"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schöber
Издательство: Readbox publishing GmbH
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Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783347034402
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habe eine unmittelbare Realität, und durch die Aufhebung derselben werde er erst für sich, d. h. gelange zu sich selbst, zum Erfassen seines Begriffs, seiner Subjektivität.167 Daher könnte man ebenso sagen, der Geist sei zunächst objektiv und soll subjektiv werden, wie auch umgekehrt, er sei erst subjektiv und soll sich objektiv machen. Der Unterschied zwischen dem subjektiven und dem objektiven Geist sei folglich nicht als starr anzusehen.168

      Schon am Anfang müsse man, so Hegel, den Geist nicht als einen bloßen Begriff, als ein bloß Subjektives, sondern als Idee im Sinne einer Einheit des Subjektiven und des Objektiven fassen, und jeden Fortgang von diesem Anfang als ein Hinausgehen über die erste einfache Subjektivität des Geistes, als einen Fortschritt in der Entwicklung der Realität oder der Objektivität des Geistes betrachten.169 Diese Entwicklung des Geistes bringe eine Reihe von Gestalten (z. B. Wahrnehmung und Verstand, d. Verf.) hervor, die zwar durch die Empirie belegt werden müssten, in der philosophischen Betrachtung dürften sie aber nicht äußerlich nebeneinander gestellt bleiben, vielmehr müsste jede Gestalt als Ausdruck einer notwendigen Reihe bestimmter Begriffe zu erkennen sein. Von Interesse für das philosophische Denken seien die Gestalten eben nur, indem sie eine solche Reihe von Begriffen ausdrücken. Zunächst könnten wir aber die sich voneinander unterscheidenden Gestaltungen des subjektiven Geistes nur vorläufig angeben; erst durch die bestimmte Entwicklung des subjektiven Geistes (wie sie die philosophische Arbeit nachvollzieht, d. Verf.) würde sich die Notwendigkeit jener Gestalten zeigen.

       Die Seele

      Die drei Hauptformen des subjektiven Geistes sind, Hegel zufolge, 1. die Seele, 2. das Bewusstsein und 3. der Geist als solcher. Als Seele habe der Geist die (begriffliche, d. Verf.) Form der abstrakten Allgemeinheit, als Bewusstsein die (begriffliche, d. Verf.) Form der Besonderung und als für sich seiender Geist die (begriffliche, d. Verf.) Form der Einzelheit.170 So stelle sich in der Entwicklung des subjektiven Geistes die Entwicklung des Begriffs (des Geistes, d. Verf.) dar. Weshalb die jenen drei Formen des subjektiven Geistes entsprechenden Teile der Wissenschaft die Bezeichnung Anthropologie, Phänomenologie und Psychologie erhalten haben, werde in der Wissenschaft vom subjektiven Geist verdeutlicht werden.

      Den Anfang der Betrachtung müsse der unmittelbare Geist bilden, dies sei aber der Naturgeist, die Seele. Ein Fehler sei es, mit dem Begriff des Geistes zu beginnen; sei doch der Geist, wie schon erwähnt, von vornherein Idee, also verwirklichter Begriff. Am Anfang aber könne der Begriff des Geistes (als Idee im Sinne der Einheit von Subjektivität und Objektivität; Beispiel: das Bewusstsein als Einheit von abstraktem Ich und seinem Gegenstand, d. Verf.) noch nicht die vermittelte Realität haben, die sie durch das abstrakte Denken (den subjektiven Begriff, d. Verf.) erhält. Seine Realität (also der Idee des Geistes, d. Verf.) müsse am Anfang zwar auch schon eine abstrakte Realität sein, und nur dadurch würde sie der Idealität des Geistes (als einer Innerlichkeit, d. Verf.) entsprechen, sie sei aber notwendig eine noch unvermittelte, noch nicht (vom Geist als Idee, d. Verf.) gesetzte Realität, folglich eine nur seiende, dem Geist (als einem Innerlichen, d. Verf.) noch äußerliche, eine bloß durch die Natur gegebene Realität. Man müsse also bei dem noch in der Natur befangenen, auf seine Leiblichkeit bezogenen, noch nicht bei sich selbst seienden, also noch nicht beim Geist anfangen.171 Hegel spricht hierbei von der Grundlage des Menschen und sieht darin den Gegenstand der Anthropologie.172 In diesem Zweig der Wissenschaft vom subjektiven Geist sei der Geist als gedachter Begriff nur in uns, den Betrachtenden, aber noch nicht im Gegenstand (also im Seelenleben des Einzelnen selbst, d. Verf.) selber vorhanden. Den Gegenstand der Betrachtung bildet hier erst der bloß seiende Begriff des Geistes, der seinen Begriff, noch nicht erfasst hat, der noch außer sich seiende Geist. Es ist, wie sich Hegel ergänzen lässt, der von außen auf den Gegenstand, den subjektiven Geist, bezogene subjektive Begriff des abstrakten Denkens eines Betrachters, ein Begriff, der jedoch nicht beliebig, sondern objektiv ist.

      Das Erste in der Anthropologie sei, so Hegel, also die qualitativ bestimmte, an ihre Naturbestimmungen gebundene Seele (zu der, ihm zufolge, z. B. die rassischen Verschiedenheiten gehören). Aus diesem unmittelbaren Einssein mit ihrer Natürlichkeit trete die Seele in den Gegensatz, in den Kampf, zu jener. Dazu würden die Zustände der Verrücktheit und des Somnambulismus gehören. Diesem Kampf folge der Sieg der Seele über ihre Leiblichkeit und die Herabsetzung der Leiblichkeit zu einem bloßen Zeichen, zur Darstellung der Seele. Auf diese Weise trete die Idealität der Seele in ihrer Leiblichkeit hervor, werde diese Realität des Geistes (also die Leiblichkeit, d. Verf.) auf eine noch leibliche Weise ideell gesetzt.

       Das Bewusstsein

      In der Phänomenologie des Geisteszeigt Hegel, wie sich die Seele durch die Negation ihrer Leiblichkeit, zur reinen ideellen Identität mit sich erhebt, Bewusstsein, ein Ich wird und ihrem Anderen (ihrer Leiblichkeit, d. Verf.) gegenüber für sich wird.173 Aber dieses erste Für-sich-Sein des Geistes sei noch durch das Andere, also die Leiblichkeit, von der der Geist herkomme, bedingt. Das Ich sei hier noch vollkommen leer, eine ganz abstrakte Subjektivität. Es setze allen Inhalt des unmittelbaren Geistes (gemeint ist offensichtlich der Inhalt der sinnlichen Empfindungen, d. Verf.) außer sich und beziehe sich auf den Inhalt als eine vorgefundene Welt.174 So werde dasjenige, was zunächst nur unser Gegenstand war, zwar dem Geist selber zum Gegenstand, das Ich wisse aber noch nicht, dass das, was ihm gegenübersteht, der natürliche Geist selber ist. Mit anderen Worten, das Bewusstsein des Einzelnen unterscheidet sich in ein “leeres“ Ich einerseits und eine ihm gegenüberstehende Welt als eine Vielfalt einander abwechselnder sinnlicher Eindrücke andererseits, die das Ich vollständig gefangen nehmen. Und das Ich weiß noch nicht - im Gegensatz zu dem Betrachter -, dass es der natürliche Geist im Individuum selbst ist, der diese sinnliche Welt, wie sie dem Ich unmittelbar gegenübersteht, hervorbringt.

      Das Ich sei daher, wie Hegel fortfährt, obwohl es etwas für sich sei, zugleich nicht für sich, weil es nur auf ein Anderes, ein (sinnlich, d. Verf.) Gegebenes, bezogen sei. Die Freiheit des Ichs sei folglich nur eine abstrakte, bedingte und relative Freiheit. Zwar sei der Geist hier nicht mehr wie zuvor175 in die Natur versenkt, sondern in sich reflektiert176 und auf dieselbe bezogen, erscheine aber nur, stehe nur in Beziehung zur Wirklichkeit, sei aber noch nicht wirklicher Geist. Deshalb nennt Hegel den Teil der Wissenschaft, in dem diese Form des Geistes betrachtet wird, Phänomenologie, Erscheinungslehre des Geistes.177

       Das Selbstbewusstsein

      Indem das Ich sich in seiner Beziehung zu Anderem auf sich selbst zurückbeugt178, wird es nach Hegel Selbstbewusstsein.179 In dieser Form wisse das Ich sich zunächst nur als das unerfüllte Ich und allen konkreten Inhalt als ein Anderes (so die Dinge, die Gegenstand der Begierde sind, aber auch andere Menschen, die gleichermaßen beanspruchen, ein Ich zu sein, d. Verf.). Die Tätigkeitdes Ichs bestehe hier darin, die Leere seiner abstrakten Subjektivität zu füllen, das Objektive in sich hineinzubilden und das Subjektive dagegen objektiv zu machen.180 Dadurch hebe das Selbstbewusstsein, also das seiner selbst bewusste Ich, die Einseitigkeit seiner Subjektivität auf, trete aus seiner Besonderheit, aus seinem Gegensatz zum Objektiven, heraus, komme zu der beide Seiten umfassenden Allgemeinheit und stelle in sich die Einheitseiner selbst mit dem Bewusstsein dar. Denn der Inhalt des Geistes werde hier ein objektiver Inhalt, wie im Fall des Bewusstseins, und zugleich, wie im Fall des Selbstbewusstseins, ein subjektiver Inhalt.181 Dieses allgemeine Selbstbewusstsein sei an sich oder für uns (die Betrachtenden, d. Verf.) Vernunft, doch erst im dritten Teil der Wissenschaft vom subjektiven Geist werde die Vernunft sich selbst gegenständlich. Im Fall des Selbstbewusstseins geht es, worauf noch unten im Einzelnen eingegangen werden wird, um den Vorgang der Vergesellschaftung, d. h. den Kampf des einen Selbstbewusstseins gegen ein anderes um