Als Jugendlicher saugt man solche Sprüche auf, vergießt sie nicht und versucht es zu verstehen, irgendwann. Was aus der Feder von Casanova stammte, hat Alfredo gerne uns gegenüber vertont.
Folgende seiner Redewendungen kann ich noch abrufen:
Vernunft ist des Herzens größter Feind!
Ohne Worte verliert die Liebe viel an Reiz!
Nur der Mensch ist zur Lust fähig, er erwartet Lust,
er sucht Lust und er verschafft sich Lust!
Von unerfahrenen Frauen kann man viel lernen!
Poesie aus Lebenserfahrungen, oder? Die schöne Helene konnte ich eigentlich nicht als Mutter von Brando zuordnen. Als Stiefmutter, oder ältere Schwester ging es, aber mehr war nicht vorstellbar. Obwohl sie auf dem Papier bald vierzig sein musste. Alfredo hat sie blutjung, in einem Provinznest am Ende der Zivilisation, entdeckt. Sie war Kinokassen tauglich. Ihre Ausstrahlung hätte die Kraft gehabt Regisseure und Kameramänner schwermütig werden zu lassen. Vielleicht war sie nicht wirklich wunderschön, aber sie sah so aus. Etwas Besonderes war auch das Personal in seinen Betrieben, im Bungalow, die Hausmädchen und was noch so alles kam und ging. Wirklich alle, die ich kennenlernen durfte, besaßen eine Lockerheit, die ich von unseren schönsten Dorfmädchen nicht erwarten konnte. Die Wesen in dieser Umgebung schienen mir handverlesen. Jedem "Neuzugang" wurde Helene schnell zur Freundin und Beraterin, ohne dass man sie ständig zusammen gesehen hätte. Allerdings konnten Alfredos Abwesenheit und Helenes Sanftmut keine nennenswerten erzieherischen Akzente bei Brando setzen. Er lebte in einer, aus der Ferne begleiteten, Selbstverwaltung. Jede Begegnung von Helene mit ihrem Sohn hatte eine starke Note aus Liebe und Verständnis. Gento und ich hätten sofort mit ihm getauscht. Diese Mutter kannte kein nein in ihrem Sprachgebrauch. Doch begegnete Brando mehr dem Hausmädchen und der Köchin, was mit Helenes vielfältigen Aufgaben zusammenhing. Schön sein und schön bleiben war mit zeitlichem Aufwand verbunden. Ferner musste die Vermarktung der wechselnden Mädchen begleitet werden und die gesamten Sexy Flitter Klamotten für die Drachenburg vorhanden und einsetzbar sein. Mit den wechselnden Shows und Mädchen kam da einiges zusammen. An manchen Nachmittagen fuhren die Damen im Chrom Schlachtschiff nach Bremen, Hamburg, oder Groningen davon. Zum Einkaufen, Kaffee trinken, Eis essen und sich sehen lassen. Wahrscheinlich wurden die neuen Mädchen bei dieser Gelegenheit einigen solventen Herren vorgestellt. Wenn das Areal praktisch leer war (Bertha studierte in ihrer großzügig bemessenen Freizeit die Bibel und die Friedhöfe der Umgebung) fielen wir ins Wohnzimmer ein und bestaunten Alfredos Stereoanlage, amerikanischer Herkunft. So was stand in keinem deutschen Fachgeschäft. Lautsprecher, groß wie Särge, komplettierten das potente Bild. Dean Martin flog vom Plattenteller und Beatles, Stones, Kinks und wie sie alle hießen traten die Nachfolge an. Auch war Brando bereit uns den Unterwäschevorrat der Mädchen im Bungalow zu zeigen, welchen wir als sehr reizvoll und überdurchschnittlich bewerten konnten.
Wir sahen kurze Röcke, Handschuhe, Slips, Strümpfe, Mieder, Strumpfhalter Gürtel und Büstenhalter. In rosa, schwarz, weiß, geblümt, durchsichtig und mit Spitzen besetzte Wäschestücke. >Von nix, kommt nix<, meinte Brando dazu, einem Wahlspruch seines Vaters. Ich habe mal, an einem sehr heißen Sommertag (wir schlichen uns an den Pool zu den Mädchen) gehört, wie eine Bungalow Schlange (sie hieß Leonie und war einem Hochschuldozenten Ehepaar entlaufen) zu Alfredo sagte: >Das Rotlichtviertel funktioniert wie eine Tankstelle, nur umgekehrt. Die Männer kommen von See mit vollem Tank und haben leeren Wochen ohne Sex hinter sich. Dann versenken sie ihre Zapfhähne in uns, bis sie abgemolken sind und sie wieder klar denken können. Sie bezahlen dafür das sie ihren "Treibstoff" abpumpen dürfen. Ja, davon leben wir und zwar nicht schlecht und DU bist eine Zapfhahn Göttin<, antwortete Alfredo während er ihren Po mit der flachen Hand streichelte. Beide lachten dabei und das Mädchen leckte mit ihrer Zunge über eine Wange ihres Chefs. >Feuerwasserentnahme- und Spermaabgabe Oasen kann man auch sagen<, meinte Leonie in die Sonne blinzelnd und suchte nach ihrem Bikinioberteil. >Dann kann ich mit meinen Zapfstellen Oasen froh sein das die Gäste so viel versteuerten Alkohol in sich hinein tanken. Ansonsten müsstet ihr noch Steuern auf das viele kostenlose Sperma zahlen. Bei hohen Vergnügungssteuern würdet ihr Mädchen ziemlich leer ausgehen, weil die Kerle euch ziemlich vollpumpen. Lassen wir es lieber nicht soweit kommen, sonst spricht sich der Gedanke noch herum und vor unseren Läden stehen lange Schlangen, wie damals im Krieg. Überlassen wir solche Überlegungen den Weltverbesserern hinter den eisernen Vorhang<.
Beide standen jetzt von den Liegestühlen auf, das Mädchen stellte sich auf ihre Zehenspitzen, nickte mit dem Pferdeschwanz und fragte: >Was kostet eigentlich ein Autoführerschein bei meinen Talenten, geliebter Alfredo? Damit waren sie zu einem anderen Thema übergegangen. Alfredo aber nannte sich nun gerne scherzhaft einen Oasen Tankwart für Zapfhähne, mit Alkoholausschank und Musikbeschallung.
Leonie war eine wilde Erscheinung. Aus ihr strahlte etwas zigeunerhaftes, mit ihren vollen schwarzen Haaren und höllisch dunklen Augen. Ihr Körper schien extra für sie konstruiert worden zu sein, so perfekt passte alles zusammen. Trotz ihrer ungestümen Wildheit gehörte sie einige Zeit zur Stamm Mannschaft. Nicht in der Drachenburg, aber für Einzelsitzungen wurde sie von den Herren immer wieder gerne genommen. Mancher Verkehr mit ihr dauerte das ganze Wochenende, so beliebt konnte sich Leonie machen. Die sehr kontrolliert lebenden Männer wurden von ihr in eine Wildheit hineingezogen, die sie scheinbar entbehrt hatten. Ihre klare Art sofort das Ruder in die Hand zu nehmen und die Schwächen der gestandenen Männer zu bedienen halfen dabei. Ihr frohes lachen deutete darauf hin das es ihr gefiel wie sie jetzt lebte und jeder Huren Liebhaber zum Abenteuer wurde, von denen sie immer etwas lernen konnte.
Sie wollte sich "Vögelkätzchen", oder "Nummerngirl" nennen, aber es blieb beim alternativlosen Vorschlag von Alfredo. So wurde sie unter Kennern als "Tralala" geschätzt und empfohlen. Keine Ahnung warum Alfredo dieser Name einfiel, aber irgendwie passe er. Sie war eine sorglose Tralala. Ein anderes, erst nur spanisch sprechendes, sehr devotes Mädchen hieß bald Si Si und das konnte ich mir noch erklären. Wir nannten sie natürlich bald Sissi und das war auch ok. Bei Namen wie "Stiefelchen" musste man nur das dazu gehörige Mädchen gesehen haben um zu verstehen. Wenn man ihr glauben darf hing vieles mit dem Elternhaus vom Leonie zusammen. Ihr Vater, ein Schwächling und Schwätzer, ihre Mutter, ein herrschsüchtiger Bücherwurm. Sie steckten Leonie in eine Waldorfschule, flankierend experimentierten sie mit ihren Hochschullehrer Kenntnissen an sich und ihrem Kind herum. Sie war von zuhause getürmt, als ihr Vater eine neue Skulptur in den Garten stellen ließ. Das Kunstwerk war ein großes Trojanisches Pferd, aus Metall zusammengeschweißt. Als er sie in den Garten holte und über das Monster diskutieren wollte, war Schluss mit lustig für Leonie. Dabei war sie erst am Morgen wieder an den Hof gekommen. Sie hatte sich die Nacht über, freiwillig und gerne, von 3 Jungen durchficken lassen. War immer noch betrunken, roch nach Alkohol und Sex, aber das alles signalisierte dem schlauen Vater seine Wahrnehmung nicht. Ich glaube Leonie war für Alfredo eine Gelddruckmaschine. Konkurrenzlos in ihrer Art und von vielen Stammkunden der höheren Einkommensklasse, als ein Jungbrunnen ihrer dunklen Triebe verehrt. Eines Tages stand ein Privatdetektiv vor dem gelben Haus und fragte nach einem Mädchen Namens Leonie. Helene kannte solche Fälle, ließ sich die Hoteladresse vom Ermittler geben und versprach sich darum zu kümmern. Dann rief sie ihren Mann an und der wiederum kontaktierte den Mann mit dem Ledermantel. Gestapo Kuddel war eine anerkannte Kapazität in der Szene und konnte auf die richtigen Knöpfe drücken, so Siggis Beschreibung. Mein Vater glaubte über Kuddel sagen zu müssen: >Der Kurt, der brauche keine unnötige Gewalt. Der ist zuverlässig, ausgeschlafen und spricht die Sprache der Macht<. Was immer er damit gemeint haben mag, ich habe lieber nicht nachgefragt. Für uns Jungs blieb Kuddel immer der Mann mit den drei Gesichtsausdrücken: nach recht sehen, nach links sehen und geradeaus sehen. Er betrieb im Ort das Deutsche Haus, ein Veranstaltungsschlachtschiff mit Ballsaal und Kulissen vergangener Zeiten, die von manchen als Große bezeichnet werden. Das beeindruckende Bauwerk dieser Epoche ist heute längst auf Lastwagen verendet und sein Grund mit einem Einkaufscenter neu besiedelt. Es war ein Knotenpunkt jener Jahre, für alle die Interessen und Bedürfnisse hatten, welche Horten, Karstadt oder Merkur nicht befriedigen konnten.