los.
»Ernesta, das Filetto!«, dröhnte der Mann mit Glatze und Brille in unsere Richtung und betonte das letzte Wort so, als schriebe man es mit fünf L und noch mehr T. Das E dazwischen, das man im Italienischen eigentlich betont hätte, verschluckte er. »Das Filllllettttttto war einfach bombastisch!«
Sie entschuldigte sich, mit leisem Bedauern, wie mir schien, wünschte uns einen schönen Abend und trat an den Tisch der Bande.
»Das freut mich wirklich sehr, Herr Dr. Grafenreuther«, sagte sie herzlich. »Wie schön, dass Sie wieder einmal bei uns zu Gast sind. Sonst alles in Ordnung?«
»Alles bestens, Ernesta, alles bestens.« Der Rädelsführer der beiden Pärchen betatschte ihre Hand. »Das letzte Mal waren wir übrigens beim Du, schon vergessen? Setz dich doch her zu mir und gib mir als Entschädigung einen kleinen Kuss.«
Er lachte dröhnend und versuchte, sichtlich angetrunken, sie mit ungelenken Bewegungen auf seinen Schoß zu ziehen. Die Schwarzhaarige neben ihm versetzte ihm einen Stoß mit dem Ellbogen, was er jedoch nicht zu bemerken schien. Er zog und zerrte nun auch an Ernestas runden Hüften.
»Stimmt, Michael, du verzeihst mir doch?« Mit neckischem Lachen entschlüpfte sie seinem Griff. »Darf ich dich, deine charmante Gattin«, ein angedeutetes Nicken in Richtung der Schwarzhaarigen, »und deine beiden Freunde zu einem Digestif einladen? Wir kennen uns leider noch nicht«, ihr warmer Blick streifte das zweite Paar, »aber du stellst mir die Herrschaften ja sicher vor. Grappa, Limoncello oder lieber einen Ramazzotti?«
»Aber immer, Ernesta, aber immer«, polterte er. »Du darfst mich einladen, zu was du willst.«
Während Ernesta sich auf den noch freien Stuhl zwischen den beiden Männern setzte, ging ihre Antwort im allgemeinen Gelächter unter. Am lautesten lachte der Glatzköpfige selbst über seinen geschmacklosen Witz. Seine Gattin stimmte in die Heiterkeit mit ein, wenn auch mit säuerlicher Miene. An Ernestas teilnahmsvollem Lächeln – wieder erhellte es jede Partie ihres Gesichts, nur nicht die Augen – meinte ich zu erkennen, dass sie Mitleid mit der Schwarzhaarigen hatte.
Längst war mir klar geworden, an wen Ernesta mich erinnerte. Sie hatte sogar dasselbe Lächeln wie Vittorio Rossignolo.
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