Manifestation des Geistes
Die abstrakte für sich seiende Allgemeinheit, worunter wir das Ich verstehen, das jedem Menschen zugeschrieben wird und das jeder sich selber zuschreibt, ist, wie Hegel nach diesem Zusatz fortfährt, auch das Dasein des Geistes. 112 Als für sich seiend, besondere sich das Allgemeine (in eine Vielfalt einzelner Ich, d. Verf.) und sei in dieser Besonderung mit sich identisch.113 Die Bestimmtheit des Geistes sei daher die Manifestation. 114 Es gebe vom Geist nicht irgendeine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Äußerung oder Äußerlichkeit eine von ihm unterschiedene Form hat. Demzufolge offenbart er nicht bloß etwas, vielmehr sind seine Bestimmtheit und sein Inhalt dieses Offenbaren selbst. In der Form manifestiert sich demnach, Hegel zufolge, vollständig der Inhalt, nichts von ihm bleibt jenseits der Form verborgen. Das, was im Geist möglich ist, sei daher, so Hegel, unmittelbar unendliche, absolute Wirklichkeit
Es wurde bereits, wie Hegel in seinem Zusatz erläutert, die unterscheidende Bestimmtheit des Geistes in der Idealität gesehen, und zwar in der Aufhebung des Anderssein der Idee (der Natur, d. Verf.).115 Wenn nun soeben die “Manifestation“ als die Bestimmtheit des Geistes angegeben wurde, so sei die Idealität keine neue, zweite Bestimmung des Geistes, sondern nur eine Fortentwicklung der früher besprochenen Bestimmung. Denn durch Aufhebung des Anderssein der Idee (der Natur, d. Verf.) werde die logische Idee oder der an sich seiende Geist für sich, d. h. sich offenbar. Der für sich seiende Geist, d. h. der Geist als solcher, sei also - im Unterschied von dem sich selber unbekannten, nur uns offenbaren, in das Außereinander der Natur ergossenen, an sich seienden Geist - das, was sich nicht bloß einem Anderen, sondern sich selber sich offenbart. Oder, was auf dasselbe hinauslaufe, er vollbringe seine Offenbarung in seinem eigenen Element und nicht in einem ihm fremden Stoff. Diese Bestimmung komme dem Geist als solchem zu, und sie gelte daher vom Geist nicht nur, weil er sich einfach auf sich bezieht, ein Ich ist, das sich selber zum Gegenstand hat, sondern auch, weil er aus seiner abstrakten für sich seienden Allgemeinheit (seiner “Ichheit“, d. Verf.) heraustritt und eine bestimmte Unterscheidung, ein Anderes (z. B. die Natur, d. Verf.) als er ist, in sich selbst setzt. Denn der Geist verliere sich nicht in diesem Anderen, er erhalte und verwirkliche sich vielmehr darin und präge sein Inneres darin aus. Er mache das Andere zu einem ihm entsprechenden Dasein, komme also durch diese Aufhebung des Anderen, des bestimmten wirklichen Unterschiedes, zum konkreten Fürsichsein, dazu, sich offenbar zu werden. Der Geist offenbare daher im Anderen nur sich selber, seine eigene Natur, die eben darin bestehe, sich selbst zu offenbaren. So offenbart sich z. B. der Geist eines Menschen darin, dass er die Natur als sein Anderes von sich unterscheidet, dieses Andere sodann aufhebt, indem er sich darin verwirklicht oder sein Inneres darin ausprägt
Wenn der Geist sich selber offenbart, so sei das, Hegel zufolge, der Inhalt des Geistes selbst und nicht nur eine äußerlich zum Inhalt hinzutretende Form. Durch seine Offenbarung stelle folglich der Geist nicht einen von seiner Form verschiedenen Inhalt heraus, sondern seine, den ganzen Inhalt des Geistes ausdrückende Form; er offenbare sich eben ganz und gar selbst. Form und Inhalt seien also im Geist miteinander identisch. Gewöhnlich würde man sich jedoch das Offenbaren als eine leere Form vorstellen, zu der noch von außen der Inhalt hinzutreten müsste. Unter dem Inhalt verstünde man etwas, was in sich sei, sich in sich halte, unter der Form dagegen die äußerliche Beziehung des Inhalts auf ein Anderes. In der spekulativen Logik dagegen werde aber bewiesen, dass in Wahrheit der Inhalt nicht bloß ein Insichseiendes, sondern ein durch sich selbst mit Anderem in Beziehung Tretendes ist. Umgekehrt sei die Form in Wahrheit nicht ein bloß Unselbständiges, also dem Inhalt Äußerliches, sondern dasjenige, was den Inhalt zum Inhalt, zu seinem Insichseienden, von einem Anderen Unterschiedenen macht. Der wahrhafte Inhalt enthalte also in sich selbst die Form, und die wahrhafte Form sei ihr eigener Inhalt. Und so müsse man den Geist als diesen wahrhaften Inhalt und als diese wahrhafte Form erkennen.116 Als Beispiel führt Hegel die christliche Lehre an, um die im Geist vorhandene Einheit von Form und Inhalt, von Offenbarung und Offenbartem, für die Vorstellung zu erläutern. So sage das Christentum, Gott habe sich durch Christus, seinen eingeborenen Sohn, offenbart. In der Vorstellung werde jener Satz zunächst so verstanden, als ob Christus nur das Organ dieser Offenbarung, als ob das auf diese Weise Offenbarte ein Anderes als das Offenbarende sei. Jener Satz habe aber in Wahrheit den Sinn, Gott habe offenbart, dass seine Natur darin besteht, einen Sohn zu haben. Das bedeute, dass er sich unterscheidet, sich endlich macht, in seinem Unterschied aber bei sich selbst bleibt, in seinem Sohn sich selber anschaut und offenbart und durch diese Einheit mit dem Sohn, durch dieses Fürsichsein in seinem Anderen, absoluter Geist ist, so dass der Sohn nicht das bloße Organ der Offenbarung, sondern der Inhalt der Offenbarung selbst ist.
Ebenso wie der Geist die Einheit von Form und Inhalt sei, sei er auch, wie Hegel fortfährt, die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit. Unter dem Möglichen sei das noch Innerlichezu verstehen, das noch nicht zur Äußerung, zur Offenbarung gelangt ist. Der Geist als solcher sei aber nur, wie schon ausgeführt, insofern er sich selber sich offenbart. Die Wirklichkeit, die eben in seiner Offenbarung bestehe, gehöre daher zu seinem Begriff. Im endlichen Geist (z. B. im Bewusstsein des Einzelnen oder in einer Verstandeswissenschaft, etwa in Gestalt der Politischen Ökonomie, d. Verf.) komme allerdings der Begriff des Geistes noch nicht zu seiner absoluten Verwirklichung. Es sei der absolute Geist, der die absolute Einheit der Wirklichkeit und des Begriffs oder der Möglichkeit des Geistes darstellt. Dieser hat die Gestalt, wie man ergänzen kann, insbesondere die Gestalt der Philosophie wie sie Hegel versteht.
Das Offenbaren, das als das Offenbaren der abstrakten (logischen) Idee unmittelbarer Übergang, Werden der Natur sei, sei, so Hegel nach diesem Zusatz, als Offenbaren des Geistes, der frei sei, das Setzen der Natur als seiner Welt.117 Es sei ein Setzen, das als Reflexion zugleich das Voraussetzen der Welt als selbständiger Natur ist.118 Das Offenbaren im Begriff sei Erschaffen der Natur als seines Seins, in dem er sich die Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit gebe.119
Das Absolute ist, wie Hegel bekräftigt, der Geist, und dies sei die höchste Definition des Absoluten.120 Das Finden dieser Definition und das Begreifen ihres Sinns und Inhalts, dies sei die absolute Tendenz aller Bildung und Philosophie gewesen. Auf eben diesen Punkt hin hätten alle Religion und Wissenschaft hingedrängt, und aus diesem Drang allein müsse die Weltgeschichte begriffen werden. Das Wort “Geist“ und die damit verbundene Vorstellungseien früh gefunden, und der Inhalt der christlichen Religion laufe darauf hinaus, Gott als Geist zu erkennen. Das, was hier in der Vorstellunggegeben und was an sich das Wesen sei, müsse aber in seinem eigenen Element, nämlich dem (spekulativen, d. Verf.) Begriff gefasst werden, und eben dies sei die Aufgabe der Philosophie, eine Aufgabe, die so lange nicht wahrhaft und immanent gelöst sei, als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und ihre Seele geworden sind.
Dass der Geist sich offenbart, das sei, wie Hegel im anschließenden Zusatz erläutert, eine ihm überhaupt zukommende Bestimmung.121 Dieser Vorgang habe aber drei unterschiedene Formen: Die erste Form122, wie sich der an sich seiende Geist oder die logische Idee offenbart, bestehe darin, dass die Idee in die Unmittelbarkeit äußerlichen und vereinzelten Daseins umschlägt und dieses Umschlagen sei das Werden der Natur.123 Auch die Natur sei, so Hegel, ein Gesetztes, aber so wie sie gesetzt sei, habe sie die Form der Unmittelbarkeit, des Seins, das der Idee äußerlich sei.124 Diese Form widerspreche aber der Innerlichkeit der Idee als sich selbst setzende und aus ihren Voraussetzungen sich