Die Natur als solche komme, wie Hegel fortfährt, in ihrer Selbstverinnerlichung, so Hegel, nicht zu diesem Fürsichsein, zum Bewusstsein ihrer selbst. Das Tier, die vollendete Form dieser Verinnerlichung in der Natur, stelle nur die geist-lose Dialektik des Übergehen von einer einzelnen, seine ganze Seele ausfüllenden Empfindung zu einer anderen, ebenso ausschließlich in ihm herrschenden einzelnen Empfindung dar. Erst der Mensch würde sich über die Einzelheit der Empfindung zur Allgemeinheit des Gedankens erheben - durch Sprache und sprachliche Kommunikation, wie man Hegels Worte ergänzen könnte - hin zum Wissen von sich selbst, zum Erfassen seiner Subjektivität, seines Ich.97 Mit einem Wort, erst der Mensch sei der denkende Geist, und allein dadurch sei er wesentlich von der Natur unterschieden. Was der Natur als solcher angehöre, liege hinter dem Geist. Er habe zwar in sich selbst den ganzen Gehalt der Natur, aber die Naturbestimmungen seien am Geiste auf eine durchaus andere Weise als in der äußeren Natur.98 So schließt z. B. eine menschliche Handlung den natürlichen Organismus ein, das Eigentümliche und Zentrale an der Handlung sind aber Sinn, Beweggrund, Ideologie und dergleichen. Der Organismus gehört nur zur Situation, den Bedingungen des Handelns. 99 Auch bei der Hervorbringung eines Kunstwerks würde man nicht die dazu erforderlichen Materialien, die Nervenanspannung oder die physische Energie des Künstlers, sondern den Sinn als wesentlich ansehen, den dieser damit verbindet, und die allgemeine Stilrichtung als Teil der Kultur oder des “absoluten Geistes“ (Hegel).
Wenn auch Hegel Natur und Geist als zwei einander extrem entgegen gesetzte Welten setzt, um sodann diese Entgegensetzung wieder aufzuheben, um die Welt als ein Ganzes zu denken, so gibt es, ihm zufolge, wie schon angedeutet, keine Entwicklung vom Tier hin zum Menschen, also zum Bewusstsein und zum Denken. 100 Eine Entwicklung gibt es für Hegel überhaupt nur in der Welt des Geistes, mithin der menschlichen Geschichte.
Die Freiheit als das Wesen des Geistes
Das Wesen des Geistes sei deswegen101, wie Hegel nach diesem Zusatz fortfährt, formal die Freiheit, die absolute Negativität des Begriffs (mit Bezug auf die Natur, d. Verf.) als Identität mit sich.102 Gemäß dieser formalen (abstrakten, d. Verf.) Bestimmung des Geistes könne dieser von allem Äußerlichen und seiner eigenen Äußerlichkeit, seinem Dasein, selbst abstrahieren. Er könne die Negation seiner individuellen Unmittelbarkeit, den unendlichen Schmerzertragen, d. h. in dieser Negativität sich affirmativ erhalten und identisch für sich sein.103 Diese Möglichkeit sei seine Allgemeinheit (das einzelne Ich, d. Verf.), die abstrakt und für sich ist.104
Die Substanz des Geistes sei, wie Hegel in seinem Zusatz erläutert, die Freiheit, was bedeute, dass der Geist nicht von einem Anderen (etwa der Natur, d. Verf.) abhängig ist, dass er sich nur auf sich selbst bezieht.105 Der Geist sei der Begriff, der für sich selbst ist, sich selbst zum Gegenstand hat (als subjektiver Geist z. B. ist er Bewusstsein, Selbstbewusstsein, theoretischer und praktischer Geist, d. Verf.) und verwirklicht ist (als objektiver Geist z. B. ist er Recht, Moralität und Sittlichkeit, d. Verf.).106 In dieser in ihm vorhandenen Einheit von Begriff und Objektivität107 bestehe zugleich seine Wahrheit und Freiheit. Die Wahrheit mache den Geist, wie Hegel Christus zitiert, frei, und die Freiheit mache ihn wahr. Die Freiheit des Geistes sei aber nicht bloß eine außerhalb des Anderen (der Natur, d. Verf.), sondern eine im Anderen errungene Unabhängigkeit vom Anderen. Der Geist komme nicht durch die Flucht vordem Anderen, sondern dadurch, dass er das Andere überwindet zur Wirklichkeit.108 Der Geist könne aus seiner abstrakten für sich seienden Allgemeinheit, aus seiner einfachen Bezogenheit auf sich, heraustreten, einen bestimmten, wirklichen Unterschied, ein Anderes, als das einfache Ich ist, somit ein Negatives in sich selbst setzen.109 Diese Beziehung auf das Andere (die Natur, d. Verf.), das er in sich setzt (z. B. als Objekt in seinem Bewusstsein, d. Verf.) sei dem Geist nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, weil er durch das Andere und durch die Aufhebung desselben dahin komme, sich als dasjenige zu bewähren und zu sein, was er seinem Begriff nach sein soll, nämlich die Idealität des Äußerlichen (der Natur, d. Verf.), die aus ihrem Anderssein110 in sich zurückkehrende Idee. Abstrakter ausgedrückt heiße das: Der Geist soll das sich selbst Unterscheidende und in seinem Unterschied das bei sich und das für sich seiende Allgemeine sein.111 Das Andere, das Negative, der Widerspruch, die Entzweiung würden also zur Natur des Geistes gehören, und in dieser Entzweiung liege die Möglichkeit des Schmerzes. Der Schmerz sei daher nicht von außen an den Geist gekommen, wie man glaubte, wenn man sich die Frage stellte, auf welche Weise Schmerz in die Welt gekommen ist. Ebenso wenig wie der Schmerz komme das Böse, das Negative des an und für sich seienden unendlichen Geistes, von außen an den Geist heran. Das Negative sei vielmehr nichts anderes als der Geist selbst, indem er sich auf die Spitze seiner Einzelheit stellt. Selbst in dieser seiner höchsten Entzweiung, wenn er sich von der Wurzel seiner an sich seienden sittlichen Natur losreißt, in diesem vollsten Widerspruch mit sich selbst, bleibe daher der Geist doch mit sich identisch und daher frei. Der Geist habe die Kraft, sich im Widerspruch, folglich im Schmerz (sowohl über das Böse als auch über das Üble) zu erhalten. Die gewöhnliche Logik würde daher irren, indem sie meint, der Geist sei etwas, was den Widerspruch ausschließt. Alles Bewusstsein enthalte vielmehr eine Einheit und eine Getrenntheit (z. B. einerseits das Ich und andererseits den ihm gegenüberstehenden Gegenstand als das Andere, d. Verf.), somit einen Widerspruch. Denkt man in diesem Zusammenhang an die modernen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, an das Böse und den Schmerz, den sie verursacht haben, so muss man sich eingestehen, dass auch sie von dem einen menschlichen Geist, genauer noch, von einzelnen Menschen, Gruppen und Bewegungen hervorgebracht worden sind, die sich, in Hegels Worten, auf die Spitze ihrer Einzelheit stellten.
Der Widerspruch werde aber vom Geist ertragen, weil dieser keine Bestimmung in sich habe, die nichtvon ihm selbst gesetzt ist, von der er folglich nichts weiß, und die er nicht auch wieder aufheben kann. Diese Macht über allen in ihm vorhandenen Inhalt bilde die Grundlage der Freiheit des Geistes. In seiner Unmittelbarkeit (etwa als natürliche Seele, d. Verf.) sei der Geist aber nur an sich, dem Begriff oder der Möglichkeit nach, aber noch nicht der Wirklichkeit nach frei. Die wirkliche Freiheit sei also nicht etwas, was unmittelbar (etwa