"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schöber
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783347034402
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sie als ein bloßes Moment erkennen. Denn der Geist sei, wie schon oben gesagt, wesentlich die Idee in der Form der Idealität (der Innerlichkeit, d. Verf.), d. h. in einer Form, in der das Endliche negiert ist. Das Endliche habe demnach im Geist nur die Bedeutung eines Aufgehobenen aber nicht die eines Seienden. Die eigentliche Qualität des Geistes sei daher die wahrhafte Unendlichkeit, d. h. diejenige Unendlichkeit, die dem Endlichen nicht einseitig gegenübersteht, sondern in sich selber das Endliche als ein Moment enthält. Es sei deshalb ein leerer Ausdruck, würde man sagen, es gebe endliche Geister. Der Geist als Geist sei nicht endlich, er habe die Endlichkeit zwar in sich, aber nur als eine aufzuhebende und aufgehobene Endlichkeit. Die echte Bestimmung der Endlichkeit, die hier nicht genauer erörtert werden könne, müsse in dem Sinne verstanden werden, dass das Endliche eine Realität ist, die ihrem Begriff nicht gemäß ist. So sei die Sonne ein Endliches, weil sie nicht ohne Anderes gedacht werden könne, weil zur Realität ihres Begriffs nicht nur sie selber, sondern das ganze Sonnensystem gehöre. Mehr noch, das ganze Sonnensystem sei ein Endliches, weil jeder Himmelskörper in ihm gegenüber dem anderen den Schein habe, selbständig zu sein. Folglich entspreche diese gesamte Realität ihrem Begriff noch nicht, stelle noch nicht dieselbe Idealität dar, die das Wesen des Begriffs ist.152 Erst die Realität des Geistes sei selber Idealität, erst im Geist finde die absolute Einheit des Begriffs und der Realität und somit die wahre Unendlichkeit statt.153 Bereits wenn wir von einer Schranke wissen, hätten wir den Beweis, dass wir über dieselbe hinaus sind, also für unsere Unbeschränktheit. Die natürlichen Dinge seien eben deshalb endlich, weil ihre Schranke nicht für sie selber, sondern nur für uns vorhanden sei, die wir die Dinge miteinander vergleichen. Zu einem Endlichen würden wir uns dadurch machen, dass wir ein Anderes (als Beispiel könnte man unsere “Natur“ oder unsere soziale Herkunft anführen, d. Verf.) in unser Bewusstsein aufnehmen. Aber, indem wir von diesem Anderen wissen, seien wir schon über diese Schranke hinausgegangen. Nur der Unwissende bleibe innerhalb seiner Schranke; weiß er doch nichts von ihr als einer Schranke seines Wissens. Wer dagegen von der Schranke weiß, der wisse von ihr nicht als eine Schranke seines Wissens, sondern als von einem Gewussten, als zu einem, was zu seinem Wissen gehört. Nur das, wovon wir nichts wissen, bilde eine Schranke des Wissens; die Schranke, von der wir wissen, sei dagegen keine Schranke des Wissens. Von unserer Schranke zu wissen, bedeute daher, von unserer Unbeschränktheit zu wissen. Werde aber der Geist für unbeschränkt, für wahrhaft unendlich erklärt, so soll damit nicht gesagt werden, dass die Schranke ganz und gar nicht im Geist vorkommt. Vielmehr müsse man erkennen, dass der Geist sich bestimmen, sich somit endlich machen, sich beschränken muss.154

      Aber der Verstand habe eben darin Unrecht, diese Endlichkeit als eine starre zu betrachten, den Unterschied der Schranke und der Unendlichkeit als einen absolut festen zu betrachten und demgemäß zu behaupten, der Geist sei entweder beschränkt oder unbeschränkt. Die wahrhaft begriffene Endlichkeit sei in der Unendlichkeit, die Schranke im Unbeschränkten enthalten. Der Geist sei daher sowohl unendlich als auch endlich und weder nur das eine noch nur das andere. Er bleibe in seiner Endlichkeit unendlich; denn er hebe die Endlichkeit in sich auf. Nichts sei in ihm ein Festes, ein Seiendes, alles sei vielmehr nur ein Ideelles, ein nur Erscheinendes. So müsse Gott, weil er Geist sei, sich bestimmen, Endlichkeit in sich setzen, sonst wäre er nur eine tote, leere Abstraktion. Da aber die Realität, die er sich durch sein Selbstbestimmen gibt (indem er Mensch wird, d. Verf.), eine ihm vollkommen gemäße Realität sei, wird Gott durch diese nicht zu einem Endlichen. Die Schranke ist also nicht in Gott und im Geist, sondern sie werde vom Geist nur gesetzt, um aufgehoben zu werden. Nur momentan könne es scheinen, als ob der Geist in einer Endlichkeit verharrt. Durch seine Idealität sei er aber über dieselbe erhaben, wisse er von der Schranke, dass sie keine feste Schranke ist. Deshalb gehe er über dieselbe hinaus, befreie sich von ihr, und diese Befreiung sei nicht, wie der Verstand meine, eine niemals vollendete, eine ins Unendliche reichende, immer nur erstrebte Befreiung, vielmehr reiße sich der Geist von diesem Progress, diesem Fortschreiten ins Unendliche, los, befreie sich absolut von der Schranke, von seinem Anderen, komme somit zum absoluten Fürsichsein und mache sich wahrhaft unendlich. Dazu komme der Geist als absoluter, wenn er sich, Hegel zufolge, als “denkende Idee“ (ders.155) erkennt und das Logische die Bedeutung hat, dass es die “im konkreten Inhalt als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit ist“156. Die Philosophie tut also nichts anderes, als, unter Einbeziehung der “endlichen“ Wissenschaften, das zu begreifen, was wirklich ist.

      3.3 Der subjektive Geist157

      Der Geist, der sich in seiner Idealität entwickelt, ist, so Hegel, der Geist als erkennender. Aber das Erkennen werde hier nicht nur so verstanden, wie es die Bestimmtheit der Idee als logischer Idee158 ist, sondern so wie der konkrete Geist sich zum Erkennen bestimmt.

      Der subjektive Geist ist nach Hegel

      A) an sich oder unmittelbar Seele oder “Naturgeist“ und als solcher Gegenstand der Anthropologie.159

      B) Für sich oder vermittelt, noch als identische Reflexion in sich und in Anderes, der Geist in einem Verhältnis, ist der subjektive Geist Bewusstsein160 und Gegenstand der Phänomenologie des Geistes.

      C) Als der sich in sich bestimmende Geist, als Subjekt für sich, ist der subjektive Geist Gegenstand der Psychologie

      In der Seele erwache, so Hegel, das Bewusstsein. Dieses setze sich als Vernunft, die unmittelbar zur sich wissenden Vernunft erwache und sich durch ihre Tätigkeit zur Objektivität, zum Bewusstsein ihres Begriffs befreie.161

      Wie im Begriff überhaupt die Bestimmtheit, die an ihm vorkommt, Fortgang der Entwicklung sei, so sei auch an dem Geist jede Bestimmtheit, in der er sich zeigt, ein Moment seiner Entwicklung.162 Und, indem er sich immer weiter bestimmt und vorwärts zu seinem Ziel hin schreitet, mache er sich zu dem, werde er für sich, was er an sich ist. Jede Stufe sei innerhalb ihrer dieser Prozess, und das Produkt der Stufe sei, dass für den Geist (d. h. die Form desselben, die er in ihr, also der Stufe, habe) das ist, was er zu Beginn der Stufe an sich oder damit nur für uns (also die Betrachtenden, d. Verf.) war. Die psychologische und die gewöhnliche Betrachtungsweise würden, wie Hegel fortfährt, das beschreiben, was der Geist oder die Seele ist, was ihr geschieht und was sie tut. Demnach werde die Seele als ein fertiges Subjekt vorausgesetzt, an dem solche Bestimmungen nur als Äußerungen zum Vorschein kämen, aus denen erkannt werden soll, was sie ist, welche Vermögen und Kräfte sie in sich besitzt. Dabei fehle es in jener Betrachtungsweise am Bewusstsein darüber, dass die Äußerung desjenigen, was die Seele ist, im Begriff dasselbe für sie setzt, wodurch sie eine höhere Bestimmung gewonnen habe.163

      Von diesem Fortschreiten des Geistes, wie es hier betrachtet wird, müssten, Hegel zufolge, Bildung und Erziehung unterschieden und davon ausgeschlossen werden; denn dieser Bereich würde sich nur auf die einzelnen Subjekte als solche beziehen, in denen der allgemeine Geist zur Existenz gebracht werden soll. In der philosophischen Ansicht des Geistes als solchen werde er selbst danach betrachtet, wie er sich nach seinem Begriff bildet und sich erzieht. Seine Äußerungen würden als die Momente des Prozesses angesehen, in dem er sich zu sich selbst hervorbringt und sich mit sich selbst zusammenschließt. Erst dadurch werde er wirklicher Geist.164

       Die drei Hauptformen des Geistes

      Wie bereits ausgeführt, sieht Hegel den Geist in drei Hauptformen, nämlich den subjektiven, den objektiven und den absoluten Geist unterschieden und darüber hinaus die Notwendigkeit eines Fortgangs von der ersten zur zweiten und von dieser zur dritten Form.165 Was den subjektiven Geist betrifft, so ist dieser, wie Hegel in seinem Zusatz erläutert, noch in seinem unentwickelten Begriff, d. h. der Geist habe sich seinen Begriff noch nicht gegenständlich gemacht. 166 Dies geschehe erst auf der Stufe des