Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. J. Juhnke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783968588216
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der Innung für diese Mitarbeiter und hielt seine Hand schützend über sie. Das dynamische Duo, wie die Mädchen sie nannten, hatte, wie so viele, ein Schicksalsschlag in diesen Teil der Welt verbannt.

      Bei Turbine fing es damit an das eine Quarantäne, am Ende der Welt, ihn für eine ganze Schiffsreise ausfallen ließ. Als er nächstes Mal wieder an Bord ging, erfuhr er erst auf hoher See und rein zufällig, von dem Verhältnis seiner Frau mit dem Kapitän. So verprügelte er im Dienst seinen Vorgesetzten und die Mannschaft konnte nur mit Mühe verhindern das er ihn über Bord warf. Dieser Vorfall beendete seine Seefahrerzeit und auch seine Pläne eine Frau fürs Leben zu haben. Er tauchte ab und bei uns wieder auf. Seine Nationalität blieb mir schleierhaft, auch weil er es mit Worten nicht so hatte. 10 deutsche und 10 englische Sätze reichten ihm, im Dienst, völlig zur Verständigung aus. Dafür waren diese recht kernig und richtungsweisend. Zum Beispiel sagt er bei passender Gelegenheit: >Ist jetzt Ruhe hier im Puff, oder soll doch der Leichenwagen kommen? < Das verfehlte seine Wirkung nur selten. Ansonsten blieb Turbine unauffällig und man sah ihn gelegentlich auf seinem Fahrrad das Revier abfahren. Den Namen Turbine soll er schon an Bord der Schiffe gehabt haben, weil er kurzfristig enorme Kräfte abrufen konnte und vielleicht auch weil er kurzfristig sehr böse werden konnte. Beim Feuerwehrmann, den sie Major nannten, lief es ungefähr so ab: Er kam aus dem Norden der Staaten und soll als Feuerwehrmann in New York gearbeitet haben. Dort muss der große kräftige Kerl aufgefallen sein. So landete er schon Anfang der 60zigern bei den Green Berets und dann in Vietnam. Als sie ihn später nach Deutschland ausflogen hatte er immer noch die Kugel im Kopf. Aber auch im besten US Army Hospital hielt man es für zu riskant die Kugel heraus zu operieren. Mit Glück würde sie nicht anfangen im Gehirn zu wandern und alles bliebe unauffällig. Das war nur die halbe Wahrheit den der Major zog, seit er die Kugel eingefangen hatte, etwas das Bein nach und seine Farberkennung hatte Tagesform. Er hat sich immer wieder gefragt woher damals der Feuerstoß gekommen sein konnte und er hielt es nicht für unmöglich das er aus einer amerikanischen Waffe stammte. Der Dschungel, die Dunkelheit, die Angst und der Stress können den besten Soldaten irritieren. Jedenfalls hatte er genug Krieg abbekommen und ging seiner Wege. Nach Amerika zurück kam nicht in Frage denn als Feuerwehrmann war er nicht mehr zu gebrauchen. Unter diesen Voraussetzungen in Amerika neu anzufangen wäre schwer. Zufällig traf er in Wiesbaden, bei einer internen Abschiedsfeier im Offizierscasino, unseren Rex mit seinen Mädchen, die dort mindestens tanzten und sangen. Irgendwo in der Familiengeschichte vom Major muss es deutsche Wurzeln gegeben haben, denn er soll von Anfang an etwas deutsch beherrscht haben. Rex sah in ihm gutes Verwendungspotenzial für die Innung, wenn der Major nicht schon andere Pläne geschmiedet hätte. Hatte er aber nicht und so telefonierte Rex mit dem Kater, dem Mann für Entscheidungen im organisieren des Tagesgeschäftes. Kater Carlo suchte ständig fähige Männer mit Beulen und Schrammen im Lebenslauf, sowie "Eiern in der Hose". Das Rotlicht boomte derartig das in mehreren Schichten gearbeitet wurde und Turbine nicht laufend Doppelschichten fahren konnte.

      Außerdem suchte er für die "Bumsläden" im Fischereihafen einen "Killertypen", den die einfallenden Verbrechervisagen aus den Fischtrawlern respektieren würden. Aber da wäre einer sowieso chancenlos geblieben und so war es mehr das Einsatzgebiet der Drachenburger Lotsen. Jedenfalls sorgte das dynamische Duo für Ordnung in Zusammenarbeit mit der MP der Amerikaner und gelegentlich mit der Seestadt Polizei, die es, nach Möglichkeit, vermied sich mit den vielen Ausländern herum zu schlagen.

      Zu ungewöhnlich, undurchsichtig und derbe waren oft die Konflikte im Rotlicht. Als deutscher Polizist war es auch nicht einfach sich in der Szene durchzusetzen, würde man nicht geltendes Recht verletzen. Da waren Turbine, Major und die M P freier in der Wahl der Mittel die sofort halfen. Der Major hatte schnell einen guten Draht zu den Boys seines alten Arbeitgebers. Es dauerte nicht lange da fuhr der Major mit einem ausgemusterten Army Jeep durch das Viertel. Eine Sammlung "Nightsticks" gab es gratis dazu. Nightstick – so nannte man den Schlagstock der amerikanischen Militärpolizei. Er war der M P wirklich eine Hilfe in dieser turbulenten Zeit. Ständig neue Soldaten die gingen und kamen, genau wie die Schiffe und ihre Besatzungen, die sie brachten oder holten. Oft brauchten sie die reisefertig gestalteten Heißsporne nur noch in ihrem Einsatzwagen zu werfen und ab ging es in die Zelle. Alle aktiven Mädchen mochten den Major sehr. Er sah kompetent aus und von seiner Nähe ging ein Strahl wärmender Sicherheit auf sie über. Egal wo hoch es her ging und die Stimmung gerade einen Siedepunkt erreicht hatte. Manchmal wurde es wirklich ungemütlich. Ich kann mich an die Geschichte mit dem Mädchen Paloma erinnern. Paloma war ein kakaobraunes Mädchen aus der Karibik. Kein Gramm Fett zu wenig, zu viel, oder am falschen Platz.

      Sie wäre 365 Tage im Jahr ausgebucht gewesen, wenn sie das gewollt oder ausgehalten hätte. Ihre Spezialität war der Dreier mit zwei Männern. Das mochte sie einfach sehr gerne. Keinesfalls einen Vierer oder mehr, wie es einige Huren praktizieren, des schnellen Geldes wegen. In einer Nacht kam es darüber zum Streit unter Marinesoldaten eines Truppen Transporters der gerade vor Anker gegangen war.

      Die jungen Kerle standen mächtig unter Dampf und schwänzelten um sie herum, aber konnten sich nicht friedlich einigen wer das Mädchen Paloma abgreifen durfte. Es artete zu einer wüsten Schlägerei unter kräftigen, ausgehungerten und geilen Marinesoldaten aus. Das Inventar war somit einer starken Gefährdung ausgesetzt und das bezahlt später niemand, wenn die Boys im Gewahrsam der Army verschwanden.

      Es war kein Zufall das der Major über das lodernde Gefecht informiert wurde und schnell vor Ort die missliche Situation erkannte. Er hätte alle ausgeflippten Jungs nicht festsetzen können und lief zurück zum Jeep. Er griff sich einen handlichen Benzinkanister, öffnete ihn und goss schwenkend über die sich bereits am Boden prügelnden Nordamerikaner reichlich aus. Dann ließ er die Musik stoppen, stellte sich vor die Boys und hielt eine brennende Kerze in die Luft. Es dauerte keine gefühlte Ewigkeit bis den in Rage geratenen Männern der bekannte Geruch in die Nase und dann ins Gehirn stieg. Während der ganzen Zeit wurde es sehr still, dann zeigte der Major auf die brennende Flamme und auf den Ausgang der von den Mädchen offengehalten wurde. Wie Feuerwehrleute im Einsatz spritzten die Soldaten aus Kater Carlos Vorzeigeladen und wurden von der MP in die bereits offenen Einsatzwagen komplimentiert. Riskante Nummer, finde ich heute noch. Hätte komplett aus dem Ruder laufen können. Ich denke auch, dass nur der M P Zugriff garantierte, das die Jungs nicht nochmal aufgetaucht sind. Als alles geklärt und provisorisch aufgeräumt war, setzten sich die Verbliebenen an die Theke, kippten ein paar Kurze und Paloma drückte in der Jukebox, vielleicht passenderweise, Jumpin Jack Flash von den Rolling Stones. Dann wurde wild getanzt.

      Ganz zum Schluss schneite Turbine herein und begriff was er versäumt hatte. Er kam gerade von einem Notfall und berichtete über eine Horde Seelöwen die gerade einer Bohrinsel entkommen waren und die Puppen nicht tanzen wollten, wie sie es wollten. Aber das ist eine andere Geschichte und ich schwenke wieder ab. Also zurück zur Silvesternacht. In dieser Hardcore Wirklichkeit suchten wir Waisenknaben doch nur eine nette Atmosphäre, in der uns ein bezahlbares, williges Mädchen an die Hand nahm und uns sozusagen einführte. War das denn zu dieser Stunde, an diesem Ort, unmöglich? Wir drifteten in Richtung der ruhigeren Kneipen, ohne Live-Programm, am Ende der "tingel tangel Straße". Brando erinnerte sich an das Cap Störtebecker. Eine alte Kneipe seines Vaters. Ein Seefahrer Klassiker der etwas hinter der Zeit war und demnächst renoviert werden würde. Vielleicht konnten wir uns dahin flüchten, frei bewegen und Nymphomaninnen treffen. Brando wusste: Der Störtebecker hatte Räume in denen man sich mit einer Hure ungestört vergnügen konnte. Das war nicht überall so. Es gab Kneipen die man extra verlassen musste um ein Stundenhotel zu nehmen, die Hure nachhause begleiten, oder im Sommer mit einem Taxi einen geeigneten Platz aufsuchen. Je nach Stimmungslage trieben es manche auch direkt in der Lasterhöhle, vor den Augen der anderen. Das schlossen wir für uns aus. Nicht unter Wildfremden. In solchen alten Spelunken, vom Typ Störtebecker, herrschten animalische Sitten und Gebräuche. Man konnte saufen, rauchen, streiten und ficken, alles unter einem Dach. Dann standen wir vor dem alten Bumsladen und er sah wie ein kleines Haus meiner Modelleisenbahn aus. Mit Schnee auf dem Dach und roter Außenbeleuchtung. Ein gemaltes, verwittertes Bild, vom alten Piratenkapitän, prangte angestrahlt über dem Eingang. In einem Bericht über den Goldrausch in Alaska habe ich ähnliches gesehen. Die Tür ließ sich öffnen und wir griffen uns zwei freiwerdende Barhocker am Tresen. Um 2 Uhr morgens, am 1. Januar 1968.

      Ein Mann,