Der Geist sei zwar schon am Anfang der Geist, aber er wisse noch nicht, dass er das ist. Nicht er selberhabe zu Anfang schon seinen Begriff erfasst, sondern nur wir, die wir ihn betrachten, seien es, die seinen Begriff erkennen. Dass der Geist dazu kommt zu wissen, was er ist, eben diesmache seine Realisation aus. Der Geist sei im Wesentlichen nur das, was er von sich selber weiß. Zunächst sei er nur an sich Geist, und erst, indem er für sich wird, verwirkliche er sich. Für sich werde er aber nur dadurch, dass er sich besondert, sich bestimmt oder sich zu seiner Voraussetzung, zu dem Anderen (dem noch naturbehafteten Geist, der „natürlichen Seele“, d. Verf.) seiner selbst macht, sich zunächst auf dieses Andere (den “Naturgeist“, die Seele in ihm, d. Verf.) als auf seine Unmittelbarkeit bezieht, dasselbe aber als sein Anderes aufhebt.140 Solange der Geist in seiner Beziehung auf sich als auf ein Anderes dasteht, sei er nur der subjektive, der von der Natur her kommende Geist und zunächst selbst “Naturgeist“. Die ganze Tätigkeit des subjektiven Geistes laufe aber darauf hinaus, sich als sich selbst zu erfassen, sich als Idealität (als das Innerliche, d. Verf.) seiner unmittelbaren Realität zu erweisen. Wenn er sich zum Fürsichsein entwickelt hat, dann sei er nicht mehr bloß subjektiver, sondern objektiver Geist.141
Der objektive Geist
Sei der subjektive Geist wegen seiner Beziehung auf ein Anderes (also das Naturhafte, d. Verf.) noch unfrei oder nur an sich frei, so gelange im objektiven Geist die Freiheit, das Wissen des Geistes von sich, frei zu sein, zum Dasein. Im objektiven Geist sei der Einzelne Person und habe als solche im Eigentum die Realität seiner Freiheit. Denn im Eigentum werde die Sache (z. B. ein Grundstück, d. Verf.) als das, was sie ist, nämlich als ein Unselbständiges und als ein solches gesetzt, das wesentlich nur die Bedeutung habe, die Realität des freien Willens einer Person und darum für jede andere Person ein Unantastbares zu sein. Hier würden wir ein Subjektives sehen, das sich frei weiß, und zugleich eine äußerliche Realität dieser Freiheit142 hat. Der Geist komme daher hier zu seinem Fürsichsein (z. B. im allgemeinen Rechtsbewusstsein, d. Verf.), und die Objektivität des Geistes (in der Privatrechtsordnung, die sich z. B. im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch äußerlich darstellt, d. Verf.) komme zu ihrem Recht. Auf diese Weise sei der Geist aus der Form der bloßen Subjektivität (des „vernünftigen Willen des Einzelnen“ (Hegel), d. Verf.) herausgetreten. Die vollständige Verwirklichung jener im Eigentumsrecht noch unvollkommenen, noch formalen (abstrakten, d. Verf.) Freiheit, die Vollendung der Realisierung des Begriffs des objektiven Geistes, werde aber erst im Staat erreicht. In ihm entwickele der Geist seine Freiheit zu einer von ihm gesetzten, eben zu einer sittlichen Welt. Doch auch diese Stufe müsse der Geist überwinden; bestehe doch der Mangel dieser Objektivität des Geistes darin, dass sie nur eine gesetzte sei. Die Welt müsse vom Geist wieder frei entlassen werden, und das vom Geist Gesetzte zugleich als ein unmittelbar Seiendes gefasst werden. Dies geschehe auf der dritten Stufe des Geistes, nämlich auf dem Standpunkt des absoluten Geistes, d. h. der Kunst, der Religion und der Philosophie.143
Die Entwicklung des Geistes
Die beiden ersten Teile der Lehre vom Geist, also die Lehre vom subjektiven und vom objektiven Geist, beschäftigen sich, wie Hegel nach diesem Zusatz fortfährt, mit dem endlichen Geist.144 Der Geist sei die unendliche Idee, und die Endlichkeit habe hier die Bedeutung, dass die Realität dem Begriff nicht angemessen ist, und zwar mit der Bestimmung, dass die Realität das Scheinen145 innerhalb des Begriffs ist. Die Realität ist also, Hegel zufolge, ihrem Begriff nicht angemessen. Gleichwohl ist der Begriff (als Wesen) in der Realität als Schein anwesend, und sie wäre nicht ohne denselben, ebenso wenig wie der Begriff sich ohne die Formen seiner Realisierung entfalten könnte. So ist z. B. ein (historisch gewordenes) privatrechtliches Gesetzbuch als eine Realität dem Begriff der individuellen Freiheit nicht vollkommen angemessen, trotzdem wäre die Entwicklung des Begriffs der individuellen Freiheit ohne das bestehende Gesetzbuch als seine (vorläufige) Realität nicht möglich. Oder: Der Körper des Einzelnen zum Beispiel ist die Realität der Seele (des Begriffs). Ohne seinen Körper hätte seine Seele keine Realität, kein Dasein. Aber ebenso wenig hätte sein Körper Realität, ohne dass sich seine Seele (sein Wesen, sein Begriff) in seinem Körper als ein Schein zeigt und diesem, in Hegels Worten, “die Freude des Daseins gönnt“.146
Die Realität sei ein Schein, den sich der Geist an sich als eine Schranke setzen würde, um durch das Aufheben derselben für sich die Freiheit als sein Wesen zu haben und zu wissen, d. h. schlechthin manifestiert zu sein. Die verschiedenen Stufen dieser Tätigkeit, auf denen, jeweils als Schein, der endliche Geist verweilen, die er aber, seiner Bestimmung gemäß, auch durchlaufen müsse, seien Stufen seiner Befreiung. Die absolute Wahrheit in diesen Stufen sei das Vorfinden einer Welt als einer vorausgesetzten, das Erzeugen derselben als eines von ihm (dem Geist, d. Verf.) Gesetzten und die Befreiung von ihr und in ihr seien ein und dasselbe.147 Es sei eine Wahrheit, zu deren unendlicher Form der Schein als zum Wissen derselben sich reinigt.
Die Bestimmung der Endlichkeit werde vor allem vom Verstand148, bezogen auf den Geist und die Vernunft, festgesetzt. Es gelte dabei nicht nur für eine Sache des Verstandes, sondern auch für eine moralische und religiöse Angelegenheit, den Standpunkt der Endlichkeit als einem letzten festzuhalten. Es würde als eine Vermessenheit des Denkens angesehen, ja für eine Verrücktheit desselben, über ihn hinausgehen zu wollen. Es sei aber die schlechteste aller Tugenden, bei einer solchen Bescheidenheit des Denkens, die das Endliche zu einem schlechthin Festen, zu einem Absoluten macht, stehen zu bleiben und die oberflächlichste aller Erkenntnisse, bei dem zu verharren, was seinen Grund nicht in sich selbst hat.149 Die Bestimmung der Endlichkeit, die Hegel in seiner “Logik“150 behandelt, bestehe darin, dass das Endliche nicht ist, nicht das Wahre, sondern nur ein Prozess des Übergangs und des Über-sich-hinausgehens ist. Dieses Endliche der bisherigen Sphären sei die Dialektik, sein Vergehen durch ein Anderes und in einem Anderen zu haben; der Geist aber, der Begriff und das an sich Ewige, sei es selbst, dieses Vernichten des Nichtigen, das Vereiteln des Eitlen in sich selbst zu vollbringen. Die erwähnte Bescheidenheit bestehe darin, an diesem Eitlen, dem Endlichen, gegenüber dem Wahren festzuhalten und sei deshalb selbst ein Eitles. Diese Eitelkeit bedeute in der Entwicklung des Geistes, dass er sich auf das Äußerste in seine Subjektivität vertieft, er dem innersten Widerspruch anheimfällt und sich damit ein Wendepunkt, als das Böse, ergibt.
Der subjektive und der objektive Geist seien, wie Hegel hierzu in seinem Zusatz verdeutlicht, noch endlich.151 Wissen müsse man aber, welchen Sinn die Endlichkeit des Geistes hat. Gewöhnlich stelle man sich dieselbe als eine absolute Schranke, als eine feste Qualität vor, so dass der Geist aufhören würde, Geist zu sein, würde man diese Schranke wegnehmen. Man stelle sich die Endlichkeit des Geistes wie das Wesen der natürlichen Dinge vor, die an eine bestimmte Qualität gebunden seien. So könne z. B. das Gold nicht von seinem spezifischen Gewicht getrennt werden. In Wahrheit